Mimikry: Springspinne und Ameise (Costa Rica)
Die Ähnlichkeit zwischen der Springspinne (Synemosyna sp.) und der Ameise (Pseudomyrmex tenuis) ist ein charakteristischer Fall der Mimikry, der Täuschung zweier oder mehrerer Arten untereinander oder der Täuschung Dritter, d.h. potentieller Räuber. Dabei profitiert nicht der eine unmittelbar von dem anderen – in den meisten Fällen begegnen sie sich nicht einmal –, sondern lediglich mittelbar durch körperliche, chemische oder Verhaltens-Ähnlichkeit.
Ameisen sind v.a. für Vögel oft ungenießbare Tiere, weil sie Substanzen enthalten, die extrem unangenehm wirken und den Vogel lehren, nie wieder eine Ameise anzurühren. Solche Signale wirken zwar sehr effizient, aber – aus der Sicht der Ameise / Spinne – nicht selektiv (aus der Sicht des Beutegreifers hingegen sehr selektiv), d.h. auf Vögel mögen sie Einfluss nehmen, auf Reptilien, Amphibien, Säuger und wirbellose Raubtiere hingegen nicht. Aus dieser Ähnlichkeit ziehen die sog. Ameisenspinnen ihren Nutzen, weil sie von Vögeln ebenfalls gemieden werden. Ameisenspinnen sind keine taxonomische Gruppe, sondern eine willkürliche Zusammenfassung aller Spinnenarten, die Ameisen ähneln; dazu gehören neben zahlreichen Springpinnen u.a. Vertreter der Glattbauchspinnen (z.B. Micaria sp., Sergiolus sp.), der Baldchinspinnen (z.B. Neriene sp.) und der Corinnidae (z.B. Pranburia sp., Sphecotypus sp.).
Die Ähnlichkeit beider ist frappierend. Die Spinne läuft meistens auf drei Beinpaaren und hält die Vorderbeine wie Antennen ausgestreckt, was ihr einen insektenhaften Eindruck verleiht. Zudem ist der Bewegungsablauf insgesamt sehr ameisen- und weniger spinnenähnlich (nachdem wir uns in Costa Rica mehrere Male haben narren lassen, weil wir Spinnen für Ameisen hielten, setzte sich der Spruch durch: „ich traue keiner Ameise mehr“). Der eigentlich zweitteilige Spinnenkörper, dessen Vorder- mit dem Hinterleib (Prosoma, Opisthosoma) durch den Petiolus verbunden ist, besitzt im hinteren Teil eine zweite starke Einschnürung, die den Körper dreiteilig und damit ameisenhaft erscheinen lässt.
Die Springspinne erlangt hier jene Vorteile, die die Ameise als mit Wehrsekreten ausgestattetes Insekt bereits besitzt: sie wird von potenziellen Räubern gemieden (Bates’sche Mimikry). Es handelt sich dabei um ein Signal, dass ein als Beute unattraktives, weil wehrhaftes Insekt (Ameise) an einen Räuber (Vogel) sendet und dem sich ein Trittbrettfahrer (Springspinne) in seiner Phylogenese durch Mutation und Selektion nach und nach anschließt. Das heißt, der potenzielle Räuber wird im Laufe seines Lebens lernen, die Ameise zu meiden, und die Ameisenspinne profitiert durch ihre Ähnlichkeit davon (Müller’sche Mimikry). Grundsätzlich handelt es sich aber nicht immer um „echte“ Mimikry, sondern kann auch „nur“ eine Signalnormierung bzw. Konditionierung beim Rezipienten (Räuber) sein, die in manchen Fällen durchaus reversibel ist und wieder verloren geht.
Pseudomyrmex tenuis ist eine im östlichen Zentral- und nördlichen Südamerika weit verbreitete und häufige Ameise. Knapp 200 Arten gehören in die Gattung, die fast den gesamten amerikanischen Kontinent in den tropischen, subtropischen und gemäßigten Breiten besiedeln. Die meisten Arten sind spezialisierte Räuber. Die Nestgröße der meisten Völker von P. tenuis liegt zwischen 250 und 500 Tieren.
Die Springspinnengattung Synemosyna enthält derzeit 18 neotropische Arten, von denen eine sicher in Costa Rica vorkommt und drei weitere dort vermutet werden können. Keine der Arten kann ich dem Foto zuordnen. Eine weitere Art wurde in Ostasien beschrieben.
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