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Horst Seibel


Premium (Pro), Eugenbach

Freiheit

1965
Ich stamme aus einer Arbeiterfamilie.
Urlaubsreisen waren in meinem Elternhaus ein Fremdwort. Allenfalls besuchte man Verwandte.
Schon mit 14 hatte ich den Wunsch geäußert eine Radltour machen zu dürfen, vergebens. Dann 2 Jahre später, ich war jetzt 16, erachteten mich meine Eltern für alt genug.
Mein Freund Wolfgang und ich hatten nichts, kein Zelt, kein Geld, nur Fahrräder. Es sollte von Dachau aus an den Bodensee gehen.
Wir liehen uns ein altes amerikanisches Armeezelt aus: Zwei Zeltplanen die man am First zusammenknüpfen konnte, dazu 2 zusammensteckbare Zeltstangen und Heringe. Einen Boden hatte das Zelt nicht. Die Luftmatratzen mussten uns trocken halten wenn es regnete.
Ich weiß nicht mehr wieviel Geld ich dabei hatte, es war mein Erspartes, vielleicht 50 Mark, vielleicht auch weniger, von meinen Eltern bekam ich nichts dazu.
Trotzdem, wir waren frei, es war ein Abenteuer einfach der Nase nach zu fahren und nicht zu wissen wo wir nächtigen würden. Vor lauter Euphorie fuhren wir am ersten 120 km bis Benediktbeuren zur Jugendherberge, dort angekommen waren wir restlos fertig.
Dieses Bild entstand am Bodensee, ich weiß nicht mehr genau ob in Lindau oder in Friedrichshafen, jedenfalls drückt es die Stimmungslage sehr gut aus.

Mein Beitrag zur Märzhausaufgabe der Landshuter fc:
"Ein Jugendbild"
Aufgenommen mit einer Agfa Silette,
entwickelt und abgezogen auf ein 6 x 9-Bild bei Foto-Sessner in Dachau.

Commentaire 12

  • Horst Seibel 02/04/2016 10:25

    @Klexy: Mit Torpedo 3-Gang kam man damals alle Hügel rauf und runter
  • Arnold. Meyer 27/03/2016 15:25

    Spannender Text, der von mir sehr gut nachvollzogen werden kann. Das Foto zeichnet sich durch einen sehr guten Bildaufbau aus mit der steigenden Diagonale und der Positionierung der Personen.
    vg Arnold
  • Jakob F. 26/03/2016 9:21

    Dieses Bild erinnert mich an eine ähnliche Geschichte: auch ich wollte mit einem Freund an den Bodensee radeln, da waren wir so um die 14. Zuerst machten wir aber eine "Probefahrt" nach Freising, und zurück über den Thenner See, und kamen dann in eine heftiges Gewitter rein wo wir patschnass wurden. Danach wurde nie mehr über die Bodenseetour geredet. ;-)
    Und mit 16 wollte ich mit einem Freund vier Wochen lang über Paris, London und Kopenhagen trampen, auch mit 400 DM in der Tasche. Wir kamen bis nach Compiegne bei Paris, da waren wir dann beide blank und ich krank, also machten wir uns schleunigst wieder auf den Heimweg.
    Man sieht, dein Bild weckt viele Erinnerungen ...
    Gruß Jakob
  • Angelica C. 25/03/2016 17:24

    Ich kann nur erahnen, was das für ein Gefühl gewesen sein muss... Heute setzt man sich in den Flieger, kommt irgendwo an, es ist selbstverständlich geworden. Auch schön, aber anders halt. Man muss es sich nicht "erkämpfen", das Abenteuer geht in der heutigen Zeit leider verloren.
    Deine Erzählung mit deinem Foto ist toll. Man kann es sich bildlich vorstellen, es entsteht ein kleiner Film im Kopf und man sieht euch bildlich dahinradeln...Und das das für euch pure Freiheit war, kann man sich vorstellen. Sehr gut!
    LG, Angelica
  • Klexy – Bewahrer des Augenblix¸ Hüter des Worz 24/03/2016 23:40

    Äh, wieviele Gänge hatte das Fahrrad?
  • Peter Krammer 24/03/2016 22:39

    Erstmal finde ich das Foto von der Stimmung schon mal gut.
    Die hochstehende, pralle Sommersonne, die Diagonale, die sich durchs Bild zieht und auf der linken Seite die schier "unendliche" Weite des Bodensees, der auch noch gleich an drei Länder grenzt ...das ließ damals schon ein Gefühl von Freiheit aufkommen....
    Zur dieser Zeit war ein Ausflug in die Berge schon das höchste der Gefühle ...bei besser gestellten Mitbürgern evtl. sogar Norditalien/Gardasee.
    Mit den Taschen voller Geld zu reisen ist keine Kunst - mit wenig Geld, dafür mit viel Mut und Enthusiasmus einfach drauf los zu ziehen, schon.
    Das sind die Reisen, die unvergesslich bleiben ....
    Wenn ich daran denke, dass ich 1970 (wie auf meinem Foto) mit meiner damaligen Freundin, einem Käfer Bj. 52 vollgestopft mit Klamotten und 400.- Mark (für Beide) nach Berlin gezogen bin ....kommt mir das heute unbegreiflich vor. Aber wir waren frei....
    Für 200.-€ kriegt man heute grade mal ein Paar vernüftige Schuhe ;-)
    Klasse Beitrag, Horst !
    Grüße von Peter
  • Andi L. 24/03/2016 19:43

    Ich kann mich Roland nur anschließen, und wenn man dich sieht und reden hört, glaubt man gar nicht einen "Rentner" vor sich zu haben.......was vielleicht auch an meinem mittlerweile erreichten Alter liegen mag....

    Tolles Bild und tolle Geschichte dazu ;-)

  • Roland A. 24/03/2016 19:21

    Ein zeitloses Foto, könnte optisch genausogut von den Neunziger stammen.
    Noch "lässiger" als die Haltung finde ich Deine Einstellung: einfach drauflos und wenn es weh tut, "beißen" ;-)
    Diesem Motto bist du ja ein Leben lang treugeblieben.
    VG,Roland
  • Wirrwul 24/03/2016 19:10

    Tolle Geschichte und echt lässige Haltung. (Das Wort "cool" gab es damals noch nicht).
    VG Heini
  • Alfons Gellweiler 24/03/2016 17:40


    Ein tolles Photo, finde ich.

    Grüße
    Alfons
  • LichtSchattenSucher 24/03/2016 17:14

    Spannende Geschichte und sehr gute Aufnahme dazu!
    Gruss
    Roland

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