Lange Haare, gut geschützt: Speckkäferlarve (Ctesias serra)
Einen deutschen Namen hat der zu den Speckkäfern (Dermestidae) gehörende Ctesias serra nicht, im Englischen wird er gemeinhin Cobweb Beetle genannt, Spinnennetz-Käfer. Die Larve ist darauf spezialisiert, in den Netzen von Spinnen nach Nahrungsresten zu suchen, die diese auf oder unter der lockeren Rinde älterer Bäume weben. Vereinzelte Beobachtungen deuten darauf hin, dass sie auch unter der Rinde abgelegte Eier von Schmetterlingen fressen. Tagsüber bewegt sie sich kaum und geht erst nachts auf die Nahrungssuche. Zahlreiche Spinnen weben dort Netze, die oft nicht nur dem Beutefang, sondern auch als Unterschlupf dienen, insbesondere im Winter; andere wiederum überziehen die Borken außen mit feinen, kaum sichtbaren Netzen oder Fäden. Alles, was darin an für die Spinne unverdaulichen Überbleibseln einschließlich den Häutungs-Exuvien zurückbleibt, ist für die Käferlarve interessant. Selbst wenn sich die Spinne mit ihrer Beute in den Schlupfwinkel zurückzieht, scheint diese vor dem Käfer nicht sicher zu sein.
Die Larve ist dank ihrer langen, abstehenden Haare, die ihr ein raupenähnliches Aussehen verleihen, fast gänzlich sicher vor Spinnenattacken. Die vier paarweisen Haarbüschel am Körperende (jeweils hinter den Tergiten IV bis VII) sind gut beweglich, die Larve kann ihren Hinterleib bis über den Kopf nach vorn biegen, im Notfall die mit Widerhaken versehenen Haare abwerfen und so den Angreifer verwirren. Bei einem Angriff kann die Larve zudem ihren Hinterleib schnell vibrieren lassen, was die überwiegend blinde und auf Schwingungen reagierende Spinne zusätzlich irritiert und desorientiert.
Die bis 5 mm großen, einfarbig dunkelbraunen Käfer erscheinen zwischen Mai und August; sie sind noch schwerer zu finden als etwas längeren Larven. Sie halten sich meistens in der Nähe ihrer Brutbäume auf, die sie als lokale Population manchmal für viele Jahre besiedeln können; ihre Ausbreitungsgeschwindigkeit dürfte extrem niedrig sein. Die Nahrung der Käfer besteht aus Pflanzensäften, insbesondere von den aus Verletzungen der Transportgefäße austretenden Flüssigkeiten der Bäume, wohl aber auch Blütennektar. Nach der Eiablage im Spätsommer entwickeln sich die Larven über 5 Stadien und überwintern im letzten, in seltenen Fällen auch schon als Puppe. Erst im April des folgenden Jahres verpuppen sich die Larven innerhalb ihrer Hülle, die dank der starken Behaarung der weichhäutigen Puppe einen gewissen Schutz vor Feinden, etwa Raubmilben, verleiht. Der Käfer hat also einen (sehr wahrscheinlich) univoltinen Lebenszyklus, wobei die Larven etwa drei Viertel des Jahres und damit drei Viertel ihrer Lebenszeit beanspruchen.
Im Gegensatz zu vielen anderen Speckkäfern tritt Ctesias serra nie als Schädling auf. Er kann zwar durchaus in Parks und Gärten gefunden werden, wenn die Lebensbedingungen dort günstig sind (allerdings wird man im besiedelten Raum nicht allzu oft Bäume mit sich ablösender Borke finden, weil das ein Zeichen für abnehmende Vitalität und damit ein Warnsignal für die Verkehrssicherheit ist), er dringt aber nie in Häuser ein.
Sein Verbreitungsgebiet umfasst die gemäßigten und mediterranen Gebiete Europas und Nordwestafrikas; es reicht im Osten bis in den Kaukasus und nach Westsibirien. Ob die Art eher selten ist oder wegen ihrer versteckten Lebensweise (nur) selten gefunden wird, muss sich noch zeigen. Sie dürfte aber an ältere Waldhabitate und Baumbestände gebunden sein, die dauerhaft genügend absterbendes und totes Holz hervorbringen. Und davon gibt es leider nicht mehr sehr viele.
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