Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Als sie am Abend nach Hause kam, hing sein Kittel an einem Nagel neben der Tür. Sie wunderte sich und schüttelte den Kopf. Sollte er da auslüften? Dafür war doch der Balkon besser. Sie schloß auf, trat ein und erstarrte. Die Wohnung war leer. Total leer. Und auch sauber. Es roch frisch, gelüftet und gut. Dennoch, nichts war mehr da. Gerade so, als hätte hier niemand je gewohnt.

Sie ging durch die Zimmer, alles leer, sogar der Balkon. Sie ging raus und holte den Kittel vom Nagel, schaute in den Taschen nach, doch auch die waren leer. Keine Botschaft, nichts, kein Wort. Das einzige, was ihr blieb, war das, was sie am Leib hatte und der olle Kittel und unten vor der Haustür ihr uralter Smart.

Bei Nachbarn borgte sie sich unter einem Vorwand ein bißchen was zusammen und verbrachte mal erst eine unruhige Nacht. Am nächsten Tag schaute sie im Briefkasten nach, doch der war auch leer. So lebte sie in der fast leeren Wohnung ein paar Tage, bis sie sich in ihr Schicksal fand.

Nun borgte sie sich gezielter was zusammen, einen Wasserkocher, einen Zweiplattenherd, ne Fanne, ein altes Scheßlong, die Nachbarin gab ihr sogar ein Bild für drüber, es zeigte einen laublosen Baum, einen alten Thermomix, war zwar überflüssig, machte aber was her und die Wohnung etwas voller, und noch so einige Sachen.

Über das Internet vermieterte sie das Sofa tage- und wochenweise an Touristen, war besonders bei Amis beliebt, und schlief derweil selbst im Gästezimmer auf ner Isomatte. So schaffte sie es in ein paar Jahren zu einem bescheidenen Wohlstand, richtete die Wohnung aber nie mehr komplett ein.

Ein paar Jahre später kam eine Postkarte aus Afrika. Das Land erkannte sie nur an der schönen Briefmarke. Das Bild zeigte einen mit Lendenschurz bekleideten Weißen, den sie sofort als ihren Mann erkannte. Er war umgeben von vielen schwarzen Frauen, alle nackt und fröhlich.
Der Text war kurz und knapp: "Komm doch!"
Sie überlegte es sich sogar, fand aber keine Adresse. Daher verwarf sie den Gedanken wieder.