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Vor 1500 Jahren: Cirrusnebel im Sternbild Schwan mit 28 h Belichtung

Vor 1500 Jahren: Cirrusnebel im Sternbild Schwan mit 28 h Belichtung

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Dirk Peters - Astro- u. Naturfotografie


Premium (Basic), Hochsauerland (NRW)

Vor 1500 Jahren: Cirrusnebel im Sternbild Schwan mit 28 h Belichtung

Nach einigen Ausflügen in fremde Galaxien-Welten meiner zuletzt eingestellten Fotos heute mal wieder ein Astrofoto eines der schönsten
Astro-Nebel Regionen in unserer eigenen Milchstraße: Der Schleier-Nebel (oder auch Cirrus-Nebel- oder Zirrus-Nebel-Komplex, engl.: "Veil Nebula") im Sternbild Schwan. Auch der Name Cygnus-Bogen (engl.: cygnus loop) ist geläufig für das Gesamt-Ensemble der verschiedenen Teilgebiete.
Seine hellsten Teile wurden separat als NGC 6960 (der "Sturmvogel", rechts im Bild), NGC 6992/ NGC 6995 (die "Knochenhand", oben links) und NGC 6979/NGC 6974 (obere hellere Bereiche der mittleren Filamente) katalogisiert. Für andere Teilgebiete gibt es noch weitere Katalog-Nummern nach NGC oder IC. Der bekannte "Sturmvogel" unten rechts im Bild liegt direkt neben dem markant hellen (4.2 mag) Stern "52 Cygni" im südlichen Flügel des Sternbilds Schwan.
Beim gesamten Cirrus-Komplex handelt es sich um einen Supernova-Überrest (SNR) in einer Entfernung von ca. 1500 Lichtjahren.
Wir schauen also wie immer bei Deep-Sky- Astrofotografie in die Vergangenheit, diesmal 1500 Jahre zurück.
Doch Bereits seit vielen Tausend Jahren treibt das zarte Gespinst des Schleier-Nebels schon auseinander. Der ursprüngliche Stern explodierte in Form einer gewaltigen Supernova vor etwa 16000 Jahren (manche Quellen geben auch andere Zahlen hierfür zwischen 5000 und bis zu 30000 Jahren an, die meisten jedoch zwischen 15000 und 20000 Jahren). Die realen Ausmaße des Schleiernebels liegen in der Größenordnung von um die 100 Lichtjahre in Diagonalen-Richtung.- Allein das Filament links oben (NGC 6992) hat z.B. ein reale Längenausdehnung von ca. 25 Lichtjahren.
Durch die Supernova wurde eine Überschall-schnelle Schockfront erzeugt, welche interstellare Materie ionisiert und dadurch zum Leuchten anregt. Noch heute expandiert diese Schockfront und schiebt so die interstellare Materie vor sich her. Die jährliche scheinbare Ausdehnung liegt bei 0,07-0,08 Bogensekunden.
Das bedeutet: Bereits in etwa 30 bis 40 Jahren ließe sich selbst mit meiner Amateur-Ausrüstung und der hier verwendeten kleinen Brennweite ein
kleiner Unterschied von ca. 2 bis 3 Bogensekunden astrofotografisch feststellen, sprich die Nebelschwaden liegen dann um ca. 2 bis 3 Bogensekunden weiter außen gegenüber ihrer jetzigen Position.

Hierzu mal eine überschlägige Abschätzung zur Orientierung:
Die Einzel-Fotos dieses Astro-Projekts wurden mit einer Brennweite von 331 mm aufgenommen.
Im überlappenden Summenbild habe ich die Ränder leicht abgeschnitten, so dass der hier
gezeigte finale Himmelsausschnitt einer scheinbaren Brennweite von F = 360 mm entspricht. Für den APS-C Sensor meiner DSLR bedeutet das ein resultierendes Gesichtsfeld von 2,4° x 3,6° oder anders gesagt:
8640 Bogensekunden x 12960 Bogensekunden. (Der Vollmond würde etwa 5 x 7 mal in die Fläche meines hier gezeigten Bildes passen.)
Die Einzelfotos meiner Kamera, die in dieses Summenbild eingingen, haben eine digitale Auflösung von 4000 x 6000 Pixeln.
Etwas gerundet entspricht somit also ein Pixel ca. 2 Bogensekunden.
Damit liegen wir genau in der Größenordnung der oben angegebenen 2 bis 3 Bogensekunden für die Expansion nach 30 bis 40 Jahren, so dass der Unterschied gerade bemerkbar sein würde. Na, ja - zumindest, wenn die Störungen durch atmosphärische Luftunruhe ("seeing") nicht allzu
verheerend sind, denn die durch schlechtes seeing begrenzte Auflösung ist in unseren Breiten auch nur selten besser als 2 Bogensekunden
(oftmals sogar schlechter).
Noch ein weiterer Vergleich zur besseren Vorstellung: Die hellen "Fäden" des Cirrus-Gespinstes, z.B. im oberen linken Bereich des Komplexes (NGC 6992) haben ein "Dicke" von ca. 8 Bogensekunden. Wenn sich so ein "Faden" in 30 Jahren um 2 Bogensekunden weiter nach außen
bewegt und man die Bilder heute und in 40 Jahren übereinanderlegt würde dieser shift (um etwa 1/4 der hier sichtbaren Dicke) beim Hereinzoomen in das Bild schon bemerkbar sein. (Bei größerer Brennweite und damit insgesamt besserer Auflösung natürlich sowieso.)
Doch bedenken wir auch, dass wir hier den Zustand von vor 1500 Jahren beobachten. In Wirklichkeit hat sich das ganze System natürlich schon längst weiter nach außen expandiert:
Unter der vereinfachten Annahme, dass die Expansion auch in den letzten 1500 Jahren mit 0,07 Bogensekunden/Jahr fortschritt, liegen die Filamente inzwischen real schon über 105 Bogensekunden weiter außen, das entspricht in etwa gerade der hier sichtbaren Breite des Sturmvogels beim Stern 52 Cygni.

Zur Entstehung dieses Bildes selbst:
Mit den ersten Einzelaufnahmen zu diesem Foto startete ich bereits im Mai dieses Jahres und die letzten hier verwendeten Aufnahmen zogen sich bis Oktober hin, so dass es sich hier um ein 1/2-Jahres-Projekt handelt mit einer resultierenden Gesamtbelichtungszeit von knapp 28 Stunden.

Die sehr hohe erforderliche Gesamtbelichtungszeit, um diese Qualität hinzubekommen, ist vor allem den relativ warmen Sommernächten geschuldet, wodurch die
Sensor-Temperatur meiner EOS (trotz Eis-Pac an der Rückseite der Kamera) bei vielen Einzelaufnahmen bei deutlich über 20 Grad Celsius lag und damit ein gehöriges thermisches Rauschen verursacht hat.
Erst die Aufnahmen im September und Oktober haben mit Sensor-Temperaturen von ca. 16 Grad Celsius das Signal-Rauschverhältnis noch mal überproportional verbessert. Hier, in den warmen (und kurzen) Sommernächten machen sich also die Nachteile meiner ungekühlten DSLR gegenüber einer gekühlten Astrokamera
besonders deutlich bemerkbar.
Oder anders gesagt: Mit deutlich tieferen Sensor-Temperaturen (bei meiner DSLR möglichst unter 10 Grad Celsius, wie sie in den kommenden
Wintermonaten möglich sein werden) hätten, um die gleiche Qualität des Signal-Rausch-Verhältnisses hinzubekommen, vermutlich deutlich unter 8 Stunden Gesamtbelichtungszeit ausgereicht, mit einer gekühlten Astro-Kamera sicher noch weniger.
(Die fehlende Astromodifizierung meiner DSLR verlängert die erforderliche Gesamtbelichtungszeit für rote Lichtanteile zwar auch noch mal,
dieser Effekt ist aber fast schon gering im Vergleich zum relativ hohen Signal-Verlust durch das Temperaturrauschen).

Ein paar Worte noch zur Farbgebung für das finale Bild:
Alle Aufnahmen wurden mit Schmalbandfiltern gemacht (H-Alpha, und O-III, testweise auch mit H-Beta Filter).
H-Alpha-Aufnahmen (sowie die testweise durchgeführten H-Beta Aufnahmen) wurden dem Rot-Kanal zugeordnet.
Die roten Nebel-Anteile in diesem Bild stehen also für Regionen mit besonders intensiven Wasserstoff-Anteil, wobei allerdings auch zusätzlich ein recht beträchtlicher Stickstoff-Anteil (N-II: einfach ionisierter Stickstoff) dabei ist, denn mit dem 7-nm H-Alpha Filter wird neben der eigentlichen H-Alpha-Spektrallinie (bei 656 nm Wellenlänge) auch die sehr nahe liegende Wellenlänge der in diesem SNR recht intensiven N-II Spektrallinie (bei 658 nm) durchgelassen.

Die Aufnahmen mit dem O-III Filter zur Detektion insbesondere von Sauerstoff-Molekülwolken (O-III--Regionen) wurden dem blauen und dem grünen Farbkanal zugeordnet. Dabei habe ich in der Bild-Bearbeitung den Grün-Kanal bewusst etwas weniger stark gewichtet mit dem Ergebnis, dass weniger lichtstarke Sauerstoff (O-III) -Regionen auf dem Bild eher blau dargestellt sind und nur leuchtstärkere Sauerstoff-Regionen tendenziell eher blau-grün bis grün.
Da, wo es im Bild besonders helle (weiße) Bereiche gibt, überlappen H-Alpha- und O-III Regionen besonders stark und führen in Summe zu diesen dort besonders lichtstarken Gebieten wie es z.B. die Filamente-"Fäden" sind.(Und natürlich auch sämtliche - deutlich lichtstärkeren - Sterne.)
Insgesamt entspricht die hier gewählte Zuordnung der Farbkanäle recht gut der natürlichen Farbgebung und dem natürlichen Farb-Empfinden,
sprich das Bild hat keine Falschfarben-Zuordnung, wie es z.B. bei der berühmten Farbauswahl der sgt. "Hubble"-Palette der Fall wäre.

Weitere Infos zur Aufnahme-Ausrüstung und zu den Einzelaufnahmen:

Teleskop: TS-APO 704, f_eff= 331 mm mittels Reducer TS-RED279, f/4.74
Montierung: Cel. AVX, Auto-Guiding mit Lacerta MGEN 2.2, Kamera: CANON EOS 760d (unmod.),
Filter: 8,5 nm O-III(Baader), 7nm H-Alpha (Baader), 8,5 nm H-Beta (Baader)

Einzelaufnahmen:

mit O-III-Filter (bei ISO 1600):
15 x 140 sec................102 x 280 sec
(Gesamtbelichtungszeit mit O-III: ca. 8,5 Stunden)

mit H-Beta Filter (bei ISO 1600):
18 x 140 sec.........31 x 280 sec
(Gesamtbelichtungszeit mit H-Beta: ca. 3,1 h )

mit H-Alpha-Filter:
bei ISO 1600:
12 x 420 sec........... 161 x 280 sec ........8 x 560 sec
bei ISO 800: 12 x 280 sec
bei ISO 12800:2 x 280 sec
(Gesamtbelichtungszeit mit H-Alpha: ca. 16,25 Stunden)

Damit totale Belichtungszeit für dieses Foto: ca. 27,9 Stunden

Bias- und Darks-Abzüge, Flat-Korrektur, gestackt und bearbeitet in Fitswork und DPP4
Aufnahmedaten: 26./27.05.2017, 28.05.2017, 20./21.06.2017, 17./18.07.2017, 18./19.07.2017,
21./22.08.2017, 27./28.09.2017, 14./15.10.2017
loc: 51.3°n.Br., 310 m NHN

Viel Freude mit dem Foto und
LG, Dirk

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