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Expeditionsmannschaft

Die Expeditionsmannschaft. Kalimantan Timur, 1984.

Aus meinen Tagebuchaufzeichnungen:

Kopfjäger

Die einzige Verbindung zur Außenwelt war der Fluss Bahau mit seinen zahlreichen Stromschnellen und Ufern aus dunklem Fels, gesäumt von hohem, undurchdringlichem Wald. Wir schliefen in einem Pfahlhaus auf dem Holzboden. Die Erschöpfung ließ uns trotz der Mosquitos und der feuchten Hitze einschlafen. Die Boote waren noch Nachts von fleißigen Händen ausgeladen und die Fracht zu tragbaren Bündeln gepackt worden. Noch vor Sonnenaufgang waren wir schon wieder im Busch Kalimantans unterwegs. Eine Kette Menschen bewegte sich zügig im Gänsemarsch auf einem schmalen Pfad aus dem Bahau-Tal heraus. Peter ,Ich, Jeffrey, der Pastor zusammen mit seinem Freund Sidhi und sieben Einheimische Träger, die große Bündel auf Kraxen und in Rattankörben trugen. Die Träger waren Angehörige des Dajakvolkes. Sie waren leicht bekleidet, gingen barfuss und hatten große Buschmesser und Blasrohre bei sich.

Wir kamen an das Ufer eines Flusses, der überquert werden musste. Lange Holzstangen wurden aus dem Gebüsch geschnitten. In Gruppen zu drei bis vier Personen gingen wir vorsichtig ins Wasser, das trübe, braun war und schnell vorbei floss. Man tastete sich langsam zum anderen Ufer hinüber und rutschte hier und da einmal aus. Das Wasser reichte uns bis zur Brust und die wasserdichten Tropenkoffer mit der Fotoausrüstung hingen in der Strömung. Nach einer halben Stunde lag der Fluss hinter uns.



Der weitere Weg führte über umgestürzte Baumstämme, die teilweise mit Moos bewachsen waren. Die Dajak-Jungs, die als Träger arbeiteten, waren flink auf dem glitschigen Holz unterwegs, während Peter und Ich immer wieder ausrutschten. Das Marschtempo war hoch. Obwohl die Dajak schwere Lasten zu tragen hatten, mussten wir uns konzentrieren um den Anschluss nicht zu verlieren und nicht ständig zu stolpern oder auszurutschen. Zeitweise liefen wir gebückt durch dichtes Unterholz, das wie ein Tunnel über unseren Köpfen zusammengewachsen war. Der Boden war aufgeweicht. Wieder kamen wir an ein Flussbett. Diesmal klares, flaches Wasser, dem flussaufwärts gefolgt werden musste. Über dem Fluss waren die Baumkronen zusammengewachsen, sodass man den Himmel nicht sehen konnte. Die Sonne vermag nicht den Waldboden zu erreichen. Es war düster unter dem grünen Dach. Das Fotografieren war unter diesen Verhältnissen schwierig.

Federweißer


Später kamen wir wieder an den Fluss mit dem braunen, trüben Wasser. Sein Rauschen war zu hören, bevor sein Wasser zu sehen war. Auf der anderen Seite lag das Dorf Long Lame. Dieses Dorf der Dayak war das Ziel der Träger. Der Fluss wurde dann auch mit einer gewissen Routine durchquert. Das Dorf Long Lame bestand aus ungefähr 20 Pfahlhäusern, Hütten, die mit Schindeln gedeckt waren. In diesen Häusern lebten die Ureinwohner, die Bahau-Dayak. Pastor Jeffrey war in Long Lame ein bekannter Mann und wurde vertraut begrüßt. Jeffrey stellte uns dem Dorfältesten vor und half uns Kontakte zu den Leuten zu finden. Wir saßen auf dem Hüttenboden im Kreis mit Leuten, mit denen wir uns nicht unterhalten konnten. Kopfjäger? Es waren nur Blicke und Gesten. Eine einfache Kommunikation. Abschied vom herkömmlichen Smalltalk. Sie waren bereit mit uns zusammen zu sein. Eine Frau mit einem Kopfputz aus einem breiten, geflochtenen Bast-Ring, der einen schwarzen Haarknoten umfasste, stellte Peter und mir Tee und Früchte vor die verschränkten Beine des Schneidersitzes. Ich ließ meine Augen durch den Raum wandern. Das Mobiliar bestand aus Matten aus Rattan und geflochtenem Bast. Ein Vorhang aus Stoff teilte den Raum. Fensteröffnungen ohne Glasscheiben. An einer Wand hatte jemand einen großen Nagel eingeschlagen. Daran hingen Werkzeuge und Waffen. Buschmesser und Blasrohre. Daneben zwei aus Bast geflochtene Sonnenhüte, ähnlich dem NonLa aus Vietnam. Etwas huschte durch das Fenster zum Dachfirst hinauf und verschwand durch das gleiche Fenster in die Dunkelheit. Ein kurzer Schatten.

Zusammensitzen auf dem Boden einer Hütte und einen Becher nehmen und weiterreichen, nachdem man getrunken hatte. Das Wort spielte keine Rolle mehr. Der Tee war schon lange getrunken. Sprache war so mühsam, wurde durch Gesten, Zeichen und Handlung ersetzt.

Ich saß an eine Bretterwand gelehnt, auf dem Boden. Der Alkohol erweiterte die kleinen Blutgefäße, die geglaubt hatten durch die tropische Hitze schon genug ausgedehnt worden zu sein. Das Hemd klebte mir wie ein nasser Lappen am Körper. Peter und unsere Gastgeber waren entspannt und redselig. Es war finster geworden. Urwaldgeräusche. Eine Petroleum-Funzel schaffte es gerade die Gesichter zu erhellen. Ich saß auf dem Boden, an eine Bretterwand gelehnt, zwei Meter über dem Waldboden in einem Pfahlhaus der Dayak. Arme und Beine waren schwer geworden. Der Tuak, dieses mostartige Getränk bewirkte eine Konzentration der Sinne auf die Geräusche des Waldes und

die vollkommene Entschleunigung. Nichts hätte mich an diesem Abend im Dschungel Borneos aus der Ruhe bringen können. Entschleunigung, das vollkommene Herunterbremsen jeglicher Hektik und Anspannung. Ein Gesamtwerk aus spärlichem Licht, das Gesichter, Wände und Boden illuminiert, dazu der Geruch nach feuchtem, verkohltem Holz und einem Sound des Waldes aus Zikaden, Fröschen und anderen nachtaktiven Tieren.

Kein plärrender Fernseher, keine kreischende Mutter, die ihr Kind zur Sau macht. Keine überfüllte U-Bahn, kein Weihnachtsgeschäft.

Ein Tropfen. Saft tritt aus einer angeritzten Blütenknospe aus. Eine Blüte, die von der „Aren-Palme“ gebildet wird. Der Saft wird aufgefangen. Die Hitze setzt sofort einen Gärprozess in Gang. Eine Art „Federweißer“ entsteht. Man muss nichts weiter tun als zu warten, meinte Jeffrey. Meine Erinnerungen an diesen Abend bei den Dayak sind verblasst, haben sich verflüchtigt. Tuak hat den Übergang zwischen Wirklichkeit und Traum unscharf werden lassen. Wir betteten uns auf Matten aus Bast auf rohen Bodendielen. Jetzt verblasste die Erinnerung an die Küste, die Stadt, Lärm und Abgase.

Lager
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Markus Bibelriether

Plakat von 1985 zur Sonderausstellung "Dayak das vergessene Volk"
Plakat von 1985 zur Sonderausstellung "Dayak das vergessene Volk"
Markus Bibelriether

NHG Ausstellung 1985
NHG Ausstellung 1985
Markus Bibelriether

Commentaire 1

  • Elvi Gendig 24/03/2014 19:06

    Lieber Markus, erst jetzt habe ich mir Zeit genommen, außer Deine tollen Fotos zu betrachten, auch Deinen Text sorgfältig durchzulesen. Ich war wie gebannt und kann mir alles genau vorstellen, wie Du es beschrieben hast. Ein Erlebnis, das ein "Normalo" kaum erleben wird. Diese Erinnerungen wird Dir keiner nehmen... Dein Leben - wie ich schon manchmal festestellen konnte - war abwechslungsreich, abenteuerlich und voller Faszination. Du hast uns eine fantastische Präsentation Deiner Reise gegeben, dafür danke ich und bedenke es mit meinem FavoSternchen!
    Mit lieben Grüßen und Wünsche für einen schönen Frühlingsabend,
    herzlichst
    Elvi