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W. RITTER


Premium (World), Althegnenberg

Lilith's distortion

Erschien Lilith im alten Sumer noch als eigenständige Göttin, so wird sie im hebräischen Sohar als männerverführend und kindermordend mit dem Teufel im Bunde beschrieben. In der Bibel wird sie nur kurz bei Jesaja 34 und Hiob 18 auf die niederträchtigste Art erwähnt, und zwar nur in der Jerusalemer Ausgabe. Interessant ist nämlich, daß Lilith seit der Re- formationszeit aus den christlichen Bibelausgaben verschwindet. So findet man in der Lutherbibel das Wort Lilith durch Kobold ersetzt. Es ist offensichtlich, dass die christliche Kirche nicht daran interessiert ist – und zu keiner Zeit war – Liliths Eigenschaften zu pflegen, geschweige denn zu preisen.
Die bekannteste Geschichte aus dem Sohar ist wohl die, dass Lilith sich eines Tages weigerte, ‘unten zu liegen’. Daraufhin beschwerte sich Adam bei Gott, welcher Lilith angeblich zur Strafe aus dem Paradies verwies. Eine sehr unglaubhafte Version. Im Sohar wird auch erzählt, dass Lilith in ihrer Not den geheimen Namen Gottes rief, als Adam sie verstieß und der Verlust des Paradieses drohte. Dass Lilith als einem geflügelten Wesen der Sinn nach den Höhen der spirituellen Welt stand, schildert bereits der Text aus Ben Siras Alphabeth. Und wie wäre es ihr möglich gewesen, den Namen Gottes zu kennen, wenn sie nicht in innigster Verbindung zu ihm gestanden hätte?
Im Namen drückt sich das Wesen einer Persönlichkeit aus. Beim Namen zu nennen, heißt die Wahrhaftigkeit zu wünschen, die alles Böse eliminiert (Rumpelstilzchen). Die Anrufung eines Namens holt die Energie des Trägers herbei, wie auch in Lilith’s Gebet zu Gott. So stellt Lilith in der Schöpfungsgeschichte letztlich einen Anspruch auf Gott-Ebenbürtigkeit; ein bedrohlicher Angriff auf die Allmacht des sich neu etablierenden Vatergottes.

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