Nein, schau nicht...

Nein, schau nicht...

Nein schau nicht
In den Spiegel,
Denn wer weiß
Was dort ist,
Auf der anderen
Seite. Was kann
Spiegelwelt zeigen? Dort
Lauert etwas bedrohliches,
Furchteinflößendes, dunkles, ja
Auch verräterisches. Spiegelland:
Vielleicht verläßt es
Sein krasses Refugium,
Springt dich an,
Umhüllt, zerquetscht dich.
Spieglein nennen sie
Dich ja auch,
So schön märchenlastig:
Voller schmeichelnder Verharmlosung,
Entstellend deinen, wirklichen,
Charakter, den fast
Niemand zulassen will.
Nein, nein, zieh
Nicht die, noch,
Schützende Hand vor
Dem Spiegel weg,
Denn sonst wird
Es geschehen: du
Siehst dich selbst.
Nackt, hilflos, wahr
In allen Bereichen,
Erkennst dich womöglich
Überhaupt nicht wieder
Und ahnst doch:
Bin genau das
Ich? Und nun:
Schau länger hin,
Siehe wer du
Bist, warst. Ahne
Wer du sein
Könntest. Spieglein, Spieglein
An der Wand:
Hilf mir zu
Schauen über den
So furchteinflößenden Seelenrand.
Hilf mir bei
Der quälenden Frage:
Wer bin ich?
© Wolfgang P94