Dem Pol entgegen - Teil V

Dem Pol entgegen - Teil V

Wie Ihr Euch erinnert, pfiff ein eisigkalter Sturm über die Plaine der Arktis, wo unsere Nordpolexpedition notgelandet war und nach einem anstrengenden Marsch im Windschatten eines riesigen Eisdomes Schutz fand.
Alsbald war das Notzelt aufgeschlagen, der Brenner angeworfen, ein Süppchen gekocht und ein Grog zubereitet. Leider mußten sie dabei auch feststellen, daß sie nicht nur die Fahne und Fahnenstange sondern auch die Heizdecken und die Steckdosen dazu im im Vereinsheim von Drüpplingsen vergessen hatten. Doch eine weitere Fuhre Grog erleichterte das Ertragen der Notlage und dann noch eine und noch eine. Bei der fünften Fuhre kamen ihnen sogar warme Gedanken, und es erklangen, erst leise, dann laut, denn die Frauen zu Hause und die Sponsoren hörten sie ja nicht, schweinische Lieder.
Im Tagebuch der Expedition ist davon allerdings nichts zu lesen.

Hans, der wißbe- und neugierigste der Mannschaft verließ das Zelt und erkundete den Dom. Eine Stunde später kam er zurückgerannt und rief "Ihr müßt mal kommen, so kommt doch schnell! Das glaubt Ihr nicht!"
Sie ließen alles stehen und liegen, tranken nur noch die Becher aus und folgten ihm.
Und was sahen sie da?
Das, was Ihr jetzt auch seht.
Ein riesiges Kristallgewölbe. Der blitzblanke Boden, blitzblanker als der in der Eremitage von St. Petersburg, ging nahtlos in die Wände über, wo gigantische Kristallsäulen ganz hoch oben über ihnen eine spiegelnde Decke hielten und trugen.

Sie konnten sich nicht sattsehen an der Pracht, drehten sich um sich, schlinderten über den glatten Boden, legten den Kopf in den Nacken und sahen dort oben dick eingemümmelte Männer. Sie winkten hoch, die winkten zurück, sie riefen hoch, die riefen zurück. Es war eine Winkerei und Ruferei hin und her, bis sie begriffen, daß sie selbst es waren, die dort oben runterschauten und ihnen zurückwinkten und riefen. Das taten sie ausgiebig, denn sonst tat es ja keiner. Im Dom hallte es wie auf einem Volksfest.

Doch der Expeditionsleiter gebot dem Einhalt. Ihm war ein Gedanke gekommen.
Was hatten sie da entdeckt? Das war doch nicht am Ende der sagenumwobene Kristallpalast, von dem so viel geredet wurde, denn aber noch nie jemand gesehen hatte? Zumindest keiner, der noch lebte. Vom dem man sich die abenteuerlichsten und gar schauerlichsten Geschichten erzählte. Auf dem, so sagten manche. aber nur flüsternd,
sogar ein Fluch liege.
Auf einmal wurden alle sehr ergriffen und still.
Auch diese Stille hallte durch den Raum, langgetragen wie das eingestrichene gis des Orgelstücks ASLSP von John Cage in der St.-Burchardi-Kirche zu Halberstadt.




Was bisher geschah: