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Lothar Massmann


Free Account, München

X-Mas is coming ...

Sascha.
Ein Weihnachtsmärchen.

Die Nacht war kalt. Pulverschnee bedeckte die Winterlandschaft der Stadt mit einem Kleid der Unschuld. Die nächtliche Stille war kaum wahrnehmbar zu spüren. Heiligabend stand vor der Tür. Die Menschen eilten geschäftig, um letzte Präsente zu ergattern. Seit langer Zeit wohnungslos umgaben Sascha andere Sorgen. Er saß auf einer verschneiten Bank und erfreute sich an dem Lichterspiel der Weihnachtsdekoration. „Das haben die schön gemacht, wirklich schön.“ Billiger Wodka vom Discounter und ein dicker Mantel aus der Kleidersammlung wärmten ihn.

„In der Bahnhofsmission gibt es heute Eintopf mit Würstchen“, murmelte Sascha vor sich hin. Vor seinem geistigen Auge erschien die warme Mahlzeit. Er schmunzelte. In Gedanken versunken entging Sascha das kleine afghanische Mädchen, das plötzlich vor ihm stand. „Was machst Du hier alleine? Es ist doch so kalt!“, fragte ihn Humalia mit zarter Kinderstimme. Ihre großen braunen Augen glitzerten im Weihnachtslicht. „Ich spür die Kälte schon lange nicht mehr, Kleines.“

Das Mädchen erinnerte Sascha an seine Tochter. Aus einer anderen Zeit. Die Zeit davor. „Wieso frierst Du nicht?“, wollte Humalia wissen. Die Wahrheit – dass wusste er – war nicht für die Kleine bestimmt. „Ich spüre die Liebe der Weihnacht in mir.“ Es ward Sascha, als habe er den Sinn von Weihnachten schon lange vergessen. „Welche Liebe ist das?“, wollte das afghanische Mädchen unter unschuldigem Kichern wissen. In Licht gebettet erschien Sascha die kleine Humalia nun wie ein Engel. Ein Zeichen?

Sein Herz öffnete sich. „Es ist die Liebe zu den Menschen und zum Leben. Es ist die Liebe, die alles annehmen kann, so wie es ist. Es ist die friedvolle Liebe, die nichts besitzen will. Es ist die Liebe, die nicht immer alles besser weiß. Es ist die Liebe der Toleranz und des Respekts – auch zu sich selbst. Es ist die Liebe, die einfach nur da ist – ohne Grund.“ Saschas Augen wurden feucht. Er hatte gewagt, seinen innigsten Traum in Worte zu fassen. Humalia strich ihm mit ihrer zarten rechten Hand über die Stirn. „Das hast aber schön gesagt, Sascha. Das ist ES, was ich Euch wünsche …“

Sascha erschrak. Sein Name! Woher kannte das Mädchen seinen Namen? Wieder bei sich, war Humalia verschwunden wie sie gekommen war. Schon bald würde er verstehen, dass sein Herzenswunsch über seine Lippen kam und seinen zukünftigen Weg bestimmt. Weshalb? Vielleicht, weil sich der Zauber der Magie nur schwer in Worte fassen lässt: Liebe.

Frohe Weihnachten und ein glückliches neues Jahr.

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