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Ulrich Kirschbaum


Free Account, Mittelhessen

Flechten-Geflecht

An diesem Bild kann man wieder einmal sehen, dass Flechten (hier Physcia tenella - Zarte Schwielenflechte) mit der Unterlage, auf der sie wachsen, nichts am Hut haben: Selbst das plastikummantelte Gartentor - auf dem es wahrlich nichts zu beißen gibt - wird von ihnen besiedelt, sobald die Oberfläche rau genug ist, um sich daran mit den Haftfasern (Rhizinen) festzuhalten. Wenn man genau hinschaut, entdeckt man, dass zunächst die Kreuzungspunkte besiedelt werden - vermutlich deshalb, weil sich dort Staub und Feuchtigkeit am längsten halten und damit der Korrosion der Oberfläche Vorschub leisten.
Die nächste Besiedlungsphase erfasst dann die etwas nach hinten eingebogenen Teile des Drahtes. Vielleicht ist auch dort mehr Staub, vielleicht sind es aber auch winzige mikroklimatische Vorzüge, die diese Stellen für das Wachstum eines neuen Flechtenlagers prädestinieren. (Man kann sehen, dass sich dort bevorzugt frei lebenden Grünalgen angesiedelt haben, die das Substrat "vorbereitet" haben).
Wenn die Flechten so genau "messen", wo für sie die Bedingungen am günstigsten sind (und das tun sie ganz gewiss, wie man aus - meist misslingenden - Kultivierungsversuchen weiß), so muss man es beinahe als ein Wunder ansehen, wenn solch niedere Organismen zu derart großartigen sensorischen Leistungen fähig sind (völlig unerforscht).
Das Bild zeigt noch etwas anderes: Es muss ungeheure Mengen von Sporen/Soredien/Isidien (das sind mikroskopisch kleine Fortpflanzungseinheiten der Flechten) geben: Ich möchte nicht wissen, wie viele davon durch das Gitter hindurch geflogen und auf einem für sie ungeeigneten Substrat gelandet sind (z.B. im Rasen meines Gartens). Auch die vielen, die zwar gegen den Draht geflogen sind, aber sich nicht festhalten konnten, sieht man nicht, weil sie sich nicht zu neuen Flechtenlagern ausbilden konnten.
Mit anderen Worten: Wir sind umzingelt von Milliarden Flechten-Diasporen (Fortpflanzungseinheiten). Rechnet man nun noch die Diasporen anderer Organismen hinzu (z.B. Pilze, höhere Pflanzen), so muss man sagen, dass wir in wahrlich dicker Luft leben.

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Dossier Flechten
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Exif

APN Canon EOS 40D
Objectif ---
Ouverture 2.8
Temps de pose 1/40
Focale 100.0 mm
ISO 100