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Timo T.


Free Account, ternpilzsuppe

Knork(Ator)

lesung am 19.11.04 im pressenwerk, bad salzungen


eine kleine Leseprobe:

Ameisenstraße

Ich möchte von einer Begebenheit aus meiner Kindheit erzählen. Ich wurde eines Tages Zeuge der Schlachtung eines Rindes. Dies geschah auf einem Bauernhof, auf dem sich eine Ameisenstraße befand. Sie führte vom Küchenfenster aus schräg über den Hof bis hinter den Geräteschuppen, wo ein paar Löcher im Boden eine geheime unterirdische Stadt erahnen ließen. Ich glaube die Bauern haben das nie mitbekommen. Aber ich als Kind hatte Augen für alles mögliche.
Während also am Rind herumgefuhrwerkt wurde, verrichteten auch die Ameisen emsig ihre Arbeit. Die wurde aber durch umherspritzendes blut behindert. Doch wer Ameisen kennt, weiß, daß sie sich so leicht nicht aus dem Konzept bringen lassen. Und wie Guerillas, die, von Regierungstruppen aus der Luft bombadiert, sich ihren Weg durch den Dschungel bahnen, verloren auch sie, blutverschmiert und schwerbepackt, ihre Mission nicht aus den Augen.
Dann aber geschah es. Einem ungeschickten Bauern rutschte beim Herausschneiden der Eingeweide das Herz aus den Händen und fiel auf den Boden. Direkt auf die Ameisenstraße. Ich weiß nicht wie viele Todesopfer diese Katastrophe gekostet haben mag, aber für die Ameisen schien das einzige Problem zu sein, daß sich nun ein großes Hindrniss auf ihrem gewohnten Weg befand. Unc ich konnte beobachten, daß es irgendwie in der Natur der Ameisen zu liegen scheint, lieber einen riesigen Berg zu bezwingen, als zur Seite auszuweichen und damit den Weg zu verlassen.
Das ist ein seltsames Verhalten, denn sie verlassen den Weg ja sowieso, ob nun nach oben oder nach links oder nach rechts. Lediglich von oben sieht der Bogen über den Berg so aus, als wäre es der ursprüngliche Weg. Von der Seite würde dagegen ein seitliches Ausweichen den Eindruck erwecken, als bliebe man auf dem rechten Pfad. Und eigentlich können Ameisen ja nicht von oben gucken, oder? Aber vielleicht geht es gar nicht darum, in irgendeiner Weise dem alten Weg treu zu bleiben. Vielleicht klettern sie einfach nur gern. Vielleicht wollen sie sich gegenseitig etwas beweisen. Vielleicht nutzen sie die Gelegenheit um Ausschau zu halten. Was auch immer der Grund sein mag, oben drüber liegt ihnen mehr als dran vorbei.
Eine der Ameisen allerdings stand mit einem riesigen Brotkrumen auf dem Rücken vor diesem gigantischen schleimigen Koloß und sagte: “Das bringe ich nicht übers Herz.“


(Quelle: "Am Anfang was das Am" - das neue Buch von Knorkator)

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