Matthias von Schramm


Premium (World), Hamburg

Gesunder Stuhl riecht nicht

Foto von Tina mit ihrer kleinen Lumix am 5. August 2007 in Wedel anner Elbe. Es zeigt einen Menschen mit seiner Kamera, der ich bin und nicht, weil ich mich so toll finde, sondern wegen der Motivauswahl oder so phhh - ich könnte ja sonst auch ein Blümchen reinstellen. Und in diesem Sinne widme ich das Bild Frau Fleck

Dazu eine Geschichte aus dem Leben des Fotografen

Gesunder Stuhl riecht nicht

Die Erinnerung ist gut. Als mich in der Pubertät suhlender Knabe, habe ich mir die Frage gestellt: Wozu habe ich eigentlich eine Mutter? Die Antwort scheint in dieser Phase fern zu sein und das scheint am natürlichen Menschwerdungsprozess zu liegen. Mütter können zu diesem Zeitpunkt eigentlich nichts anderes als nerven. Das Zimmer aufräumen, die Tagebuchaufzeichnungen kommentieren und den Kuli auf dem Cover der neuesten LP ausprobieren. Mütter leben in einer eigenen Welt, in der Welt der durch seltsames Verhalten forcierten Schoßverbreiterung. Ihnen entgleitet alles, jede Tat ist ein Fremdeln.

Ich bin immerhin auf den Trichter gekommen, dass sie es gut meinen und nur das Allerbeste wollen. Mit diesem Anspruch überfordern sie sich ständig. Meine Mutter ist immer ein Prachtbeispiel für diese Theorie gewesen. Einmal im Jahr hat mir das Essen nicht geschmeckt. Damit sie mir eine Art Umerziehung beibiegen konnte, gab es nun dieses Gericht mindestens zwei Mal die Woche. Natürlich wurde ich psychotisch, aber das war meiner Mutter egal, weil sie Prioritäten setzte.

Heute schmeckt mir dieses Essen. Es erinnert mich an den bedingungslosen Schoß der heimatlichen Folter und würde in jeder dazu geeigneten Situation meine Henkersmahlzeit sein. Milchreis mit Zimt und Zucker. Auf eine ganz unmerkliche Weise bin ich also erwachsen geworden und weiß nun, wofür die Mutter gut ist. Sie sagt immer die Wahrheit, auch wenn sich mir diese Art der Wahrheit erst viel später eröffnet. Eine Mutter ist da intuitiv, sie spürt es durch die Außenhaut. Beim Gebären, beim Ohrfeigen, beim Popel aus der Nase ziehen. Mütter sind deshalb nicht die besseren Menschen, aber sie wissen es besser. Die Menschen, die sich für etwas Besseres halten, halten sich nämlich nicht für Mütter.

Ich hätte nämlich niemals gedacht, dass die besten Weisheiten meiner Mutter wirklich eminent sind.

„Ordnung ist das halbe Leben!“, ist wahr. Genau genommen hat sie die andere Hälfte doch nie berücksichtigt. Heute kann ich das positiv und als sehr wohltuend empfinden. Auf Wanderschaften durch den Bayerischen Wald, zu denen mir irgendwann die innere Einstellung fehlte (ich weiß nicht mehr warum du) sagte sie immer: „Wir müssen uns zuhause auch unten rum waschen!“ Ich war damals 16. Sie hat zwar nicht mehr selbst Hand angelegt, was mich betraf, aber ein roter Faustwaschlappen lag bedrohlich auf der Kannte des Pensionswaschbeckens. Sie hatte auch hier unbedingt Recht.

Prägend war eigentlich in meiner ganzen Kindheit der Satz: „ Gesunder Stuhl riecht nicht!“ Wo diese Aussage ihre Wurzeln hat, weiß ich nicht, ich vermute aber schon bei Frau Dr. med. Antje Katrin Kühnemann, der freundlichen und auch sehr hübschen Dame vom Bayerischen Fernsehen. Diese Dame hat eine Menge, was auch meine Mutter hat. Gut, nun war meine Mutter zu keinem Zeitpunkt hübsch, aber das gehört sich ja wohl auch nicht als Mutter, oder?





17. März 2006


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