Fadenfruchtschleimpilz: Gleich zu Jahresbeginn ein Geschenk der Natur 04
Voller Bewunderung betrachte ich immer wieder die Schleimi-Fotos von Micha vor dem Harz
und anderen – in dem Bewusstsein, dass ich selbst solchen Aufwand nicht betreiben möchte.
Mit ähnlicher Hingabe sitze ich hin und wieder im Wald und schaue mir die wunderbare und wandelbare Welt der Schleimpilze an. Hauptsache ich finde überhaupt welche – die exakte Bestimmung ist weniger wichtig.
Vielleicht weil ich ganz brav und schnell alle Weihnachtsplätzchen aufgegessen habe, hat mich die Natur bereits am zweiten Tag des neuen Jahres mit einem tollen Geschenk erfreut.
Eigentlich wollte ich der Foto-Stammtischschwester an einem nasskalten Tag nur „meinen“ Wald zeigen, bog dann aber ohne besonderen Grund vom Weg ab und landete schließlich vor einem Kieferntotholz.
Das strahlende Gelb dort war eindeutig: Hier war ein Schleimi am Werk.
Und noch besser: Es handelte sich um den einzigen Schleimi, den ich auf Anhieb bestimmen kann, den Fadenfruchtschleimpilz (Physarum utriculare).
Auch klasse: Im Laufe der Zeit hatte ich zwar schon etliche Fruchtkörper gesehen, nicht aber ein Plasmodium in dieser Größe und Schönheit.
Bei all dem Glück machte mir leider das Wetter schnell einen Strich durch die Rechnung und es wurde stetig dunkler. So musste ich weit über meine Grenzen und die meiner kleinen Reporter – Kamera hinausgehen. Natürlich sind die Fotos nicht scharf geworden – halb so schlimm und es tut meiner Freude (fast) keinen Abbruch.
Das erste Foto zeigt, wie man es machen sollte und wie meine Stammtischschwester vorgegangen ist: Stativ, isotaugliche Kamera, Filter und so weiter.
Auf der zweiten Aufnahme das schöne Plasmodium – der Schleimi „geht voran“.
Die schönen Fruchtkörper sieht man auf dem dritten Foto.
Das vierte Bild zeigt, wie unauffällig so ein Schleimi inmitten von vielen Tausend Bäumen wirken kann.
Hier noch ein Artikel von der Internetseite der Uni Bremen. Vielleicht lassen sich ja weitere Schleimi-Freunde gewinnen ….
Schleimpilz: Kein Hirn und trotzdem schlau
Unser Verständnis von „Intelligenz“ sollte auf Tiere, Pflanzen und Pilze ausgeweitet werden. Das sagt Biophysik-Professor Hans-Günther Döbereiner von der Universität Bremen. Er forscht unter anderem zu Schleimpilzen und fragt, ob Lebewesen auch ohne Gehirn und Nervenzellen denken können.
„Der Mensch ist einzigartig. Das ist das gängige Leitbild unserer Gesellschaft“, erläutert Professor Hans-Günther Döbereiner vom Institut für Biophysik an der Universität Bremen. „Durch naturwissenschaftliche Forschung werde aber immer deutlicher, dass „überlegtes und planerisches Denken“ auch in Lebewesen existiere, bei denen man es nicht erwarten würde. „Der Intelligenz-Begriff wird langsam aufgebohrt.“
Einzeller sind hochkomplexe Systeme
Intelligenz sollte als Fähigkeit verstanden werden, komplexe Probleme zu lösen, wie der Biophysiker hervorhebt. Als Beispiel führt er den Schleimpilz an – Physarum polycephalum – zu dem er und seine Arbeitsgruppe forschen. „Schleimpilze sind keine Pilze, auch wenn sie so heißen. Sie sind auch keine Tiere oder Pflanzen. Vor etwa 2 Milliarden Jahren hat sich der Schleimpilz von den gemeinsamen Vorfahren der Reiche von Pilzen, Pflanzen und Tieren wegentwickelt.“ Der Schleimpilz sei aus menschlicher Sicht als Einzeller ein primitiver Organismus. „Dabei ist bereits eine Zelle ein hochkomplexes System.“
Schleimpilze sind laut Professor Döbereiner ideale Objekte, um einfache kognitive Fähigkeiten zu erforschen. „Schleimpilze pulsieren und bilden weitverzweigte Adernetzwerke. Wir wollen verstehen, wie und warum sich diese Netze verändern.“ Experimente zur biologischen Physik der Zellbewegungen hätten etwa gezeigt, dass der Schleimpilz dabei auf Erinnerungen zurückgreifen kann. „Seine natürliche Lebenswelt ist dunkel und feucht, Licht mag er nicht. Kollegen haben den Schleimpilz dreimal nach jeder Stunde kurz mit Licht bestrahlt. Jedes Mal hörte der Schleimpilz auf, sich zu bewegen. Nach der vierten Stunde wurde er nicht bestrahlt, hörte aber trotzdem aus eigenen Stücken auf, sich zu bewegen – er hatte sich die Bestrahlung also gemerkt.“ Physarum könne zudem den kürzesten Weg in einem Labyrinth finden und realen Bahnnetzen verblüffend ähnliche Transportnetze entwerfen. „Verschmelzen zwei Schleimpilze, kann der eine dem anderen zudem Gelerntes beibringen, so dass die gesamte Schleimpilzstruktur die neuen Informationen anwenden kann.“
Lernen ohne Gehirn und Nervensystem
„Natürlich denken wir bei dem Begriff „Lernen“ zuerst einmal an die kognitive Fähigkeit eines Menschen“, sagt Professor Döbereiner. Im Gehirn würden Erinnerungen über ein Nervensystem abgespeichert. Das gehe beim Physarum natürlich nicht, denn er habe weder Gehirn noch Nervensystem. Wenn wir unter „Lernen“ aber verstehen, sich etwas zu merken, um in der Zukunft daraus eine Verhaltensänderung abzuleiten, dann lernt der Schleimpilz, wie der Biophysiker betont. Weder die Größe eines Gehirns noch die Zahl der Nervenzellen würden etwas über die Intelligenz eines Lebewesens aussagen.
Hans-Günther Döbereiner ist seit 2006 Professor am Institut für Biophysik an der Universität Bremen. Gemeinsam mit der Philosophie-Professorin Dagmar Borchers organisiert er die Ringvorlesung „Universelle Eigenschaften des Entscheidens“ in der seit dem Sommersemester 2016 regelmäßig Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Geistes-, Ingenieur-, Natur- und Sozialwissenschaften ihre Entscheidungsforschung vortragen.
Fragen beantwortet:
Hans-Günther Döbereiner
Institut für Biophysik
Fachbereich Physik/Elektrotechnik
Telefon: +49 421 218-62305
E-Mail: hgduni-bremen.de
https://www.uni-bremen.de/universitaet/hochschulkommunikation-und-marketing/aktuelle-meldungen/detailansicht/schleimpilz-kein-hirn-und-trotzdem-schlau
Hessen, Südhessen, Mühlheim am Main, 02.01.21.
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Willy Brüchle 04/01/2021 10:12
Man muss schon genauer hinsehen. MfG, w.b.