Retour à la liste
Kunsthaus Bregenz // Monira Al Qadiri // Mutant Passages // 22.04. - 02.07.2023

Kunsthaus Bregenz // Monira Al Qadiri // Mutant Passages // 22.04. - 02.07.2023

2 590 2

Johannes Zakouril


Premium (Pro), Neu-Ulm

Kunsthaus Bregenz // Monira Al Qadiri // Mutant Passages // 22.04. - 02.07.2023

Mutant Passages präsentiert neue Arbeiten, die eigens für das Kunsthaus Bregenz konzipiert wurden. Sie sind das Ergebnis intensiver Forschung. Formen und Ideen, die die Künstlerin in den letzten zehn Jahren zum Thema Öl entwickelt hat, kulminieren in diesen Werken.

Im Foyer werden wir von großen, aufblasbaren Skulpturen begrüßt, die über unseren Köpfen im Raum schweben. Sie sind mit schillernden, bunten Stoffen überzogen. Die Arbeit Benzene Float bezieht sich auf wissenschaftliche Darstellungen der Molekularstruktur von Benzol, Propangas, Naphthalin und anderen petrochemischen Substanzen (in der Fachterminologie bezeichnet man sie als »space-filling models«, also als raumfüllende Modelle). Die übergroße Dimension der Arbeiten hebt die Präsenz der Substanzen in der modernen Gesellschaft hervor und konfrontiert uns mit ihrem Einfluss auf unser aller Leben.

Im ersten Obergeschoss begegnen wir mehreren großformatigen, schimmernden Skulpturen, die leise im Raum rotieren. Die Beschaffenheit ihrer Oberflächen erinnert an bioluminiszierende Meereslebewesen oder an Außerirdische. Tatsächlich handelt es sich um industrielle Objekte, um Bohrköpfe, die zur Erdölgewinnung eingesetzt werden. Der spezielle Farbschimmer der Skulpturen spielt auf die frühere Perlenindustrie im Persischen Golf an. Nach der Entdeckung von Erdölvorkommen in der Region kam diese fast vollständig zum Erliegen. In Farbe und Form schlägt die Arbeit Choreography of Alien Technology eine Brücke zwischen Perlen und Erdöl und verweist so ausdrucksvoll auf die historische Leerstelle, die das Öl hinterlassen hat. Letztlich wird die schillernde Farbe selbst zum Träger des Reichtums – zu einem Träger, der von Perlen zu Öl und möglicherweise zu einem anderen zukünftigen Wesen übergeht.

Im zweiten Obergeschoss finden sich zwei gespiegelte rötliche Skulpturen. Die beiden Schneckengehäuse stehen dicht an dicht und kommunizieren miteinander. Beide weisen an der unteren Hälfte der Schale eine Öffnung auf. Die Besucher*innen sind eingeladen, das Ohr an den Hohlraum zu halten. Statt Meeresrauschen ist ein Gespräch zwischen zwei androgynen Stimmen zu hören, die sich daran erinnern, wie sie auf dem Grund des Ozeans lagen und plötzlich ihre Geschlechter wechselten. Gastromancer veranschaulicht die unsichtbaren Auswirkungen der Ölindustrie auf das Leben im Meer. Der rötliche Biozid-Farbstoff Tributylzinn, bekannt als TBT, schützt Öltanker vor Algen, Seepocken und Muscheln (und kommt in einem Verfahren zum Einsatz, das als »Antifouling« bezeichnet wird). Durch die unmittelbare Abgabe ins Wasser verursacht TBT jedoch auch bizarre Veränderungen in der Natur. Eine TBT-Kontamination kann beispielsweise dazu führen, dass weibliche Purpurschnecken männliche Geschlechtsmerkmale entwickeln. Dies beeinträchtigt ihre Laichfähigkeit und führt nicht selten zum Aussterben ganzer Schneckenpopulationen.

Im dritten Obergeschoss liegen Vögel aus massivem Glas über einen weißen Boden verteilt. Während des Golfkriegs in Kuwait (1990–91) bedeckten immer wieder Kadaver von Vögeln, Fischen und anderen Tieren die Küsten und Wüstenregionen des Landes – eine Folge der gigantischen Giftwolken, die damals aus hunderten in Brand gesetzten Ölquellen aufstiegen. Es ist bis heute eine der schlimmsten vom Menschen verursachten Umweltkatastrophen. Und dennoch, als sich Bilder der ölverschmierten Tiere im Ausland verbreiteten, hielten viele Menschen sie für eine Fälschung. Monira Al Qadiri wurde während ihres Studiums in Japan mit den ikonischen Fotos von ölverschmierten Vögeln aus den Kriegsjahren konfrontiert. In einem ihrer Hochschulseminare tat man sie als Propaganda ab. Obwohl sie selbst Zeugin der Zerstörung geworden war, wurde das Erlebte in Frage gestellt, die Erinnerungen daran verzerrt. Onus ist der Versuch der Künstlerin, ihren tatsächlichen Erfahrungen neues Leben einzuhauchen. Sie bildet die Vögel als Glasobjekte nach, um die von ihr erlebte Vernichtung greifbar zu machen. Aber auch, um die Fragilität des menschlichen Erinnerungsvermögens zu thematisieren – angesichts von Bildern, die über Raum, Zeit und Kulturen hinweg Verbreitung finden. Onus verkörpert die Last und Pflicht der Künstlerin, die erlittenen Verluste zu beweisen.

Kunsthaus Bregenz
Karl Tizian Platz, 6900 Bregenz
t +43 5574 485 94-410
www.kunsthaus-bregenz.at

Commentaire 2

Information

Sections
Vu de 2 590
Publiée
Langue
Licence

Exif

APN iPhone 7
Objectif iPhone 7 back camera 3.99mm f/1.8
Ouverture 1.8
Temps de pose 1/17
Focale 4.0 mm
ISO 80

Plébiscité par