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Anette Z.


Premium (Complete), Aachen

same but different 41

Meine Schwiegermutter wurde lange vor der Emanzipationsbewegung geboren. Sie bekam die übliche Schulbildung der Arbeiterklasse mit mittlerer Reife und machte eine Schneiderausbildung.

Als die Kinder kamen, war Schluss mit Vollzeitarbeit, damals wurde man mit Kindern Hausfrau. Aber sie war selbstständig genug, um sich eine Stelle als Änderungsschneiderin in einer Boutique in der Stadt zu sichern und finanziell zu den Einkünften der Familie beizutragen.

Mein Schwiegervater war Lagerarbeiter ohne Berufsausbildung.

Beide haben ihre Kinder nach Kräften gefördert. Mein Mann machte nach einer Ausbildung auf dem zweiten Bildungsweg Abitur. Als er einen Studienplatz bekam, machte er seine Eltern sehr stolz.

Ich erinnere mich noch, wie meine Schwiegermutter bei seiner Diplomfeier sagte „Jetzt bist du der erste in der Familie, der studiert hat. Ich habe gemerkt: Für sie ist das etwas ganz Besonderes … Komisch … Meine Eltern waren auch stolz auf mich. Aber für sie war immer klar gewesen, dass ihre Kinder studieren werden. Jeder aus der Familie hatte einen akademischen Abschluss, das machte man halt so.

Commentaire 6

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  • verocain 05/04/2024 15:12

    Jaja, die liebe Schulbildung. 
    Wenn man aus einem Nichtakademiker-Haushalt stammt und einen akademischen Abschluss macht, so wird das natürlich immer als Aufstieg betrachtet. 

    Umgekehrt kenne ich keine einzige Akademiker-Familie, bei der der Sohn eine Metzgerlehre oder die Tochter Friseurin geworden wäre. Schon gar nicht wäre für akademische Eltern eine solche Berufswahl auch nur ansatzweise akzeptabel. 

    Es ist ja schon oft innerhalb der Familie schwierig genug, das Genre zu wechseln. Kinder von Bergarbeitern wurden oft Bergarbeiter. Kinder von Ärzten werden verdächtig oft Ärzte, Kinder von Lehrern schlagen häufig pädagogische Berufe sein und bei Juristen wird die Tradition ebenso gepflegt wie bei Kaufleuten, wo das Geschäft in die3 4. Generation weitergeben wird -  und auch bei Schauspielern und Schriftstellern kommt es recht selten vor, dass die Kinder anschließend im Straßenbau arbeiten. 

    Ich erinnere mich, als in der Familie meiner Frau mal jemand Musik studieren wollte. Die Frage, was man damit macht? Sänger zB.
    Aber Sänger? Das ist doch kein Beruf...so wie Musiker auch kein Beruf ist...das fällt bei vielen eher unter den Begriff "Flausen im Kopf" :-)
    • Anette Z. 06/04/2024 9:38

      Dir ist schon klar, dass sich meine Serie an Leute richtet, die genauso reden wie du? Immer von ihren schlechten Erfahrungen erzählen und davon, dass sie es noch nicht besser erlebt haben?

      ..."Umgekehrt kenne ich keine einzige Akademiker-Familie, bei der der Sohn eine Metzgerlehre oder die Tochter Friseurin geworden wäre."... Das liegt daran, dass du nur mich kennst und nicht meine Familie. Meine jüngste Tochter (Sam) macht gerade eine Ausbildung als Industrie-Mechanikerin. Meine mittlere Tochter eine Ausbildung im Hotelfach. Meine Mutter fand das natürlich nicht toll. Aber was soll sie machen? Sie hat mich selbst tolerant genug erzogen, dass ich mich damit anfreunden kann ;-)

      In der Schule kämpfe ich auch regelmäßig den Kampf dafür, dass Schüler eben kein Abi machen, wenn sie das weder wollen noch das Zeug dazu haben. Das kann schon ziemlich hart sein. Ein Junge, der fast schon die Tage zählt meinte neulich "Frau Zander: Man muss doch nicht unbedingt Abi machen, nur weil man aufs Gymnasium geht, oder?" - Nein, muss man nicht.

      ... und übrigens danke für die Inspiration. Die Idee für den Text unter meinem nächsten Bild kam mir, nachdem ich gerade deine Anmerkung gelesen habe:
      same but different 42
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      Anette Z.
    • verocain 06/04/2024 11:52

      Ich rede ja nicht von schlechten Erfahrungen bzw. finde meine Erfahrungen auch gar nicht schlecht. Ich sehe es auch nicht als absolut an und denke, es gibt natürlich Ausnahmen. Aber sie sind eben selten. Ich kenne halt niemand. Das ist schon alles.
      Schon klar, dass man als Lehrerin mit diesem Thema deutlich breiter und vielfältiger in Berührung kommt.
    • Anette Z. 06/04/2024 15:48

      Nee, ich heiß Anette. Aber vielleicht kannst du mich mit diesem niemand mal bekannt machen, könnte interessant werden.

      Was ich damit sagen will: Meine ganze Serie dreht sich darum, dass Pauschalisierungen nicht in Ordnung sind. Niemals, Egal, welches der folgenden Statements man macht
      "Ich kenne keine Akademikerkinder, die nicht selbst studiert haben"
      "Ich kenne keine Moslems, die keine Extremisten sind"
      "Ich kenne keine Lehrer, die nicht vormittags recht haben und nachmittags frei."
      "Ich kenne keine Frau, die Physik studiert hat und es nicht schwerer hatte als die Männer"
      "Ich kenne keinen Christen, der nicht allen anderen seine Moralvorstellungen aufzwingen will"
      "Ich kenne keinen Flüchtling, der nicht nach Hause geschickt werden sollte"

      Keine dieser Aussagen ist in Ordnung. Aber manche sind in gewissen Kreisen gesellschaftsfähig und manche gelten als indiskutabel.

      Als weiße hetero Frau war es für mich immer seltsam, dass meine Rechte als Frau selbstverständlich verteidigt wurden. Als Weiße musste ich mich immer beweisen. Dass ich keine Rasistin bin und LGBTQ+ aufgeschlossen gegenüberstehe.

      Als Christin war es besonders seltsam: Als Kind musste ich mich rechtfertigen, dass ich NICHT in die Kirche gehe. Heute werde ich seltsam angeschaut, weil ich in die Kirche gehe. Vielleicht war genau das der Auslöser für meine Fragen zum Thema Toleranz: Dass die Dinge, für die man um Toleranz kämpfen muss mit der Zeit wechseln.

      Man sollte andere Menschen so nehmen, wie sie sind. Und darauf verzichten, bei gewissen Gruppen erst mal das Schlimmste zu vermuten, wenn man sie trifft. Mit welchem Recht verlangt jemand von mir, dass ich erst mal meinen anständigen Charakter beweisen soll, nur weil ich weiblich, christlich, Lehrerin oder sonstwas bin?

      Egal was ich bin: Ich will als ich selbst gesehen werden. Nicht als Bestätigung der Regel oder als ihre Ausnahme.
    • verocain 06/04/2024 16:28

      Wenn ich niemand kenne, kenne ich halt niemand :-) ...und ich habe ja nicht behauptet, dass das allgemeingültig ist oder es davon keine Abweichungen gibt.
      Was du da sonst noch so alles hineinlesen möchtest und vor allem hinein implizierst, darauf habe ich zwar keinen Einfluss, ist aber ganz unterhaltsam zu lesen :-)
  • Fotobock 05/04/2024 13:32

    Das Recht auf Licht, auf Himmel und Sonne. Ein Stück Freiheit, aber bei der Verdichtung derzeit eher nicht mehr wirklich gegeben. Das linke Bild erinnert mich aber an die Bauweise im Süden, wo mit Absicht, als Schutz, Häuser eng gebaut werden. Lg Barbara