Muna
Mein Name ist Muna – auch wenn ich in Deutschland als Mouna geführt werde, jemand hat sich bei meiner Registrierung verschrieben. Ich bin die Älteste meiner vier Geschwister.
Ich will ein bisschen etwas über meinen Weg von Aleppo nach Deutschland erzählen. Von meiner Schwester Haya weißt du ja schon, warum wir aus Aleppo aufgebrochen sind. In Izmir habe ich, wie mein Bruder Mohammad, gearbeitet, um unsere Eltern zu unterstützen. Ich allerdings als Schneiderin. Ich war zu dem Zeitpunkt dreizehn Jahre alt. Pausen gab es kaum und gearbeitet habe ich um die zwölf Stunden pro Tag. Wir Frauen und Mädchen, die illegal gearbeitet haben, haben deutlich weniger als die Türkinnen verdient. Wir durften auch nur unter der Vorgabe arbeiten, dass wir, wenn die Polizei kommt und die Fabrik kontrolliert, sagen, dass wir älter als 16 Jahre sind. Dabei muss man uns angesehen haben, dass wir viel jünger waren. Genäht habe ich für große und in Deutschland bekannte Modemarken, die hier viel Geld für ihre Kleidung nehmen. Es war sehr, sehr schmutzig in den Fabriken und die Arbeitsbedingungen schlecht. Als Schneiderin habe ich drei Jahre in der Türkei gearbeitet.
Meine Mutter, Haya und meine kleine Schwester Sham sind 2015 vor uns nach Deutschland aufgebrochen. Wir - das sind mein Vater, Mohammad, mein kleiner Bruder Zaid und ich - sind ein Jahr später nachgekommen. Wir hatten gehofft, dass wir einen Familiennachzug machen können, aber das hat zu lange gedauert, deswegen mussten wir auch den Weg über das Meer nehmen.
Als wir von Izmir nach Mytilene (Griechenland) mit dem Boot aufgebrochen sind, haben wir drei Versuche gebraucht. Ich hatte große Angst, wir konnten alle nicht schwimmen. Beim ersten Versuch wurden wir von der türkischen Küstenwache abgefangen und zurückgebracht. Beim zweiten Versuch ist unser Boot auf einem Stein aufgesetzt und relativ schnell mit Wasser vollgelaufen. Wir waren noch nicht sehr weit vom Strand entfernt, die Schlepper wollten uns aber nicht zurückkommen lassen. Ein Flüchtling wie wir, sollte das Boot fahren. Er musste dafür dann nichts für die Überfahrt bezahlen. Die Schlepper selbst gehen nicht auf die Boote, das ist ihnen zu gefährlich. Es gab einen Mann bei uns im Boot, der schwimmen konnte. Er ist, als das Wasser im Boot höher stieg und wir immer mehr Angst hatten, ins Meer gesprungen und ist an den Strand geschwommen und hat lange mit den Schleppern diskutiert, bis wir wieder zurückkommen durften.
Erst bei der dritten Überfahrt hat es geklappt. Es war mitten in der Nacht und man konnte auf dem offenen Meer fast nichts sehen. Es waren viele kleine Kinder bei uns. Viele haben sich erbrochen. Mit dem Seegang und der Dunkelheit sind sie seekrank geworden – es gab keine Orientierung, nur das Auf und Ab des Bootes. Anstelle der vier Stunden nach Mytilene haben wir sechs gebraucht. Der Mann, der uns gefahren hat, hat sich in der Richtung etwas vertan.
In Deutschland angekommen bin ich mit 16 wieder in die Schule gekommen, nach sechs Jahren Pause. Heute bin ich in der Berufsschule mit dem Schwerpunkt auf Wirtschaft und Verwaltung. Gerade Mathe fällt mir sehr schwer. Mir fehlt einfach so viel, aber ich kann Nachhilfe nehmen.
Ich habe Angst um meine Zukunft als muslimische, kopftuchtragende Frau. Ich habe das Gefühl, dass das eine Mischung ist, mit der man es sehr schwer hat. Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann würde ich gerne selbstständig sein und ein Geschäft aufmachen.
(c) Rike-Kristin Liebsch
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