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Anette Z.


Premium (Complete), Aachen

same but different 36

Die Serie "Same but different" beschäftigt sich mit Klassenunterschieden, Gemeinsamkeiten und Vorurteilen.

Sie entstand, indem ich Viertel besucht habe, wo eher Menschen mit unterdurchschnittlichem Einkommen wohnen. Aber auch Viertel, wo die Bewohner als gut situiert gelten. Die Ergebnisse stelle ich gegenüber.
Im Laufe meiner Arbeit habe ich festgestellt, dass man oft den Bildern gar nicht ansieht, in welchem Viertel man unterwegs ist. Was viele Menschen nicht daran hindert, ihre Vorurteile zu haben.

Als Beispiel möchte ich zwei Kollegen zitieren.

Eine Kollegin sagte voller Überzeugung über ein bessergestelltes Viertel in Aachen „Wenn ich mir schon ansehe, wer da wohnt. Kotz!“ Ich habe mir überlegt, ob ich antworten soll „Aha. Da wohnen Freunde von mir. Erklär mir doch mal bitte, was an denen so ‚Kotz‘ ist. Ich hab es nämlich noch nicht gemerkt.“

Anders herum habe ich einen Kollegen, der der festen Überzeugung ist „Wer Abi machen kann und es nicht tut, ist ein Vollidiot.“
Schüler, die sich drei Jahre in der Gymnasialen Oberstufe rum quälen‚ obwohl sie es hassen, um sich die Chancen nicht zu verbauen‘ haben wir genug.
Fachkräftemangel in Ausbildungsberufen hat die Wirtschaft genug.
Aber das Wichtigste ist halt, ‚es im Leben zu was zu bringen‘ … finanziell natürlich.

Schon komisch, dass der Erfolg, der so wünschenswert ist dann verachtet wird, sobald der „Erfolgreiche“ deutlich mehr verdient als man selbst.

Ich habe auch festgestellt: Die Wahrnehmung von „Arm“ und „Reich“ ist relativ. „Armut“ fängt immer 50% unterhalb meiner Einkommensgrenze an. „Reich“ sind immer die, die sich Dinge leisten können, die ich nicht bezahlen kann.

Vielleicht brauchen wir das? Das Gefühl, besser zu sein, als die „unter uns“.
Und das Gefühl, dass den Menschen, die erfolgreicher sind als wir irgendwas fehlt.
Weil wir uns ihnen sonst unterlegen fühlen.

Commentaire 4

  • Thomas Tilker 05/04/2024 10:25

    Tolle Street Art.
  • verocain 01/04/2024 13:10

    Beide Bilder erzählen wiederum von Bildern und in Bildern, welche Vorstellungen in der realen Welt aufeinander treffen können.
    Es ist sehr interessant, sie in Verbindung mit deinem Text zu betrachten, aber nicht so ganz einfach immer auch eine Verbindung zu sehen, wobei gerade ich ja jemand bin, der diese Dinge gerne auch voneinander losgelöst betrachtet.

    Sehr beachtenswert fand ich im Text die Stelle: "Aber das wichtigste ist es halt, es im Leben zu was zu bringen...finanziell natürlich."
    Es erinnert mich an die Grundwerte des für mich wichtigsten Wertesystems, nämlich dem des Rock'n'Roll. Da heißt es im Grundwert Nr.2:

    Sei vorsichtig und auf der Hut, wenn es um Geld geht!
    Sieh zu, dass welches da ist, wenn du es brauchst, aber lass dich nicht von seinem Schein blenden.
    Und vor allem: Häufe es nicht unnütz an. Das letzte Hemd hat nämlich keine Taschen.

    Es gibt ein kleines Problem mit der Armut, was mir früh aufgefallen ist, als jemand mir sagte: "Geld allein macht nicht glücklich" - und ich dachte: kein Geld haben aber auch nicht.
    Das ist so wie mit dem Spruch, dass "Alkohol keine Probleme löst". Das mag stimmen, aber Orangensaft und Tee lösen ebenfalls keine Probleme.
    • Anette Z. 01/04/2024 15:26

      Meine Familie hatte auch immer einen interessanten Grundsatz zum Geld. Da hieß es "Über Geld spricht man nicht. Das hat man".

      Ich habe irgendwann gefragt, was denn ist, wenn man es nicht hat.

      Meine Mutter hat mir dazu zwei Grundsätze beigebracht:
      Erstens: Man braucht genug Geld, um sich keine Sorgen ums Überleben machen zu können. Sonst wird es nötig, immer mehr über Geld zu reden.
      Zweitens: Man muss mit dem Geld, was man hat, umgehen können. Und zwar so, dass man entscheiden kann, was die wichtigen und unwichtigen Wünsche sind. Wenn man es dann schafft, mit dem, was man hat, zufrieden zu sein, dann ist man glücklich.

      Egal, wie viel es ist, wofür das Geld reicht.

      Das hat mich durch mein Leben begleitet, nachdem ich von meinen wohlhabenden Eltern ausgezogen bin und auch meine reichen Großeltern hinter mir gelassen habe.

      Ich habe mit einem kleinen Studenteneinkommen angefangen. Das hat  für alles Nötige gereicht - inclusive einem einfachen Campingurlaub. Aber große Sprünge oder Luxus war nicht drin.
      Dann kam die Zeit, wo mein Mann und ich beide verdient haben und relativ viel Geld da war.
      Als die drei Kinder klein waren und mein Gehalt für die Kinderbetreuung drauf ging, war es finanziell wieder etwas enger. In der Zeit haben wir die Kinder auf Flohmärkten eingekleidet und auf einiges verzichtet, weil uns anderes wichtiger war.
      Vor ca. 10 Jahren fing die Sache mit dem Geld an, bequem zu werden, weil meine Kinder ohne Betreuung auskamen und ich mindestens eine halbe Stelle hatte.
      Heute verdiene ich gut und mein Mann besser - wir müssen das Geld nicht mehr zählen, es reicht einfach.

      Glücklich waren wir die ganze Zeit, weil wir unsere Wünsche immer an das anpassen konnten, was ging.
    • verocain 01/04/2024 15:58

      Dein letzter Satz sagt dem Grunde nach alles, was mir auch immer wichtig war.

      Der Grundsatz deiner Familie kommt mir mütterlicherseits ausgesprochen bekannt vor ;-) Meine Mutter formulierte es in umgekehrter Form, so wie es wohl in deiner Familie dann auch gängige Ansicht war: Leute, die zu viel über Geld reden, haben keins.
      Mir ist übrigens in langjähriger Erfahrung später aufgefallen, dass das stimmt :-) 

      Ich habe mit nicht viel ein Problem, aber sehr wohl schon immer mit Leuten gehabt, die über ihre Verhältnisse lebten und andere bzw. dritte dann nachher für ihre eigene Misere verantwortlich machten. Davon sind mir im Laufe eines Lebens eine ganze Reihe Leute begegnet.