Horst-W.


Premium (World), Franken

Weihnachts(mann)gedanken

Der Weihnachtsmann hat seinen Schlitten etwas abseits geparkt, in luftiger Höhe, wie sich das gehört. Er ist ein bisschen müde, und auch seine Rentiere sollen noch etwas verschnaufen dürfen bis es an der Zeit ist die nächste Lieferung zu holen. Das Rentierschlittenfahren macht auch keinen Spaß mehr, ging ihm so durch den Kopf ... die Milchstraße ständig verstopft um dieses Zeit, alle seine Kollegen waren ja gleichzeitig unterwegs all die Wünsche der Menschen zu befriedigen ... Aber bald ist es geschafft, freute er sich - ein paar Tage noch, und alle Bestellungen sind wie immer rechtzeitig zu Weihnachten zugestellt.

Er holt das große Buch heraus, in dem alles verzeichnet ist, um sich die Wartezeit ein wenig mit Lesen zu verkürzen. Ein E-Book-Reader wäre zwar handlicher und leichter ... aber sein altes Buch, das ihm wie ein guter alter Freund ist, kann er nicht ersetzen. Er mag das alte Buch, mit seinen alten Geschichten ... schon wie es sich anfühlt ... Es muss schön gewesen sein damals. Seine Vorgänger hatten auch nicht so schwer zu schleppen, die Wünsche der Menschen waren viel bescheidener. Man schenkte sich etwas viel Wichtigeres ... Zeit ... Zeit für einander ... Zeit mit einander ... und Vieles war auch selbst gemacht ... Musik ... Gedichte ... Geschichten ...

Eigentlich schade, dass seine Vorgänger so ins Abseits geraten sind. Er wollte das so gar nicht, hatte nur seinen Job gemacht, er war doch nur ein kleiner Angestellter des großen amerikanischen Konzerns ... und die Menschen hatten sich nun mal für ihn entschieden. Der Nikolaus und der Pelzmärtel ... dar alte Knecht Rupprecht ... das nette Christkind natürlich ... sie waren schon in Ordnung, auf ihre Art. Aber halt auch arg altmodisch ... und Geschäfte machen, Geld machen konnten sie schon gar nicht. Da war das Weihnachtsmannkonzept schon besser ... die Menschen kaufen und kaufen und kaufen ... immer mehr ... immer teurer ...

Aber ist das wirklich besser ...? fragt er sich immer öfter ... Wie wird es weiter gehen? Irgendwann kann man doch gar nicht noch mehr, noch teurer kaufen ... und schon gar nicht, wenn es den Menschen immer schlechter geht? Und er selbst ist ja nun auch schon in die Jahre gekommen, vielleicht auch schon ein wenig altmodisch geworden, die Arbeit fällt nicht mehr so leicht, und die Firma setzt immer mehr auf jüngere Mitarbeiter ... Die Kollegen wollen gehört haben, dass man auf attraktive Weihnachtsfrauen umstellen will. Es sollen sogar schon einzelne gesehen worden sein, viel zu leicht angezogen sollen sie gewesen sein für die Jahreszeit ... "Sex sells", wie die Menschen da unten sagen ... (nett, die vielen Worte in seiner Heimatsprache da unten, grad jetzt wo er so viel unterwegs sein muss - auch wenn oft ein Lächeln über sein runzliges Gesicht huscht über die merkwürdigen Worte die da oft erfunden werden). Und die braven alten Rentiere ... die können die schweren Lasten auch kaum noch ziehen, hätten längst das Gnadenbrot verdient. Doch das wurde gestrichen ... die Kosten ... Aber die Rentierschlitten wird es wohl ohnehin bald nicht mehr geben. Es sollen schon verschiedene Scooter getestet worden sein ... schnittig, fetzig, mit vielen bunt blinkenden Lichtern ... und aus vielen kleinen Lautsprechern singen süße Glöckchenstimmen kau-fen, kau-fen, kau-fen ...

Er schreckt hoch. Die Rentiere scharren mit den Hufen, es ist an der Zeit ... die letzte Tour heute, und sie wollen's endlich hinter sich haben. Ich bin wohl ein wenig eingenickt, denkt er. Brave Tiere. Und macht sich wieder auf den Weg. Noch ein kräftiges Ho Ho Hoo! (er hasst das, doch er muss, das ist vorgeschrieben) ... und leise, schon fast beim Einbiegen in die Milchstraße, noch ein letztes ... nachdenkliches ...

Merry Christmas ...


Frohe Weihnachten Euch Allen!


(c) hw

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