entmystifizierender Alltagsbeginn eines desillusionierten Reisenden
es dürfte kaum eine trostlosere Vorstellung für einen Reisenden geben, als mit zehnstündiger Verspätung (einer der üblichen, unkalkulierbaren und jeweils überschaubar befristeteten "generellen Streiks" hatte mal wieder das gesamte Transportwesen in Bihar, Orissa und Bengalen lahmgelegt) nachts um zwei in die Howrah-Station einzulaufen. Irgendwie bringt der Reisende, ohnehin bis an die Belastungsgrenze übermüdet von 2.600km Nonstopfahrt aus dem Süden, die Zeit herum und sehnt die frühmorgendliche Öffnung der Chaibaracken am Hooglyufer herbei. Beinahe paralysiert trinkt der Reisende dampfenden Tee, registriert nur beiläufig, daß die Angestellten der Baracke, sich in löchrigen Unterhemden gerade von ihren Schlafmatten am Boden schälend und das offene Feuer in der Küche anheizend, sich interessiert zu ihm setzen, wieder und wieder neuen Chai vor ihm abstellen, der mechanisch, aber mit Dank angenommen wird und schließlich das erste Omelett des Tages.
Als er die Pontonbrücke betritt, um die erste Fähre hinüber über den Fluß, der längst keine mystische Verklärung mehr erfährt, in Richtung der großen Bushaltestellen am Maidan zu nehmen, eine schnelle Aufnahme der noch im Nebel liegenden Howrah-Bridge, dem Wahrzeichen dieses urbanen Molochs.
Langsam, der Tag hat sein Tempo noch nicht aufgenommen, dringt das Licht durch bis auf den Uferschlamm und die darin vertäuten Hausboote. Schließlich findet er den ersten Bus, der ihn weitere 580 km auf überfüllten indischen Überlandstraßen in den Norden in Richtung Himalaya bringen wird, seinem eigentlichen Ziel.
Aber auch dieser wird seine avisierte Reisezeit leicht um mehrere Stunden überschreiten und dem Reisenden noch einmal alles abverlangen - aber dies weiß dieser zu diesem frühen Zeitpunkt des Tages noch nicht und hat längst den entspannenden Anblick hoher und Ruhe versprechender Bergpanoramen vor Auge....
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Kolkata (ehem. Calcutta), West-Bengal(India) Nov. 2007 - Fuji Velvia100, Scan vom Dia
OmaRie 22/03/2008 14:06
....was sind schon 89 Stunden........... das ist ungefähr die Zeitspanne, bis mein Flieger geht. Ich werde von nun ab also versuchen, Deine Tour nachzuempfinden.
Olli
Olaf Rocksien 22/03/2008 8:12
Danke allen!Die Tour, letztlich waren es unerwartete 89 Stunden nonstop, war ja freiwillig und letztlich wird man auf jedem absolvierten Meter auch entschädigt - und der Chai war köstlich..... ;-))
Andreas Beier Fotografie 22/03/2008 7:12
nachtrag, sehr gute infos zum bildAndreas Beier Fotografie 22/03/2008 7:11
sehr gute stimmung... bildaufteilung mag ich auch sehrSven Freiburg 21/03/2008 14:09
in der ruhe liegt die kraft**
Heidi Roloff 21/03/2008 13:58
Und dennoch - dieses Foto strahlt die Ruhe eines frühen Morgens aus uns läßt von Deinen Strapazen nichts erahnen. Wenn da nicht der Text wäre...Ich wünsche Dir streßfreie Ostern !
Heidi
Mad Moiselle 21/03/2008 10:31
wunderbar entmystifiziert :) und mit dem text ein nanobyte remystifiziert...sheigha 21/03/2008 10:19
aber das sind die momente an die man sich in jedem fall erinnert. und rückblickend trotz den strapazen meist gut ;)Grüße fabian
I. Schwarz 21/03/2008 9:53
sehr schöne Doku, toll präsentiert!!VG,
Ingolf
Gio il Cagliaritano 21/03/2008 9:23
Bravo Olaf, bellissim riflessi