Wolfgang Leonhard – er sollte Recht behalten
Wladimir "Wolfgang" Leonhard • 16. April 1921 – 17. August 2014
Das letzte Mitglied der "Gruppe Ulbricht" ist tot.
Die Gruppe, formiert in den letzten Kriegswochen 1945 in der Sowjetunion, sollte im befreiten Berlin der sowjetischen Militärbesatzung zuarbeiten.
Ziel war, aus ihrer Mitte den intensiv geschulten Leipziger Tischler Walter Ulbricht zum führenden Parteifunktionär der Besatzungszone aufzubauen.
Doch schon nach der Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED sowie durch Stalins Schreckensregime kamen Leonhard bald Zweifel.
Als überzeugter Kommunist musste er erkennen, dass nicht der Kommunismus, sondern nur der Stalinismus errichtet werden sollte.
Kurz nach der Gründung der DDR 1949 flüchtete Leonhard über Prag nach Belgrad und siedelte 1950 in die BRD über.
Fortan trat er als Kritiker der aktuellen Verhältnisse in der DDR und der Sowjetunion in Erscheinung.
Als Insider war seine Meinung bei sämtlichen Bundeskanzlern seit Adenauer gefragt.
Seine historischen Analysen sind hervorragend und entlarvend. Er sagte das Ende der DDR lange vor 1989 voraus. Er sollte Recht behalten.
Die DDR-Bürger haben ihn als "das Gewissen" wahrgenommen, obwohl er für sie nur über ARD und ZDF in Erscheinung treten konnte.
Ich habe ihn auf der Frankfurter Buchmesse 1997 kennen gelernt. Wir haben lange geplaudert. Unvergessliches Erlebnis.
Pacoli 18/08/2014 8:02
... ein schönes Zeitzeugnis!Schöne Woche und LG
Franz
smokeonthewater 17/08/2014 23:22
@Ursula: Doch, auch Scholl-Latour habe ich geschätzt. Er hat auch mit vielen seiner Prognosen Recht behalten. Er ist mir leider auf der Buchmesse immer entwischt. Manchmal war er mir zu rechthaberisch.Auch Robin Williams oder Lauren Bacall wären einen Nachruf wert gewesen. Aber es steht jedem frei in der FC, es auch mal zu tun.
Zu Leonhard hatte ich eine spezielle Einstellung. Seine Analysen betrafen mein Leben.
Ursula Elise 17/08/2014 22:44
Wieder ein tagesaktueller Nachruf!Ich habe auch "Die Revolution entlässt ihre Kinder" begeistert (vielleicht zu begeistert?) gelesen. Dass die Eingemauerten aus den Büchern dieses aufrichtig gewendeten Ex-Kommunisten Hoffnung sogen, habe ich auch von anderen gehört.
Für mich ist es immer eine seltsame Koinzidenz geblieben, dass diese "Gruppe Ulbricht" am selben 30. April 1945 in Berlin gelandet ist, an dem sich Hitler umgebracht hat, angeblich "bis zum letzten Atemzuge gegen den Bolschewismus kämpfend"...
Noch ein bedeutender politischer Journalist ist gerade gestorben, gestern am 16. August: Peter Scholl-Latour. Schätzt du den nicht?
Grüße Ursula
Earl of Klueth 17/08/2014 21:59
Kann ich mir gut vorstellen, das du dasGespräch mit ihm, nicht vergessen wirst.VG.
heide09 17/08/2014 21:21
Eine noble und anerkennende Geste Deine Kollage und Dein Bericht.Die Welt hat wieder einen großen Kopf verloren.
Viele Grüße ................ :-)
Ania
Andreas E.S. 17/08/2014 20:31
Ich bewundere immer wieder deine höchst aktuelle und bestens recherchierte Eingaben über aktuelle politische und sonstige Persönlichkeiten, die in der öffentlichkeit standen. Auch diesmal bist du wieder topaktuell und sehr schnell. Mein Kompliment. Was ich bei deinen Büchern vermisse ist der Titel, der mir am meisten imponiert hat: >Die Revolution entlässt ihre Kinder.< Nachtrag: Natürlich hast du diesen wichtigen Titel aufgeführt, ich habe ihn nur übersehen. Sorry.Dir eine gute Woche.
LG Andreas
Strato Caster 17/08/2014 20:17
Sehr traurig. Habe es auch gerade in den Nachrichten erfahren. LG Thilo