Gotthard
Ein ICE der SBB auf dem Weg in Richtung Süden, vor der Eröffnung des Basistunnels ein normaler Anblick. Im Hintergrund ist die untere Staustufe des Wasserkraftwerks Amsteg zu sehen.
Schon früh, mit dem Bau der ersten Bahnstrecken überhaupt, wurden Schienenüberquerungen der Alpen angedacht. Zunächst noch als nicht machbar und abwegig eingestuft, gelangen jedoch bald die erst „Bezwingungen“ von Passstrecken. Die Planungen am Gotthard, schon immer eine der wichtigsten Alpenquerungen, war sehr früh mit auf der Liste.
Die Baukosten der Gotthardbahn wurden 1869 auf 187?Mio.?Franken geschätzt, 54,55?% wurden am Kapitalmarkt finanziert, Italien beteiligte sich mit 24,05?%, Deutschland und die Schweiz je mit 10,7?%. 1871 wurde die Gotthardbahn-Gesellschaft für den Bau und den Betrieb der Bahn gegründet. Präsident war der Schweizer Alfred Escher. Probleme beim Bau der Tessiner Zufahrtslinien führten in eine Finanzkrise. Eine Nachfinanzierung von 40?Mio.?Franken wurde nötig. Nach weiteren Kapitalaufstockungen durch die Vertragsstaaten um 28?Mio. Franken wurde 1882 die Strecke fertiggestellt. Nach der Semmeringbahn (1854), der Brennerbahn (1867) und der wenig erfolgreichen Mont-Cenis-Bahn zwischen Italien und Frankreich (1871) war die Gotthardbahn die vierte Alpenquerung.
Im Mai 1882 wurde die Einweihung mit Veranstaltungen in Luzern und Mailand gefeiert. Damals war der genau 15.003 m lange Gotthard-Scheiteltunnel der längste Eisenbahntunnel der Welt, erst 1906 wurde er vom Simplontunnel überboten.
Am 1. Juni 1882 ging die Gotthardbahn planmäßig, zunächst noch eingleisig, in Betrieb. Die Verlegung des zweiten Streckengleises erfolgte ab 1888.
Ursprünglich war die Gotthardbahnstrecke für den Dampfbetrieb ausgelegt, aber ab 1916 wurde zunächst die Bergstrecke elektrifiziert. Für die Stromversorgung wurden zwei bahneigene Wasserkraftwerke in Ritom (Südseite) und Amsteg (Nordseite) gebaut.
Streckenverlauf
Ab Erstfeld beginnt ein erster leichter Anstieg, bis Gurtnellen verläuft die Strecke an der linken Talseite. Das erste sehenswerte Bauwerk ist die Chärstelenbachbrücke hinter Amsteg-Silenen. Mit Hilfe des Pfaffensprungtunnels, einem Kreiskehrtunnel von 1476?m Länge, wird eine Höhendifferenz von fast 100 Höhenmeter überwunden. Die Strecke wechselt vorübergehend auf die westliche Seite des Tales. Hier gibt es einige gut erreichbare Fotomotive. Danach folgen die Schleifen von Wassen, wo die Strecke auf etwa 10 km Länge in drei Ebenen übereinander verläuft. „Gedreht“ wird jeweils in einem Kehrtunnel um 180°. Am Ende des 3. Abschnittes wird Göschenen mit der Einfahrt in den alten Scheiteltunnel erreicht.
In Airolo befindet sich der Reisende im Tessin. Zunächst geht es durch eine immer enger werdende Schlucht für etwa 10 km in einigermaßen gerader Richtung bergab. Nach dem Ort Rodi-Fiesso folgt der nächste Kreiskehrtunnel (Freggiotunnel), der wiederum zu knapp 100 Höhenmeter verhilft. Kurz danach, hinter Pardorea, werden mit Hilfe eines weiteren Kreiskehrtunnels (Pratotunnel) nochmals 100 Höhenmeter überwunden. Nach Lavorgo bringen gleich zwei Kreiskehrtunnel (Toumiquetunnel und Travitunnel) insgesamt weitere 200 Höhenmeter. Von 1142 m üNN in Airolo ist die Strecke nun auf 410 m üNN abgestiegen. Ab hier geht es dann wesentlich entspannter weiter bis nach Bellinzona auf 241 m üNN. Die Fahrstrecke hat eine Länge von knapp 110 km, die Entfernung (Luftlinie) beträgt lediglich ca. 60 km.
Betrieb
In der „guten alten Zeit“ verkehrten pro Richtung an normalen Werktagen mehrere Züge pro Stunde und Richtung, in Hochbetriebszeiten durchaus im Blockabstand. Auf der gesamten Strecke können beide Gleise in beide Richtungen befahren werden, so dass auch Überholungen auf freier Strecke möglich sind. Der Anteil Güterzüge lag deutlich über dem der Personenzüge. Bekannt sind die sogenannten „Krokodile“, Elektrolokomotiven der Baureihe Ce 6/8 II, von denen eines immer noch in Erstfeld stationiert ist und regelmäßig auf die Strecke darf. Sie waren am Gotthard vereinzelt noch bis in die 1970er-Jahre im Einsatz, in den letzten Jahrzehnten allerdings weitgehend verdrängt von einer Zweierkombination aus den damals neuen Ae 4/4 II und Ae 6/6.
Karl-W. Koch
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