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Marcus N.


Free Account, Eldingen / Grebshorn

Passed life

Fresnes, 21. Februar 1944.

Meine liebe Mélinée, meine kleine, geliebte Waise,
In einigen Stunden werde ich nicht mehr auf dieser Welt sein. Wir werden heute nachmittag um 15 Uhr erschossen. Es erscheint mir wie ein zufälliges Ereignis, und ich glaube nicht recht daran, aber ich weiß, daß ich Dich nie wiedersehen werde.
Was kann ich Dir schreiben? Alles in mir ist zugleich verwirrt und sehr klar.
Ich hatte mich in der Befreiungsarmee engagiert und sterbe kurz vor dem Sieg, dem heißersehnten Ende unseres Kampfes. Wie glücklich werden diejenigen sein, die uns überleben und die Süße der Freiheit und des Friedens von morgen kosten werden. Ich bin sicher, daß das französische Volk und alle Freiheitskämpfer unser Andenken in Ehren halten werden. Jetzt, da ich sterbe, verkünde ich, daß ich keinen Haß gegen das deutsche Volk oder gegen sonst jemanden empfinde. Jeder wird die Strafe oder Belohnung bekommen, die er verdient hat. Das deutsche Volk und alle anderen Nationen werden nach dem Krieg, der nicht mehr lange dauern kann, in Frieden und als Brüder leben. Ich wünsche allen Glück... Ich bedaure zutiefst, daß ich Dich nicht glücklich machen konnte, ich hätte mit Dir gern ein Kind gehabt, so wie Du es immer wolltest. Ich bitte Dich, nach dem Krieg noch einmal zu heiraten und ein Kind zu bekommen, das auch mich glücklich gemacht hätte. Erfülle meinen letzten Wunsch und heirate jemanden, der Dich glücklich macht. Alles, was ich besitze, vermache ich Dir, Deiner Schwester und meinem Neffen. Nach dem Krieg mußt Du Deine Rechte als Kriegswitwe geltend machen. Du mußt eine Rente bekommen, denn ich sterbe als Soldat der regulären französischen Befreiungsarmee.
Laß meine Gedichte und die Schriften, die es wert sind gelesen zu werden, mit Hilfe von Freunden, die mir wohl gesinnt sind, drucken. Wenn möglich, bringe mein Andenken zu meinen Verwandten nach Armenien. Ich werde bald mit meinen 23 Kameraden sterben, mit dem Mut und der Heiterkeit eines Mannes, der ein ruhiges Gewissen hat, denn persönlich habe ich niemandem weh getan, und wenn ich es tat, dann ohne Haß. Heute scheint die Sonne. Während ich sie und die schöne Natur betrachte, die ich so geliebt habe, sage ich dem Leben und Euch allen Lebewohl, meine liebe Frau und meine lieben Freunde. Ich verzeihe allen, die mir weh getan haben oder die mir weh tun wollten, außer dem, der uns verraten hat, um seine Haut zu retten, und jenen, die uns verkauft haben. Ich umarme Dich, Deine Schwester und alle Freunde, die mich mehr oder weniger gut gekannt haben, ich drücke Euch alle an mein Herz. Adieu. Dein Freund, Dein Kamerad, Dein Mann.
Manouchian Michel.
P.S. 15.000 Francs liegen in einem Koffer in der Rue de la Plaisance. Wenn Du sie holen kannst, zahle damit meine Schulden und gib den Rest Armène. M.M.

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Dieser Abschiedsbrief existiert wirklich und ist aus dem französischen übersetzt. Auf der Taschenuhr habe ich die Zahlen entfernt, sinnbildlich dafür, dass Zeit jetzt ohne jegliche Bedeutung ist.

Gruß Marcus

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