Wer suchet, der findet!
„Es muss hier doch irgendwo sein“, sagte der Reiher verzweifelt, während er mit seinem Schnabel im brackigen Wasser herumstocherte. „Es war hier. Ganz sicher.“
„Was suchst du denn?“, fragte ich hilfsbereit.
„Etwas sehr Wertvolles. Komm, hilf mir suchen!“
Ich watete durch das recht übelriechende Nass. Mir war nicht klar, wonach ich suchen sollte.
„Kannst du es etwas genauer beschreiben?“
„Ich bekomme von meiner Frau mächtig Ärger, wenn ich es nicht wiederfinde.“ Der Reiher schaute sich ängstlich um.
„Oh, ja. Ich kenne deine Frau. Mit der ist nicht gut Kirschen essen. Dann muss es wirklich wichtig sein.“
Ich wühlte mit den Armen in der trüben Brühe, in der Hoffnung, etwas zu ertasten. Dabei stolperte ich und fiel der Länge nach in den schlammigen Sud.
„Um was geht es denn nun genau?“, fragte ich prustend und spuckend, denn ich hatte etwas von dem Modder verschluckt.
„Es ist ein Familienerbstück. Seit Jahrzehnten in unserem Besitz. Mir ist es hier in den Tümpel gefallen.“
„Groß, klein? Muss ich dir alles aus der Nase ziehen?“
„Passt in deine Hand. Such bitte weiter.“ Ich stapfte weitersuchend durch die modrige Mocke. Dann ertastete ich etwas. Es fühlte sich zeitgleich ledrig aber auch etwas glibberig an. Leicht angeekelt zog ich den Gegenstand aus dem Wasser.
„Ist es das, wonach du suchst?“ Ich würgte und hielt das undefinierbare Etwas hoch, damit der Reiher es begutachten konnte.
„Du hast es gefunden! Vielen, vielen Dank! Ach, was bin ich froh, meine Frau hätte mich glatt einen Kopf kürzer gemacht, wenn wir es nicht gefunden hätten. Sie kann ja ein richtiger Drachen sein, weißt du? Wenn ich einmal vergesse, den Müll rauszubringen, dann…“
„Was, um alles in der Welt, halte ich hier in der Hand?“, unterbrach ich den Reiher, der sich gerade in Rage redete.
„Wie gesagt, ein Familienerbstück. Das ist ein mumifizierter Froschschenkel.“
„Bitte was??!! Du lässt mich in diesem ekelhaften Gewässer nach einem einbalsamierten, aufgeweichten, amphibischen Körperteil suchen? Warum?“ Ich musste aufpassen, dass ich mich nicht erbrach.
„Nun, meine Urahnen haben mit dem Frosch, dem dieser Schenkel gehörte, ihren ersten Nachwuchs gefüttert und großgezogen. Auf diesem Frosch basiert unsere gesamte Familiendynastie. Ihm zu Ehren reichen wir den mumifizierten Schenkel von Generation zu Generation weiter.“
„Du wirst ihn trocknen müssen. Sonst merkt deine Frau noch etwas.“ Zum Glück beruhigte sich mein Magen langsam. Vorsichtig überreichte ich dem Reiher diesen für ihn doch recht wertvollen Schatz.
„Nochmals vielen Dank. Du hast etwas gut bei mir“, verabschiedete sich der Reiher freundlich, denn er war froh, zuhause keinen Ärger zu bekommen…
Ottmar Niessen 10/07/2023 20:12
War das nicht im Voting ?Es ist doch eine starke Aufnahme….
Corinna Lichtenberg 18/06/2023 22:22
Ein tolles Bild von einem interessanten Reiher!Liebe Grüße Corinna
Zina Heg 18/06/2023 14:46
Wow, grossartig, diese Nähe und der konzentrierte Blick...! Wollte gerade sagen, den hätte ich nur in Australien gesehen - aber mit den Schlagwörtern macht das Sinn :-)LG, Zina
PeLeh 18/06/2023 10:59
Die Nähe und die Pespektive sind klasse! Eine sehr schöne Aufnahme!Einen schönen Sonntag und viele Grüße
Peter
Karl G. Vock 18/06/2023 10:59
Klasse Portrait.LG
Karl