Erto II
Wir schreiben den 9. Oktober 1963 - in Erto, Casso und Longarone ist es längst dunkel, die meisten Leute schlafen, es ist ruhig. Um 22:39 hören die in der Warte der Staumauer Vajont anwesenden Techniker und Geologen ein dumpfes Grollen von der Flanke des Monte Toc her. Sekunden später sehen sie eine 200 Meter hohe Wasserwand auf sich zukommen, die die Warte in Sekundenbruchteilen verschlingt, alle Techniker und Geologen, die sich dort aufgehalten haben, werden mit der Warte in die Tiefe gerissen und getötet. Wenige Sekunden später werden Casso, Erto, Longarone und weitere Orte im Piavetal von einer Wasserwand apokalyptischen Ausmaßen verschlungen. 260 Millionen Kubikmeter Gestein stürzten in den Vajont- Stausee. Durch diesen Aufprall der Gesteinsmassen wurde eine Energie freigesetzt, die der von drei Hiroshima-Bomben vergleichbar ist. 258 Menschen kamen im Vajont-Tal zu Tode. Noch mehr Unheil richtete die Flutwelle in einem halben Dutzend Orten unterhalb der Staumauer im Piavetal an. 25 Millionen Tonnen Wasser, etwa ein Sechstel des Stauvolumens, schwappten über die Dammkrone, die selbst nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde. Die Gemeinde Longarone wurde komplett zerstört. Etwa 1800 Menschen starben. Die Hälfte der Toten wurde nie gefunden. Einige Leichname wurden mit der Flutwelle bis in die Adria gespült, in die der Piave beim Badeort Jesolo mündet.
Die Katastrophe von Vajont gilt heute als Tschernobyl der Wasserkraft. Trotz unzähliger Warnungen der ansässigen Bevölkerung verwirklichte das Energieunternehmen SADE den Bau des Staudamms und beschloss sogar eine Erhöhung der Bogensperre von 200 auf etwa 270 Meter! Dass dadurch der Druck auf den Hang des Mont Toc weiter erhöht wurde, war ihnen nicht klar. Es existierten zwar geologische Gutachten, die vor dem Hang warnten, diese wurden jedoch streng unter Verschluss gehalten. Aber die Proteste der ortsansässigen Bevölkerung hörten nicht auf - daher wurde in Erto eine Polizeistation errichtet. Erst 1968 begann ein Prozess gegen die Verantwortlichen. Der war eine Farce. Einerseits wurde er in L'Aquila abgehalten, aus der Furcht heraus, dass Betroffene ihn stören könnten und andererseits, weil es eine einzige Verurteilung gab (der Bauingenieur Pancini, einer der Angeklagten, beging kurz vor dem Prozess Selbstmord und entzog sich so der Gerichtsbarkeit und dem Urteil). 10 Jahre dafür, dass 3 Orte vernichtet wurden und 2000 Menschen starben! Und der Verurteile saß nur ein Jahr ab, bevor er freigelassen wurde.
Die Schadensersatzverhandlungen zogen sich in die Länge und viele Betroffene gaben sich mit Vergleichen ab, weil ihnen die Prozesse zu nervenaufreibend wurden...
Abgeändert nach www.alpenverein.at/Tragoedie-von-Longarone.
Anfang Juni 2022
ibiART 16/06/2022 15:38
Berührende Geschichte und ein gut illustriertes Foto.Es ist so, dass Bauingenieure auch heute eine enorme Verantwortung tragen, oft mehr Verantwortung als ein Arzt.
LG von Ibi
Hans Pfleger 16/06/2022 11:20
dieser fast trostlos wirkende Blick in die schmale Gasse passt sehr gut in deine Serie über dieses furchtbare UnglückJackie.S 16/06/2022 10:37
Die stroi habe ich zwar nicht gelesen, bin mitten in der Arbeit, aber das Bild was ich hier sehe gefäll tmir richtig gut in SWlg jackie
Fabian Eipel 16/06/2022 8:43
Krasse Story, von der ich noch nichts gehört hatte. Passend das beengende Bild..Varieta infinita 16/06/2022 1:12
Danke für den tollen Beitrag in Bild und Informationen!LG
artspektral 15/06/2022 22:20
Es ist wichtig, dass solche Ereignisse nicht vergessen werden!electric wooly mammoth 15/06/2022 20:54
Bild und Text bilden gemeinsam eine beeindruckende, ja gewaltige Bildgeschichte.*Hut ab*
ewm