Matthias von Schramm


Premium (World), Hamburg

Karl am Karfreitag

Dieses Bild zeigt meinen Großvater Karl vor ca. 100 Jahren. Zum Karfreitag folgende Geschichte!



Karl am Karfreitag

Nun also bin ich der Großvater.

Früher, als ich noch ganz klein war, da war das der Karl. Karl war ein feiner Mann. Sein Mundgeruch konnte Wellensittiche töten, oder zumindest zum lauten Protest der Tiere veranlassen. Aber ich dachte immer, dies sei normal, ein Opa müsse so riechen. Am Karfreitag - der bei uns immer Karlfreitag (ha ha wie lustig) hieß, gingen Karl und ich immer gemeinsam in die Kirche um dort Zigarre zu rauchen. Er eine Echte, ich eine aus Schokolade. Der Pastor ging nach der Predigt wütend auf Karl zu und schimpfte ihn einen gottlosen Sozialdemokraten. Darauf legte Karl Hut und Brille ab und balgte sich mit dem Pastor königlich. Das Volk war geteilt. Die einen feuerten den Pastor an: „Manfred – Manfred – Manfred!“ Die anderen den Karl: „Kalusch – Kalusch – Kalusch!“

Karl war in seiner Jugend Ringer und Gewichtheber gewesen und war sehr stark. Aber auch Manfred hatte durchs rituelle Verprügeln von Gemeindemitgliedern eine gewisse Übung im Kampf Mann gegen Mann. Dem Sieger des Kampfes winkte ein Ostseewochenende für zwei, Vollpension in Travemünde. Dem Verlierer drohte das Kreuz. Nach dem Manfred schwer blutend aufgab, gratulierte er Karl fair. Opa Karl gewährte dem Pastor aber freien Abzug, teilweise unter lauten Buhrufen seiner Fans. Dennoch wurden wir beide danach auf den Schultern durchs Dorf getragen.

Als Opa und ich bei Oma wieder zuhause ankamen, gab es Fisch. Karl mochte aber keinen Fisch und verzog sich beleidigt ins Bett - welches er sich mit einem Eintopf teilen musste - den Oma mit dem Gänsefederbett warm hielt. Auf den Ostseeurlaub hatte Oma keine Lust.

Nun also bin ich der Großvater.

30. März 2018

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