Nur ein Haus...
... na ja - im Prinzip schon !
Es kommt halt auf den Mieter an... !!!
Der 1. Lagerkommandant Rudolf Höss bewohnte eine Villa, aus der man die früheren polnischen Eigentümer vertrieben hatte. Er lebte dort mit seiner Frau Hedwig und den fünf Kindern. Die dort herrschende Familienidylle erscheint heute unvorstellbar, lag die Villa doch in unmittelbarer Nähe des Stammlagers. Von den Fenstern konnte man den Zaun des Lagers sehen. Das Krematorium I, in dem die frühen Vergasungen im Stammlager durchgeführt wurden, war nur 100m entfernt.
Heute befindet sich die Villa wieder in Privatbesitz. Sie gehört nicht zu dem Areal des Staatlichen Museums Auschwitz - Birkenau
(Quelle: Todesfabrik Auschwitz. Topografie und Alltag in einem Konzentrations- und Vernichtungslager. Von Gideon Greif und Peter Siebers)
Auszug aus dem Magazin "Der Stern" vom 30.04.2015 (Nr.19)
"Mein Vater, der Auschwitz Kommandant.
(Interview mit seiner Tochter Ingebrigitt Höss)
"Vati war zwei Personen", glaubt seine Tochter. Vielleicht ist die Wahrheit leichter zu ertragen, wenn man sie aufteilt in Gut und Böse. Beim dritten Besuch hat sie den Abschiedsbrief in der Hand, den ihr Vater kurz vor seiner Hinrichtung im April 1947 (16.04.) an die Familie schrieb. Lange hatte sie ihn gut versteckt, "auch vor mir selbst" !
Darin zeigt sich der ehemalige Kommandant selbst erstaunt über seine Verbrechen und klagt seiner Frau, der "lieben guten Mutz", die Tragik seines Lebens: "Ich, der ich von Natur aus weich, gutmütig und stets hilfsbereit war, wurde zum größten Menschenvernichter, der kalt und bis zur letzten Consequenz jeden Vernichtungsbefehl ausführte"
Die Schneiderin Janina Szczurek berichtete nach dem Krieg, wie die Höss - Kinder sie einmal baten, ihnen bunte Dreiecke zu nähen, wie sie die Häftlinge trugen. Dann spielten sie Gefangene, und Klaus, der älteste Höss - Sohn, gab den Kapo. "Die Kinder waren sehr zufrieden, tobten im Garten und stießen dort auf ihren Vater, der ihnen die Abzeichen abriss und die Kinder ins Haus brachte". Die Kleinen hatten sich nichts dabei gedacht, ein Cowboy- und Indianerspiel. Aber sie drohten, mit ihrem Spiel die Trennmauer einzureißen, die Rudolf Höss zwischen privater Idylle und brutalem Dienst eingerichtet hatte. "Vati wurde sehr böse, weil wir was falsch gemacht hatten", erinnert sich Ingebrigitt Höss. "Er schimpfte mit uns und sagte, wir dürfen nie böse zu anderen Menschen sein".
Das Haus des Kommandanten liegt direkt am Rand des Stammlagers Auschwitz I zwischen der Kommandantur und der Sola und drei Kilometer vom Vernichtungslager Birkenau entfernt. Es sieht noch immer genauso aus wie auf dem alten Foto, das Ingebrigitt Höss in ihrem Album hat. Nur die Satellitenschüsseln auf dem grauen Verputz sind neu, der Rest hat sich kaum verändert. Pawel Jurczak öffnet die Tür. Der 32- jährige Pole lebt hier mit seiner Frau und dem Kater Dante. Er arbeitet in der Zoohandlung von Oswiecim, wie der Ort seit Kriegsende wieder heißt. Im Treppenhaus ist die Jahreszahl 1937 in den Boden gemeißelt. Wie fühlt sich das an, in einem Haus mit so einer Geschichte zu leben ? Pawel Jurczak zuckt mit den Schultern. "Das ist Geschichte. Mir macht es nichts aus".
Bereitwillig führt er uns durch das Haus. Von den oberen Fenstern kann man hinter einer Reihe von Birken das etwa 100m entfernte Krematorium I und die dazugehörige Gaskammer sehen. Weiter links reiht sich ein Häftlingsblock an den anderen, der gewaltige Stacheldrahtzaun reicht bis an den Rand des Gartens. Dazwischen steht der Galgen, an dem Rudolf Höss am 16.04.1947 hingerichtet wurde. Dann geht Jurczak in den Keller hinunter und zeigt auf ein Loch in der Wand, von dem aus ein Tunnel direkt in Richtung des Lagers führt. Es ist dunkel, feucht und schimmelig dort unten. Auf dem Boden liegen rostige Eisentüren, die aus den Scharnieren gerissen wurden. Nach Zehn Metern ist Schluss. Der Weg ist zugeschüttet, wir müssen umkehren. Der Tunnel wirkt wie eine Sicherheitsschleuse zwischen den beiden Rollen des Rudolf Höss, als hätte der liebe Sonntagsvati im weißen Hemd sich einen Geheimgang bauen lassen, um sich davonstehlen zu können und von der Familie unbemerkt in den dienstbeflissenen KZ - Kommandanten mit der schwarzen Totenkopfuniform zu verwandeln...
Nebelhexe 05/01/2017 8:57
Das man überhaupt in ein Haus einziehen kann aus dem die Besitzer vertrieben wurden, spricht schon für sich und als guter Mensch hat er wohl nur sich selber gesehen. Wer zu so etwas fähig ist, alles andere als warmherzig.LG
Joachim Irelandeddie 04/01/2017 19:21
Eine sehr gute Perspektive hast du für die Aufnahme dieses Hauses gewählt. Seine Geschichte ist unglaublich traurig.lg eddie
Ursula Elise 04/01/2017 18:22
Für mich ist das unscheinbare Foto sehr eindrucksvoll. Bloß ein Haus an einer Straße. Mit deinen Erläuterungen bekommt es die Geschichte wieder, die es hat.Von der Schizophrenie in den Köpfen der Täter wusste ich.
Mary.D. 04/01/2017 16:56
Die Beschreibung zu diesem Haus, verdeutlich das Geschehende...was nie wieder gutzumachen ist.....es gibt viele Häuser mit Geschichten...dieses hat ihre besondere und fast unvorstellbare Geschichte!LG Mary
Karin.M 04/01/2017 16:48
Ganz schön harte Kost!Danke für die sehr aufwendige Beschreibung !Deine Aufnahme aus dieser Persektive macht die Nähe richtig deutlich!
LG Karin