über den Wiedererkennungswert natürlicher Textilien in besonderen Lebenslagen

über den Wiedererkennungswert natürlicher Textilien in besonderen Lebenslagen

"Namáskaram, Fremder! Darf ich dich etwas fragen?",
kam es freundlich aus Richtung des kleinen Feldes, auf welchem zwei Frauen mit der Ernte einiger Baumwollsträucher beschäftigt waren.
Ich hatte sie zuvor schon bei meiner Annäherung beobachtet. Sie arbeiteten langsam und bedächtig, jedoch auch mit Routine, die auf eine langjährige Tätigkeit schließen ließ. Wie lange, das sollte ich jedoch nicht ahnen können.
"Was möchtest du wissen?" fragte ich, der ich nicht unhöflich sein wollte.
"Ach, ich wollte nur dein Hemd sehen, welches du trägst. Einen Moment glaubte ich, ich hätte es vor langer Zeit selbst gepflückt. Aber vermutlich habe ich mich geirrt."
Ich schrieb es ihren schon etwas müden Augen hinter dem imposanten Brillengestell zu, daß sie es hatte nicht auf den ersten Blick erkennen können, die Baumwolle nicht auch für dieses Hemd gepflückt zu haben.
"Ich möchte nicht neugierig erscheinen, aber darf ich nach Deinem Alter fragen?",
bat ich, der ich eine lange Erfahrung im Leben vermutete.
"Ganz genau weiß ich es nicht, ich habe mich nie darum gekümmert. Ich habe aufgehört zu zählen, als unser Kaiser Sha Jahan neben dem Gemüsegarten meiner Eltern sein Taj Mahal zu errichten begann. Da war ich aber noch ziemlich klein und Jahreszahlen haben mich seitdem nicht mehr interessiert."
Nun gut, in Anbetracht des Umstandes, daß der Großmogul Sha Jahan den Bau des Taj im Jahre 1631 begonnen hatte, durfte ich nun mit Recht von einer beachtlichen Routine bei ihrer Tätigkeit als bescheidene Baumwollpflückerin ausgehen. Insgeheim beglückwünschte ich sie jetzt zu ihrem in Anbetracht der Gesamtumstände doch recht jugendlichen Aussehen.

Bei meinem nächsten Besuch aber, so beschloß ich, würde ich ein noch älteres Hemd tragen, welches sie dann ganz sicher auch wiedererkennen würde können......

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Feldarbeiterin bei Vijayanagar (Hampi)/ Indien März 2010 - Nikon F5, Fuji Velvia100, Scan vom Dia



Madames Kindheitserinnerung: