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† Klaus Baum


Premium (Basic), hamburg

Bettlerin in Venedig

Ich lade dieses Bild in einer leichten Nachbearbeitung noch einmal hoch, weil ich auf zwei andere Fotos aufmerksam machen möchte, die meines Erachtens ein Mehr an Wahrnehmung verdient hätten.

Die Sektion Silhouetten scheint mir angemessen, weil man diese Menschen meist nur schemenhaft wahrnimmt.

Im Kontext dieser Thematik sei auf die documenta-Arbeit (d11, 2002) von Jeff Wall hingewiesen: The Invisible Man (nach dem gleichnamigen Roman von Ralph Ellison).






Commentaire 26

  • Jannis G. 17/09/2005 7:33

    ein oft gesehenes Motiv..trotzdem finde ich dieses Foto durch den Ausschnitt besonders ausdrucksstark und gelungen...sehr gut!
    Gruesse
    Jannis
  • Gerontolon Müllhaupt 16/09/2005 1:52

    Ich hab das Bild schon mal bei Dir gesehen und mit einem etwas flauen Gefühl unkommentiert gelassen. Auch nach all den klugen Anmerkungen hat sich daran nichts geändert. Möglicherweise nehme ich die Fotocommunity nicht ernst genug, um in ihr ausgestellte Bilder so zu interpretieren, wie ich es mit einem Kunstwerk in einem Museum oder gar nur mit einem Zeitungsfoto machen würde. Auch im Voting tauchen ja immer wieder mal mit dem menschlichen Elend um Zustimmung heischende Bilder auf, die ich geradezu widerlich finde. Ein Teil meiner selbst schlüpft beim Betrachten unweigerlich in diese Frau und brüllt "nimm doch bitte Deine verfickte Kamera weg". Aufgrund Deiner bisherigen Arbeiten erschließt sich mir intellektuell sehr wohl deine aufklärerische Absicht aber ich wollte Dir doch von meiner eigenen Scheu, ein solches Bild machen zu können, berichten.
  • Sascha Kohler 15/09/2005 21:30

    Diese Zurückhaltung (Silhouette) tut dem Bild sehr gut!

    Gruss
    Sascha
  • Walter Zeis 15/09/2005 21:25

    Mein Gott, ist das eine lange Diskussion. Mag ich alles gar nicht lesen! Nur eins möchte ich sagen: Der Schnitt sitzt, und man kann die Gestalt rechts "zu Ende" fantasieren hinsichtlich ihres Gesichtsausdrucks mit Blick auf die Bettlerin.
    Gruß Walter
  • † Klaus Baum 15/09/2005 17:09

    gerade in einem äußerst zähen voting:

  • Jochen Schmidt-Oehm 15/09/2005 15:08

    Ich find´s einfach gut. Hier stimmt Alles
    schmoehm
  • Die siebente Werbepause des Weltuntergangs 15/09/2005 9:57

    Ja, in der Tat eine starke Aussage.
  • Michael Weyl 14/09/2005 20:53

    " Wer durch Kunst sich schockieren lässt, hat das Leben noch nicht begriffen." ... macht mich nachdenklich ... ja, ich denke darüber nach.
  • † Klaus Baum 14/09/2005 20:38

    Ich habe mal einige Überlegungen aus einem Aufsatz von mir, den ich für den Materialienband zur documenta 9, 1992, geschrieben habe, abgetippt. Ich habe beschrieben, was ich an jenem Tag sah, ich habe es nicht fotografiert. Michael hat sein Erlebnis auf dem Friedhof beschrieben und nicht fotografiert. Zwischen dem Wort und einer realistischen Fotografie gibt es einen großen qualitativen Unterschied.
    Das Elend nicht fotografieren, heißt nicht, seine Augen davor verschließen.

    Hier nun der Text von damals:

    Zunächst jedoch ein Zitat des englischen Malers Francis Bacon, der auf die Frage, warum er den Menschen in solch "zerstörter" Form gemalt habe, antwortete:

    „To bring back in painting the shock, the shock you get from reality.“

    ***

    Auf dem Weg zur Bruce-Nauman-Ausstellung im Städel, noch im Bereich des Hauptbahnhofes in Frankfurt, musste ich, aus der Unterführung kommend, zwischen Fixern eine Treppe hinaufsteigen. Einige davon gaben sich gerade einen „Schuß“ in den Unterschenkel. Abgemagerte, hagere Gestalten, die ihre Wunden offen im Gesicht trugen, weggetreten aus dem Leben, das in sich versunkene Elend, autistisch aus Abhängigkeit. Mein erster Impuls war, die Menschen auf der Kaiserstraße zusammenzurufen, um dieses Elend wegzuzaubern, ungeschehen zu machen. Die später gesehenen Arbeiten von Bruce Nauman im Museum kamen in ihrer Stärke gegen meine Bedrückung nicht an, sie verblassten für mich an diesem Tag in ihrer Wirkung, und ich dachte mir, die Realität ist oft grausamer und schockierender als die Naumansche Darstellung der Gewalt in der Kunst. Wollte man wirklich schockieren, müsste man die Fixer bitten, während der documenta auf der Treppe des Fridericianums herumzuliegen – das Heroin aus dem documenta-Etat finanziert. Statt der Wachsfiguren des Duane Hanson das Leben selber, bleich und ausgemergelt. Wäre der Kunstbetrieb wirklich soweit pervertiert, dass es nur noch um Sensationen ginge, dann wäre ein Drogentod inmitten der kunstinteressierten Massen das Äußerste an Zynismus und doch bliebe es noch hinter den täglichen, realen Grausamkeiten, die Menschen anderen antun, zurück. In der Kunst geht es also nicht um den Schock der Realität, sondern um den durch die künstlerische Arbeit sublimierten. Da aber die Wirklichkeit härter ist, lässt sich sagen: Wer durch Kunst sich schockieren lässt, hat das Leben noch nicht begriffen.
  • Michael Weyl 14/09/2005 20:19

    vielleicht verstehe ich gerade etwas nicht richtig. Aber geht es wirklich nur um den abgebildeten Menschen? Die Betonung liegt auf dem "nur".
    Die meisten der hier angeführten Punkte kann ich unterstützen oder nachempfinden. Mein Schamgefühl bleibt, geichzeitig hat Kathy genau das ausgesprochen, an das ich bei diesen Bildern so oft denken muß ... "Vietnam Napalm" oder der Kopfschuß (wiederkehrendes Bilddokument aus jedem Krieg seit Erfindung der Reportagefotografie). Diese Vergleiche sind hart, sicher auch nicht direkt vergleichbar aber trotzdem in der Gattung "menschliches Elend" beheimatet.
    Ich habe das Bild veröffentlicht, das Elend, den Tod durch den Begelittext unterstrichen und erst am Ende der Diskussion eine Aufklärung eingestellt, daß es sich um eine gestellte Situation handelt. Sicher, auch hier wird wach gerüttelt und mit Emotionen gespielt um Reaktionen hervorzurufen.
    Wie passt das zu dem Bild von Klaus? Beide Bilder machen Aufmerksam und rufen eine im Kopf verdrängte Wahrheit in das Bewußtsein.
    Das ist Sinn und Stilmittel der Fotografie! So soll und muß es sein!

    In dieser Diskussion möchte ich gerne das Augenmerk auf eine Tatsache lenken, die heute sehr oft bei Bildern vergessen wird, "es ist doch nur ein Foto", und dabei und damit wird das Anrühren, die Emotion beiseite geschoben.
    Gute Bilder lassen dieses Beiseiteschieben nicht zu.
    Wenn der Fotograf hierbei noch respektvoll mit den abgebildeten Personen umgeht, das einfache Abschießen und Effekthaschen sein läßt, dann ist es ein sehr gutes Foto ud das "nur" entfällt.
    Und jeder Fotograf muß sich dem Betrachter stellen. Auch die Betrachter können durch ein Bild "mißhandelt" werden. So etwas empfinde ich immer dann, wenn ein Obdachloser in seiner Armut auf einem Bild direkt in das Auge des Betrachters blickt.

    Warum schreibe ich das jetzt alles?
    Das Bild von Klaus erzeugt in mir ein unangenehmes Gefühl. Ich möchte wegsehen und Klaus zwingt mich durch das Bild zum Hinsehen. Ok, ich muß damit umgehen. Angegriffen fühle ich mich nicht.

    Oben wurde etwas von "Scham überwinden" geschrieben. Mag sein, aber nur, wenn es ohne das Begelitwort "muß" steht. Ich muß nicht, ich kann die Scham überwinden.

    Und immer wieder "kommt es ganz darauf an" ... so auch bei Rollstuhlfahrern, bei Behinderten, bei Menschen im Ausnahmezustand. Somit schließ sich der Kreis. Erweitern möchte ich es um Situationen im Ausnahmezustand.
    Vor einer Woche stand ich auf einem Friedhof. Auf einem Grab war eine riesige, gewaltige Sonnenblume gepflanzt. Eine Art Zeichen, ein Symbol. Das Motiv war wundervoll, schön, einprägsam. Ich habe es nicht fotografiert ... Ausnahmezustand.

    Viele Grüße
    Michael
  • † Klaus Baum 14/09/2005 20:09

    @tilla: danke für den tipp. ich habe mir das buch soeben bei booklooker bestellt. dort gibt es noch mehrere exemplare. zwei davon für 7 euro.
  • Kathy Rett 14/09/2005 19:44

    @Tilla: ich kann dir die Bilder leider nicht mehr raussuchen. Aber es ging definitiv um "so etwas überhaupt zeigen".
    Ja, Klaus hat Respekt gezeigt. Das ist gut so.
    Wir, die wir hier unter dem Bild stehen zeigen alle Respekt. Vielleicht reden wir auch jetzt aneinander vorbei. Ich meine einfach, dass wir nicht die Augen verschliessen sollten. Und ich gehöre nicht zu den von dir angesprochenen Individuen...;o)
    Lieben Gruß
    Kathy
  • Die siebente Werbepause des Weltuntergangs 14/09/2005 19:43

    Letztlich geht es wohl immer um die Erhaltung der Menschenwürde der fotografierten Personen. Ob die respektiert wurde oder nicht, darüber werden verschiedene Menschen immer verschiedener Ansicht sein. Je "unwürdiger" die Situation des Portraitierten ist, desto kniffliger wird die Sache natürlich, einerseits werden Stimmen laut, die die Menschenwürde verletzt sehen, andererseits wird auch Lob für den Mut den Fotografen ausgesprochen, sich mit der Materie auseinanderzusetzen und darauf hingewiesen daß diese Auseinandersetzung auch notwendig ist, da Fotografie nicht generell eine rosarote Brille tragen darf.
  • Kathy Rett 14/09/2005 18:31

    Ich habe eine ähnliche Diskussion schon einmal verfolgt. Da waren allerdings radikale Gegner der Bettel-Fotografie zu Gast.
    Was mir dazu immer einfällt ist (und es wurde von Klaus auch angesprochen): warum wollen wir die Augen verschliessen? Das, was wir hier sehen ist die nackte Realität.
    Warum darf man das nicht zeigen? Weil es uns ein unwohles Gefühl im Magen bereitet? Weil wir es hier nicht sehen möchten? Ist es wirklich herabwürdigend? Wer Dokumentation machen will, muß, denke ich, diese Grenze überschreiten.
    Wer kennt nicht das Bild von Nick Ut (Huynh Cong) "Vietnam Napalm". Schrecklich, aber real.
    Leben wir in so in unserer heilen Welt, dass wir Unwohlsein erfahren, wenn wir solche Bilder sehen?
    Die Antwort ist ja. Und das ist gut so.
    Zur Erinnerung.
    Nicht jedem geht es so gut wie den meisten hier.
    Nur meine persönliche Meinung.
    Gruß Kathy
  • Die siebente Werbepause des Weltuntergangs 14/09/2005 16:36

    Ich empfinde das Bild als sehr hart. Die Rampe der Brücke (?) scheint die Bettlerin niederzudrücken, zumindest am Aufstehen zu hindern. Der Schritt des Mannes wirkt sehr zielstrebig, er wird wohl nichts geben, ist mit dem mühsamen Schleppen seiner Sonnenbrille beschäftigt.
    Die meisten von uns kennen diese Situation wohl aus der Sicht des Passanten. Dieses Bild lädt aber dazu ein, aus der Sicht des Bettelnden zu sehen, was natürlich nicht angenehm ist, aber sicher nicht schadet.

    Ich habe schnell mal gekramt und zwei Bilder gefunden, die nicht ganz so dicht dran sind wie die oben verlinkten.