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Im Pumpenkeller (Über schwarzem Wasser)

Im Pumpenkeller (Über schwarzem Wasser)

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Im Pumpenkeller (Über schwarzem Wasser)

Der Pumpenkeller eines stillgelegten Asphaltwerks; einer der unheimlichsten und ungemütlichsten Orte, an dem ich mich je befand. Uns nichts Besonderes denkend, betraten wir zu zweit ein unspektakuläres Häuschen aus Fertigbetonwänden, das wie eine Pförtnerloge aussah. Von den rechteckigen Fensterrahmen bröckelte die weiße Farbe ab. Im Häuschen standen Schaltschränke, die zum Bedienen einer Pumpanlage eingerichtet waren. Grün, rostig, von Buntmetallsammlern teilweise leergeräumt. In der Mitte des kleinen Raumes gab es eine Öffnung im Fußboden, zwei mal zwei Meter groß vielleicht, zum Teil bedeckt mit rostigem Riffelblech. An einer Stelle hing eine verrostete Kette über der Öffnung; mit einem Elektromotor, der unter der Decke auf einen Eisenträger montiert war, konnten damit offensichtlich einmal Lasten ins Untergeschoss befördert bzw. dort heraus gehoben werden. Sie endete in einem schwarzen Loch. Eine schmale Eisentreppe ging dort hinunter in die völlige Finsternis. Das Bild erzeugte unangenehme Gefühle: eine rostige Krankette, deren Ende im dunklen Nichts verschwindet. Was mochte daran vielleicht hängen...? Zugleich allerdings weckte es die Neugier. Die Verlockung siegte, und so stiegen wir die schmale Treppe langsam abwärts. Sie endete rund 2,50 Meter tiefer auf einem Betonsockel im Klaustrophobie erzeugend engen Keller ohne Licht, den die Taschenlampe so gerade stückchenweise ausleuchten konnte. Unter der gewendelten Treppe, auf deren letzten Stufen wir stehen blieben, tütenweise Müll und Kleingerümpel, im Raum übler Geruch. Die Kette, an deren Ende ein leerer Haken baumelte, war so eben noch zu erkennen. An der Wand gegenüber groß aufragend mehrere dunkle Gegenstände, die wie Figuren wirkten. Es waren, wie der Lichtschein der Taschenlampe offenbarte, die Pumpen mit den dazu gehörenden Rohren. Rostig, dreckig, gammlig und unheimlich. Beklemmung machte sich unwillkürlich breit. Was, wenn diese Monstren plötzlich mit Lärm zu arbeiten anfingen? (Das konnten sie natürlich nicht; sie waren seit Jahren außer Betrieb, die Steuerung zerstört. Aber vielleicht konnten sie ja doch...) Möglichst rasch wollte ich zurück ans Tageslicht; aber vorher musste ich noch ein Foto dieses unheimlichen Orts machen. Noch während ich auslöste und wartete, Panik neben mir: Mein Begleiter hatte vor sich auf den Boden geleuchtet. Etwa zwei Schritte vor seinen Füßen, einen halben Meter von der Treppe entfernt, endete der Betonsockel. Danach kam...

...schwarzes Wasser. Nicht nur die Schächte neben den Pumpen waren davon voll, sondern mehr oder weniger der ganze Keller. Wer weiß, wie tief... Wer weiß, womit vermischt... In diesem Augenblick ein echter Albtraum. Tiefes Entsetzen. Wir waren sehr schnell wieder auf Normal-Null-Niveau in der zerstörten Schaltzentrale und atmeten erst einmal langsam durch. Die Hände wurden wieder warm, die Gesichter wieder farbiger. Panik steckt an, habe ich hier gelernt. Denn normalerweise hätte ich, bevor ich die Treppe ganz hinabgestiegen wäre, den vor mir liegenden Weg mit der Lampe ausgeleuchtet, wäre orientiert gewesen, hätte gewusst: "Dort geht's nicht weiter." Doch ich war in diesem Moment noch gar nicht so weit, sondern befasst mit dem ersten Eindruck, den ich zu verewigen versuchte. Mein Begleiter aber war mir die paar Schritte voraus, die den entscheidenden Unterschied zwischen uns ausmachten und ihn an den Rand aller Abgründe führten. Er gestand mir nachher, dass er panische Angst vor aufgestautem Wasser und Ertrinken habe. Der lichtlose Keller hatte den unbeschreiblichen Schrecken, der ihn im Augenblick der Entdeckung dieses Pumpensumpfes wenige Schritte vor seinem Fuß befiel, bis fast zum Irrationalen gesteigert. Seine namenlose Angst teilte sich wortlos atmosphärisch mit, drang, wie der üble Geruch des Ortes, durch die Kleidung in den eigenen Körper ein. Noch nie habe ich etwas Derartiges erlebt: einen so unwirklich-realen Ort und echtes Grauen.
Ein halbes Jahr später war ich nochmal auf dem Gelände. Das Pumpenhaus war abgerissen, der Keller zugeschüttet. Was mir bleibt, ist das Bild von der Pumpanlage. Und die Erinnerung an das ausgesprochen unheimliche Erlebnis im dunklen Keller voll schwarzen Wassers.

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