herr hawelka
Das Café Hawelka im 1. Wiener Bezirk stellt eines der letzten großen zentraleuropäischen Tradition entsprechenden Literaten- und Künstlerkaffeehäusern dar, wie in Wien beispielsweise das Café Central vor dem Ersten Weltkrieg und das Café Herrenhof vor dem Zweiten Weltkrieg. Es wird von Leopold Hawelka, seinem Sohn Günter Hawelka und seinen zwei Enkeln Amir und Michael Hawelka weiter geführt.
Leopold Hawelka begann seine lange Karriere als Cafétier 1936 mit dem Café Alt Wien in der Bäckerstraße, aber im Mai 1939 beschlossen er und seine Frau, das heruntergekommene Café Ludwig in der Dorotheergasse zu übernehmen. Diese Räumlichkeiten wurden ursprünglich 1906 als die "Chatam"-Bar eröffnet, die erste Bar im modernen Sinn in Wien, mit einer Liveband und einem chambre separée (jetzt der Lagerraum). Die Innendekoration, von einem Schüler des berühmtem Jugendstilarchitekten Adolf Loos, war intakt, als die Hawelkas es übernahmen und ist seitdem unberührt geblieben. (Die getäfelte Decke im hinteren Teil des Kaffeehauses war erst in den Sechziger Jahren von Herrn Hawelka wiederentdeckt und eröffnet worden.)
Der Ausbruch des Krieges im September 1939 zwang das neue Café Hawelka zu schließen. Als die Hawelkas 1945 nach Wien zurückkehrten, stellten sie fest, daß ihr Kaffeehaus wie durch ein Wunder, trotz der beträchtlichen Schäden an den meisten umliegenden Gebäuden, den Krieg ohne eine einzige zerbrochene Glasscheibe überlebt hat. Das Haus war auch eines der ersten, die wieder an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen wurden. Das Nachkriegs-Wien wurde in Carol Reed's berühmtem Film "Der dritte Mann" anschaulich dargestellt (tatsächlich ist die Casanova Bar, die im Film vorkommt, neben dem Hawelka), aber trotz der Mängel, der zerstörten Infrastruktur und der Gefahren des Schwarzmarktes waren die Hawelkas imstande, die wichtigsten Vorräte zu erwerben und das Kaffeehaus im Herbst 1945 wiederzueröffnen. Der Kaffee wurde auf einem Holzofen zubereitet und als der Winter kam, mußte Herr Hawelka selbst einen Handkarren nehmen und im Wiener Wald Feuerholz sammeln, während Frau Hawelka sich um die Gäste kümmerte.
Das Kaffeehaus wurde bald ein günstig gelegener, zentraler Treffpunkt für die Einwohner einer besetzten und geteilten Stadt und für diejenigen, die vom Krieg oder aus der Emigration zurückkehrten; lieferte es die ideale Umgebung, um vor dem Elend der Zeit zu flüchten. Die warme und friedliche Atmosphäre des Kaffeehauses erwies sich als besonders attraktiv für Schriftsteller und Intellektuelle, für viele von ihnen wurde es bald ein zweites Zuhause.
Als die Alliierten 1955 Wien verließen, wurde das Café Hawelka von Schriftstellern wie Friedrich Torberg, Heimito von Doderer, Hilde Spiel und Hans Weigel besucht. Mit der Schließung des Café Herrenhof 1961 übersiedelten die meisten der verbliebenen Mitglieder seines einflußreichen Schriftstellerzirkels ins Hawelka und das kleine Kaffeehaus herrschte unangefochten als das Literatencafé.
Die späten Fünfziger und frühen Sechziger Jahre waren nicht nur eine Zeit der großen Literatur und künstlerischen Aktivität in Österreich, sondern auch des großen wirtschaftlichen Wachstums. Die neuen Espressobars nach italienischer Art, die zu der Zeit überall in Wien eröffnet wurden, schienen viel besser zu dem schnelleren Leben zu passen als das traditionelle Kaffeehaus und tatsächlich wurden viele große Kaffeehäuser geschlossen, um den Weg für Banken oder Autoschauräume frei zu machen. Herrn Hawelkas einziges Zugeständnis an die Moderne war, eine Espressomaschine zu installieren (die manche Gäste mit ihrem Lärm irritierte), aber das Kaffeehaus überlebte durch die Loyalität seiner Stammgäste als zeitloser Raum.
Auch Künstler entdeckten das Hawelka, und in der Mitte der Sechziger Jahre fand man sogar einige der jüngeren, wilderen Generation wie Friedensreich Hundertwasser, Ernst Fuchs, Rudolf Hausner, Hubert Aratym und Wolfgang Hutter, als sie sich in den frühen Stunden die Zeit vertrieben. Die Atmosphäre des ruhigen, verrauchten, männerdominierten Leseraumes wurde von der jugendlichen Energie des Jahrzehnts gestürmt (oft zur Bestürzung der alten Literaten!).
Eine Wand wurde mit Postern bedeckt, die die neuesten Ausstellungen, Konzerte und Lesungen bewarben (eine Innovation von Herrn Hawelka, die nun in den meisten Cafés Österreichs Anklang gefunden hat), an den anderen Wänden wuchs Herr Hawelkas Sammlung von Bildern seiner talentierteren Gäste (immer zum Marktpreis erworben!).
Während der Sechziger und Siebziger (Jahre) stellte das Café Hawelka alles dar, was in der Wiener Künstlerszene frisch und energiegeladen war. Ebenso wie die meisten Mitglieder des Phantastischen Realismus fanden sich unter den Stammgästen die Dichter H.C. Artmann, Friedrich Achleitner und Gerhard Rühm, der Schauspieler Helmut Qualtinger und Oskar Werner, der Dirigent Nikolaus Harnoncourt, der Sänger Georg Danzer, André Heller und der Fotograf Franz Hubmann, der das Kaffeehaus über die Jahrzehnte durch seine Bilder unsterblich machte. Berühmtheiten aus dem Ausland versäumnten nie, das Café Hawelka zu besuchen, wenn sie in Wien waren: Elias Canetti, Henry Miller, Arthur Miller und Andy Warhol, um ein paar zu nennen. Politiker und Journalisten strömten in das Kaffehaus, um die neuesten Trends zu entdecken. Die Menge kam, um zu sehen und gesehen zu werden, und das Café Hawelka wurde eine Institution, und Herr und Frau Hawelka wurden genauso berühmt wie ihre Gäste. Das Ansehen des Café Hawelka erstreckte sich bis in die Reiseführer und als die enfants terribles der Sechziger Jahre in das Establishment aufgenommen wurden und ihre professionellen Plätze einnahmen, wurden ihre Plätze in den Kaffeehäusern von Touristen eingenommen und von solchen, die hofften, sich im Rampenlicht der übrigen Berühmtheiten sonnen zu können.
Während die Goldenen Jahre wohl vorüber sind, ist es die äußere Welt, die sich verändert hat, nicht das Café Hawelka. Es stellt immer noch eine Zuflucht für viele Künstler, Schriftsteller und Musiker dar.
Drei Generationen von Hawelkas arbeiten jetzt im Kaffeehaus, aber Herr Hawelka führt tagsüber immer noch den Vorsitz über sein Reich, grüßt jeden Gast persönlich und schafft immer noch, einen freien Platz für jeden zu finden. Am späten Abend weht, wie an jedem Abend seit einem halben Jahrhundert, der Duft von Frau Hawelka's legendären Buchteln durch den Raum.
Jepessen 03/05/2010 13:23
Ein sehr beeindruckendes Portrait dieses wirklich alten GastronomenVG Arnulf
Hannes S. TU 23/10/2009 22:28
Er repräsentiert wohl ein Stück dessen, was Wien ausmacht. Und selten sieht man in den Augen eines Menschen so viel Freundlichkeit und Wärme...LG, Hannes
† Ute Allendoerfer 04/10/2009 12:52
ja, ihm durfte ich auch mal begegnen, lange lange her, da war das Ehepaar noch gemeinsam im Cafe anzutreffen und ich habe noch nicht oder nur wenig fotografiert.LGute
Franz Kolenz 24/07/2009 18:13
Hui, das ist ein feines Portrait vom Hawelka.Der Bildaufbau ist super mit der Einbeziehung der Kaffeehaustafel.
Dezent bleibt sie durch die Unschärfe im Hintergrund ist doch da.
Hut ab, eine starke Arbeit.
Gruß
Franz
Samashy 15/09/2008 15:54
Vielleicht bäckt ja die Schwiegertochter, welche ja auch eine Frau Halwelka sein kann!Absolut klasse Portrait.
Bussi,
Romy
Elisabeth Schiess 15/09/2008 15:38
Das wollte ich damit sagen, es wäre vielleicht sympathischer, wenn die Untertitel hier auch ein bisschen persönlich wären, wo du ihn ja so toll ablichten durftest , hättest du uns noch sagen können, wie du das angestellt hast, oder ob er so Kamerasicher immer ist?nix für ungut, Hans:-)
Griessli us Basel
Elisabeth
Hans Eder 15/09/2008 15:03
@elisabeth: als ich am samstag da war, hat er die gäste begrüßt, ist aber so gegen 14 uhr mit seiner pflegerin abgerauscht...die beschreibung ist aus dem internet www.hawelka.at
möglicherweise nicht sehr aktuell ;-)
Elisabeth Schiess 15/09/2008 14:19
Das ist ja schön und gut, aber ein wenig geschummelt: Herr Hawelka hat mich noch nie persönlich dort begrüsst und ich war schon oft dort. Und Frau Hawelka ist doch schon gestorben, wie, kann sie auch im Paradies backen??Aber dein Portrait ist einfühlsam, prima!
Lieben Gruss
Elisabeth
groucho 15/09/2008 14:03
Très beau portraitGroucho
Judith Wachsmann 15/09/2008 13:57
lieber Hans,schön, einmal zu sehen, wer dem Café seinen Namen und den Ruf einbrachte ...
Ich beneide Euch ja immer wieder, weil Ihr in Wien diese tollen Caféhäuser habt, aber das Hawelka geniesst ja darunter nochmal einen besonderen Ruf.
Wäre ich Wiener, so würde ich wahrscheinlich jeden Tag dort anzutreffen sein :-)
liebe Grüße, Jule