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Augen Blick


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Sommerende

Die Taschen stehen aufgereiht im Flur, das Sommerhaus
Ist aufgeräumt, ein Wagen ist gerufen.
Die Küchentür steht offen, nur drei Stufen,
Ein letztes Mal geh’ ich in den Sommergarten hinaus.
Die Knospen in den abgeblühten Rosen am Spalier,
Die werd’ ich nun nicht mehr aufblühen sehen,
Nicht, wie die Blütenblätter davonwehen
Und rote Hagebutten werden leuchten, doch nicht mir.
Die Schiffsuhr in der Küche hör’ ich überlaut und klar
Als würden die Sekunden tropfend fallen
Und in der fremden Stille widerhallen
Und jede, die herabfällt sagt: Es ist nicht mehr – es war!

Das Dunkelgrün des Gartentischs verwittert und verbleicht,
Gebeutelt und gegerbt von allen Wettern
Und einmal mehr wird die Farbe abblättern
Und einmal mehr wird jemand kommen, der ihn neu anstreicht.
Und sicher werden andre Hände sich vor Jahresfrist
Herumstreiten mit Farn und Ackerwinden,
Vergess’nes Spielzeug in den Büschen finden,
Das dort schon lange keines unsrer Kinder mehr vermißt.
Ein Mädchen wird aus Buschwindröschen und aus Akelei’n
Girlanden winden für die Sommerfeste
Und abends werden frohe Sommergäste
Einkehr’n unter dem Blätterdach von wild rankendem Wein.

Wie Reichtümer will ich die Bilder in mir aufbewahr’n,
Den Duft und diese Helligkeit einfangen
Als Reiseproviant und so den langen
Dunkleren Tagen dankbar und getrost entgegenfahr’n.
Die Stürme werden rüttelnd die Fensterläden umweh’n,
Die Stare werden lärmend südwärts fliegen
Und hohes Gras wird sich im Herbstwind wiegen
Und alles wird den guten Gang der Jahreszeiten geh’n.
Das ist es, was mich tröstet, auch wenn ein Schmerz mir bleibt
In diesem Abschied, diesem Sommerende,
Wir sind, denk’ ich, während ich mich abwende,
Nur Schaum, der auf den Wellen des Gezeitenstromes treibt.



Reinhard Mey - Sommerende

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