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Lob der Tat

[Waldfriedhof Dahlem, Hüttenweg 47, Berlin-Dahlem • 30. April 2024]

Erich Mühsam (6. April 1878 Berlin – 10. Juli 1934 ermordet im KZ Oranienburg), Ehrengrab 015 / 479 2A-144

Mühsam war ein wilder Geselle, Anarchist, Jude – und Schriftsteller.
Als Sozialist und Antimilitarist war er 1919 an der Ausrufung der Münchner Räterepublik beteiligt.
Von den 15 Jahren Festungshaft für diese Aktion saß er nur fünf Jahre ab.

Im Zuge des selber gelegten Reichstagsbrands brachten ihn die Nazis am selben Tag um.
Da er seit 1933 einsaß, hatte er nichts mit der Brandstiftung zu tun haben können.
Seine Frau Zenzl berichtete von der Übergabe der Leiche:
"Der Sarg wurde geöffnet. Vor mir lag mein Mann. Das Gesicht war bleich, aber ganz, ganz ruhig.
Ein Streifen am Hals zeigte mir die Spuren des Strickes.
Mein Schwager Hans sagte: 'Entschuldige, mein Bruder, ich bin ein alter Arzt', zog ihm das Hemd aus.
Der Rücken war vollkommen verprügelt, und getötet war er durch eine Giftinjektion und tot aufgehängt im Abort."

Mühsam hinterließ 7 Bühnendramen, zahlreiche Gedichtbände, Sachbücher und politische Aufsätze.
Berühmt wurde er für seine satirischen Artikel und Gedichte u.a. in seinen Zeitschriften "Kain" und "Fanal".

Lob der Tat
(für Friedrich Adler, Mai 1917)
Jammern und um Hilfe schreien
schafft nicht Heil noch Rat.
Eins nur kann die Welt befreien,
Eines nur! die Tat.

Arbeit, Sehnsucht lag vernichtet,
und die Menschheit schlief.
Einer hat sie aufgerichtet,
eh sein Volk ihn rief.
Einer, den der Tod nicht schreckte,

traute seiner Hand.
Eines Mannes Ratschluß weckte
Welt und Volk und Land.
Dieser Starke wog nicht lange
Leben und Geschick.

Erst des Henkers hanfnem Strange
beugte er sein Genick.
Wenn ein Adler aus der Wolke
er einst niederschwebt,
wird er sehn, ob in dem Volke

noch sein Beispiel lebt.
Heilige Gelübde seien
Früchte seiner Saat!
Eins nur kann die Welt befreien,
Eines nur: die Tat!

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