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Soldaten sind Mörder. (Zum Volkstrauertag)

Soldaten sind Mörder. (Zum Volkstrauertag)

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smokeonthewater


Premium (World), Berlin

Soldaten sind Mörder. (Zum Volkstrauertag)

Das originale und immer wieder entstellte oder relativierte Kurt-Tucholsky-Zitat über den 1. Weltkrieg:
"Da gab es vier Jahre lang ganze Quadratmeilen Landes, auf denen war der Mord obligatorisch,
während er eine halbe Stunde davon entfernt ebenso streng verboten war.
Sagte ich: Mord? Natürlich Mord. Soldaten sind Mörder." (aus "Der bewachte Kriegsschauplatz", August 1931)

Auch "Der rote Baron" Richthofen war alles andere als ein ritterlicher Held im Luftkrieg.
Für jeden Abschuss ließ sich der eitle Freiherr einen silbernen Trinkbecher gravieren.
Außerdem sah die Luftkampftaktik "Dicta Boelcke" ritterliche Zweikämpfe gar nicht erst vor:
• Greif prinzipiell nur in Gruppen von 4 bis 6 an. Greif immer aus der Sonne an.
• Wenn du den Angriff begonnen hast, bring ihn auch zu Ende.
• In jeglicher Form des Angriffs ist eine Annäherung an den Gegner von hinten erforderlich.

Viele Einsätze flogen der Baron und sein Geschwader gegen Soldaten, die im Schützengraben niedergemäht wurden.
Ironie des Schicksals: So wurde seine Fokker nicht von einem Luftgegner abgeschossen, sondern vom Boden aus.
Der im Dienste der britischen Truppen stehende Australier Cedric Popkin holte ihn mit seinem MG vom Himmel.

Als würde ihn sein Karma verfolgen, kam Richthofens Leichnam danach nicht zur Ruhe.
Nach der Beisetzung mit militärischen Ehren der Briten schändeten die Bewohner von Bertangles das Grab.
Fünf Jahre später wurde er auf den nordfranzösischen Soldatenfriedhof Fricourt umgebettet.
1925 ließ Hindenburg den Helden nach Berlin bringen und mit einem Staatsakt auf dem Invalidenfriedhof beisetzten.
Das Grab wurde 1975 durch die DDR-Grenztruppen eingeebnet, um an der Mauer "freies Schussfeld" zu haben.
Der Familie Richthofen gelang es aber noch, den Sarg auf den Südfriedhof Wiesbaden zu überführen.
Seit 2009 erinnert in Berlin eine Gedenktafel an das frühere Ehrengrab.
Diese Tafel wurde 2016 mit dem großen Nazi-Gedenkstein RICHTHOFEN aus dem Jahr 1937 "ergänzt",
auf dem wie Menetekel noch die Spuren der Bombensplitter aus den Luftangriffen auf Berlin zu sehen sind.

Commentaire 19

  • Gert Mahltig 02/12/2018 22:27

    Ein wichtiges Foto!!! Du hast eine gute Diskussion angestossen durch das Foto und den dazugehörigen Text. Das Erinnern ist wichtig und das Zurechtrücken der Geschichte.
    Viele Grüße
    Gert
  • Marina Luise 02/12/2018 8:59

    Ich kannte ihn nur als Begriff - war mal interessant auch die Schattenseiten der 'Legende' zu erfahren.
  • irminsul 19/11/2018 9:51

    ....und was hat die Menschheit daraus gelernt "NICHTS"
     LG Jörg
  • Fotobock 19/11/2018 1:04

    Man darf nie vergessen, was geschehen ist. lg Barbara
  • homwico 19/11/2018 0:04

    Regt zum Nachdenken an.
    LG homwico
  • gelbhaarduisburg 18/11/2018 18:48

    Ich frage mich, warum es diesen überkommenen Feiertag mit seiner sperrigen Geschichte noch gibt. Und warum man dazu auch noch was postet. Damit die, die heutzutage "Wir sind das Volk!" rufen, einen Grund für Kranzniederlegungen bekommen?
  • Christof Hannig 18/11/2018 17:12

    Eine beeindruckende und nachdenkliche Arbeit ist das!!
    Viele Grüße
    Christo f
  • Andreas E.S. 18/11/2018 16:14

    Ich bin absolut nicht der Meinung, dass Soldaten Mörder sind. Auch bin dagegen, dass von Helden gesprochen wird, die für das Vaterland starben. Ich bekam als Schüler von ca. 14 Jahren von unserem Geschichtslehrer einen wichtigen Satz gesagt, der sich mir sehr tief eingeprägt hat: Im Krieg schießen  Männer aufeinander, die sich nicht kennen und auch  nichts gegeneinander haben im Auftrag von Politikern, die sich kennen, aber sich nicht umbringen. Die Soldaten wurden an die Front geschickt und man kann sich nicht vorstellen, wie sie gelebt, gekämpft haben und gestorben sind.
    LG  Andreas
    • smokeonthewater 18/11/2018 16:30

      Dein Lehrer hat die Zusammenhänge ganz richtig erkannt. Und doch ist es wieder eine dieser Relativierungen.

      Betrachten wir es einmal juristisch: Vorsätzliche Tötung ist Mord, die militärischen Angriffsbefehle sind eine Anstiftung zum Mord, und da "Angriff die beste Verteidigung" ist, greift auch das Töten in Notwehr nicht.

      Gerade im 1. Weltkrieg haben sich zumindest in den ersten Jahren die Soldaten freiwillig gemeldet. Sie sind mit Jubel in den Krieg gezogen, um zu töten. Nichts anderes.
      LG Dieter
    • smokeonthewater 18/11/2018 16:44

      Ich glaube schon, dass viele Soldaten, die im Krieg per Befehl zu töten gezwungen waren, die Ausführung trotzdem als Mord empfunden haben – die einen früher, die anderen später, manche bis heute nicht.

      Wenn sich ein Soldat auf den "Befehlsnotstand" beruft, mag das seinem Gewissen helfen, befreit ihn aber nicht von der Tatverantwortung. Daher wurden auch die "DDR-Mauerschützen" nach der Wiedervereinigung zur Rechenschaft gezogen: für Mord, und das erst recht, da die erschossenen Flüchtlgen in der Regel unbewaffnet waren. Lediglich das verhängte niedrige Strafmaß wird dem Befehlsnotstand gerecht.
    • Andreas E.S. 18/11/2018 16:47

      Heute gibt es die Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung. Kriegsdienstverweigerung hieß bei den Nazis: Standrechtlich erschossen. Soweit die juristische Seite. Aus den Feldpostbriefen meines Vaters und Großvaters aus dem ersten Weltkrieg klang nie eine Kriegsbegeisterung.
      LG  Andreas
    • smokeonthewater 18/11/2018 19:10

      Sich töten zu lassen, um nicht selbst töten zu müssen, ist keine wirkliche Alternative. Sich ergeben bzw. überlaufen schon eher, wenn es denn gelang. Feigheit vor dem Feind ist das wahre Heldentum. Und: Erschießungskommandos bestanden auch aus Soldaten.

      Vielleicht sind Deine Vorfahren nicht freiwillig in den Krieg gezogen und waren entsprechend wenig begeistert. Mein Vater hat sich im 2. WK freiwillig zu den Nachrichtentruppen gemeldet, damit er nicht auf Menschen schießen muss. Das blieb ihm tatsächlich erspart. Aber die Ernüchterung ist sicher bei allen, auch den Freiwilligen, irgendwann eingetreten.