Gehörlos, aber nicht stumm!
Muttersprachliches Lernen im Kindergarten
Der kleine Junge zeigt (nicht ganz richtig -
der Daumen muß vorm Zeigefinger liegen)
den Laut A und versucht gleichzeitig, ihn zu sprechen.
Über das Abtasten seines Kehlkopfes spürt er die Vibrationen
der Stimmritzen, was ihm bestätigt, daß er einen Laut erzeugt.
Wen's interessiert:
Die Lernleistung gehörloser Kinder ist nicht hoch genug einzuschätzen.
Sie lernen praktisch drei Sprachen parallel: Die Gebärdensprache, bei
der ganze Sprachkomplexe bzw. Begriffe (z.B. gestern, heute, abends,
Mutter, Vater usw.) durch eine Gebärde dargestellt werden.
Vergleichbar dem Morsen wird beim Daktylieren (siehe Foto) über das Fingeralphabet
(1891 führte der Gehörlosenlehrer Rieman das Potsdamer Fingeralphabet ein)
jedem Buchstaben bzw. Laut ein Handzeichen zugeordnet.
Beide Methoden werden verwendet, um das gehörlose Kind zur Lautsprache zu führen,
was enorm schwierig ist, weil das Kind sein gesprochenes Wort nicht über das Gehör
kontrollieren kann wie wir. Hier kommen technische Hilfen zum Einsatz,
die z.B. den Schalldruck (die Lautstärke) optisch darstellen können.
Im alten Sternradio-Gehäuse auf dem Foto sind zwei sehr gute Mikrofone
und verschiedene Regler (Frequenz, Lautstärke) untergebracht.
Die noch unhandlichen Geräte wurden eingesetzt, um auch letzte
Hörsinnesnerven zu reizen und damit zum Spracherwerb zu aktivieren.
Die technischen (DDR)Gegebenheiten entsprachen dennoch nicht dem Weltstandard.
Die Kindergärtnerinnen waren bestens ausgebildete, diplomierte Hörgeschädigten-Pädagoginnen,
die an der Humboldt-Uni Berlin (Sektion Kommunikationswissenschaften/Reha-Päd)
unter Prof. Lindner ausgebildet wurden.
Früherkennung des Hörschadens, genaue Diagnose der Schädigungsart
- des Schädigungsgrades, frühestmöglicher Beginn der Therapie unter
Einsatz aller Möglichkeiten des (lautsprachlichen) Spracherwerbs führen zum Erfolg.
Gescannt vom 18x24-s/w-Abzug
PentaconSix, Zeiss Biometar 2,8/80, geblitzt, NP 20/80 ASA, Ausgleichsentwicklung
Entstört, Tonwertkorrektur, getönt, gerahmt
Dietmar Rosenheinrich 26/08/2007 0:00
Kerstin, Du schilderst Gehörlosenalltag.Das Foto hat bis jetzt 50 Klicks bekommen.
Es geht dabei nicht um meine Eitelkeit, es spiegelt jedoch das Verhältnis der meisten Leute in Deutschland zu dieser Geschädigtengruppe wider.
Bis dennedenn schöne Grüße von olle HuDi.
Dietmar Rosenheinrich 16/06/2007 23:14
...ich danke Dir, Detlef, für Deine Anmerkungen und setze mal noch eins drauf.Geschädigte insgesamt haben in Deutschland keine Lobby, was wir schon damals feststellten, und es hat sich nichts geändert, was auch offiziell bekannt ist.
Im Spenderland Deutschland ist man oft peinlich berührt, wenn man unvermittelt mit Geschädigten konfrontiert wird. Bestenfalls werden sie noch ignoriert.
Schöne Grüße von olle HuDi.
Helga Hack 16/06/2007 18:22
Eine sehr gute Dokumentation! Man spürt förmlich die Konzentration der Kinder, gerichtet auf die Erzieherin. Gefällt mir sehr gut!Schönes Wochenende!
Deine Helga