Thilo von Trotha und seine Sage am Merseburger Schloß
"Der Merseburger Rabe
Um das Jahr 1500 lebte in Merseburg ein Bischof. Er hieß Thilo von
Trotha. Der Bischof war ein jähzorniger Mann. Wenn er in Wut geriet,
war er sehr böse zu anderen Menschen. Einmal kam der Bischof ärgerlich
von der Jagd. Er war den ganzen Tag umhergeritten und hatte kein
Stück Wild gesehen. Er zog die Jagdkleider aus und die Bischofskleider
an. Der alte Diener Johannes half ihm. Der Bischof wollte seinen kostbaren
Ring aufsetzen. Er hatte ihn am Morgen auf das Fensterbrett gelegt,
doch der Ring war nicht mehr da. Wütend fragte der Bischof den Diener,
wo der Ring wäre. Der alte Johannes erschrak sehr. Er wurde bleich und
konnte nicht antworten. Da rief der Bischof: „Du hast meinen Ring gestohlen!
Du bist ein Dieb!“ Johannes widersprach. Das machte den Bischof
noch zorniger. Er ließ den armen Johannes in den Turm (= Gefängnis)
werfen. Immer wieder rief Johannes, er wäre unschuldig. Der
Ring aber wurde nicht gefunden.
Der Bischof hatte einen Jäger mit Namen Ulrich. Der war böse auf Johannes,
weil er ihm seine Tochter nicht zur Frau geben wollte. Ulrich hatte
einen zahmen Raben, der konnte sprechen. Er lehrte ihn heimlich die
Worte: „Hans, Dieb“. Dann ließ er den Raben auf dem Schlosshof umherspringen.
Die Leute hörten, dass der Rabe „Hans, Dieb“ rief. Sie
glaubten nun auch, dass Johannes ein Dieb wäre. Der alte, treue Diener
wurde zum Tode verurteilt. Immer wieder rief er: „Ich habe nicht gestohlen,
ich bin unschuldig!“ Aber der Scharfrichter schlug ihm den Kopf ab.
Viele Jahre waren vergangen. Eines Nachts gab es einen starken Sturm.
Der riss viele Ziegel vom Dach des Schlosses herunter. Am nächsten
Morgen kamen die Dachdecker. Unter einem Dachbalken fanden sie ein
Rabennest und in dem Nest – den Ring des Bischofs! Ein Rabe hatte
den Ring damals vom Fensterbrett weggenommen und in sein Nest getragen.
Johannes war unschuldig hingerichtet worden! Da wurde der Bischof
sehr traurig. Er ging nie mehr zur Jagd und er war nie wieder jähzornig.
Zur Erinnerung an das Geschehene ließ er am Dom und am
Schlosse ein Wappen anbringen.
Darauf war ein Rabe mit einem Ring
im Schnabel abgebildet. Außerdem
befahl der Bischof, auf dem Schlosshof
einen Käfig aufzustellen und einen
Raben einzusperren. Seitdem ist
auf dem Schlosshof in Merseburg
immer ein Rabe im Käfig zu sehen.
Er soll uns ermahnen, dass wir nie
vorschnell und auch nicht im Jähzorn
einen Menschen verurteilen dürfen." entnommen aus www.sos.halberstadt Sagen
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