Runzelkorn


Premium (Basic), España

Ob wir entkommen sind, ich weiß es nicht...

Die Uhr zeigte kurz vor Fünf. Trübe dämmerte der Morgen vor sich
hin und verkroch sich gähnend immer wieder in seinem feuchten Bett.
Standhaft weigerte er sich, pflichtdurstig sein Tagewerk zu beginnen,
während sich die kurvige Straße mühsam von Beniaján nach La Alberca
schlängelte. Unseren rostbelaubten R4 kümmerte das wenig. Fröhlich
knatterte er durch den jungen Tag, ohne Rücksicht auf all die schlafen-
den Hunde rundum, deren Nacht nun beendet war, noch bevor die
Hähne munter krähen konnten. Doch das war ein furchtbarer Fehler.
Ein leises Knarren wisperte durch die fast noch dunkle Nacht, einen
Spalt weit öffnete sich die eiserne Kirchentür auf dem Berg dort oben,
und ein dunkler Schatten quoll aus dem schwarzen Loch des Kirchen-
schiffs, das ehedem den Mauren als geheiligter Ort für ihre Gebete galt,
und drängte sich in den beginnenden Tag. Hartnäckig heftete
sich der schattige Kapuzenmann an die fröhlichen Fersen unseres
französischen Autos und ließ nicht mehr los. „Wartet auf mich, so
wartet doch“, lockte der schwarze Abt gierig mit seinem knochigen
Bischofstab, während aus seinem kahlen Mund blutrotes Wasser rann.
Entsetzt gaben wir unserem treuen R4 gehörig die Sporen. Doch ob
wir entkommen sind, ich weiß es nicht. Vielleicht ist all das hier nur
noch ein Traum, ein Traum voller Lug und voller Trug...

(Alte Geschichte, neues Gewand)

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