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GEDANKEN AM MEER

Ihre Aufregung stieg, als sie einatmete und feststellte, dass die Luft nach Meer roch. Dieser eigene Geruch nach Salz, Wasser und Algen war ein Garant dafür, dass sie angekommen war. Sie liebte es mit den Füßen im Wasser zu stehen. Wenn die Wellen gegen ihre Beine schlugen und sie, gefühlt, bis zum Ende der Welt sehen konnte, kam ihr der Gedanke, dass ihr Leben schier endlos war.
Als wäre sie alleine auf der Welt. Kein Mensch, kein Lebewesen, keine Probleme, Ängste, Sorgen oder Nöte waren dann in der Lage ihr etwas anzuhaben. Oft schaffte sie es auch für wenige Sekunden den Zustand der Gedankenlosigkeit, in der alles von ihr abfiel und sie nur sie selbst war. In ihrem Kopf hallte nur jenes alles übertönendes Rauschen.
Dort fand sich nichts, dass sie hätte stören können. Als würde das Meer darauf warten sie zu verschlucken. Mit Haut und Haaren würde sie dann veschwinden. Mit ihr würden all die Gedanken gehen, die sie noch nicht hatte denken können.
Die traurigen, vor denen sie sich fürchtete. Diese Fragmente von Erinnerungen, Sehnsüchten und Hoffnungen, welche eines Tages wie lose Enden in ihrem Kopf herumwabern würden. Die Bilder vor ihre Augen schieben würden, von denen sie gehofft hatte sie niemals wieder sehen zu müssen, mit denen sie gekämpft hatte um sie für immer aus den Tiefen ihres Gedächtnisses zu verbannen.
Doch auch die guten und fröhlichen würden dann verschwunden sein. Die Freudentränen wenn ein neues Leben begann. Der Hoffnungsschimmer in einem zögerlichen Lächeln bei ihrer Hochzeit. All die Gefühle von Glück und Freude wären mit eiem Schlag aus ihrem Leben gestrichen.
Solche beinahe alltäglichen Dinge und vielleicht auch Trivialitäten, welche das Leben so unendlich schön und lebenswert erscheinen lassen, wären nichtig.
Wenn die Gedanken wieder zur ihr krochen, langsam und beinahe unbemerkt, erkannte sie, dass nichts von alledem verloren gehen würde. Weder die Trauer noch das Glück. Diese Beiden waren unzertrennlich mit ihr und miteinander verwoben und würden sie begleiten. Bis es keine Erinnerung und Gedanken mehr zu sammeln gab.
Doch bis dahin konnte sie am Ufer stehen und zum Ende der Welt sehen.

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