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Harald Finster


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Wurth-Verschluß

Wurth-Verschluß von Ofen 6 des Corus/Tata Stahl- und Hüttenwerkes in IJmuiden (Holland).
Früher bestanden Hochöfen einfach aus einem Brennschacht, in den von unten Luft eingeblasen wurde und die von oben über die 'Gicht' mit Erz, Koks und Zuschlagstoffen beschickt ('begichtet') wurden. Das im Prozess entstandene Gas entwich oben in die Atmosphäre.
Da das Gichtgas wertvolle Bestandteile enthält, ging man später dazu über, den Ofen oben abzuschließen und das Gas mit gewaltigen Gichtgasrohren aufzufangen, um es beispielsweise zum Antrieb von Gasmaschinen nutzen zu können. Das Problem war nur: wie fülle ich den Ofen mit Rohmaterial ohne daß dabei Gas austritt? Die Lösung war der Doppelglocken-Verschluß, bei dem das Möllergut durch eine durch zwei Glocken abgeschlossene 'Schleusenkammer' in den Ofen eingebracht wird.
Mit zunehmender Grösse und Leistung der Hochöfen zeigten sich die Grenzen dieses Systems. Der für die Firma Paul Wurth tätige Ingenieur Edouard Legille entwickelte Anfang der 70er Jahre einen neuartigen Verschluß, der aus zwei nebeneinander liegenden Schüttguttrichtern besteht. Dieses Prinzip hat sich inzwischen durchgesetzt und wird bei den meisten modernen Hochöfen eingesetzt.
http://webplaza.pt.lu/public/rleick/gichtverschluss.html
Als ich im August 2006 erstmalig das Corus Hüttenwerk in IJmuiden besichtigen durfte, waren die Vorbereitungen zum Umbau des Ofens Nummer 7 vom Glocken- zum Wurth-Verschluß im vollen Gange. Der zuständige Ingenieur zeigte mir damals den in einer Halle auf seine Montage wartenden Wurth-Verschluß, der dann Ende 2006 mit einem riesigen Kran auf den Ofen gesetzt wurde. Als ich das Werk dann zum Zeitpunkt dieser Aufnahme im Juni 2007 erneut besuchte, konnte ich den alten Doppelglocken-Verschluß am Rande des Werkes als riesiges 'Denkmal' besichtigen.

Linhof Technikardan S, Schneider Super Symmar 110/5.6 XL Ilford FP4+ 4"x5" ID-11

Commentaire 13

  • D.R. Dark 23/07/2011 8:09

    Paul Wurth ist natürlich immer noch ein großer Name im Bereich der Stahlindustrie. Ich habe in IJmuiden die Vorbereitungen zum Austausch des alten Doppelglockenverschusses gegen einen Wurth Verschluss mitbekommen. Bei der Gelegenheit wurden auch die riesigen Dimensionen der Anlagenteile deutlich.
  • Guelff Guy 21/07/2011 14:01

    Schöne Aufnahme mit einem Hochofen Verschluss der Firma Paul Wurth. In den 80ger Jahren war die Firma Paul Wurth schon in China tätig und dort wurden schon etliche Hochofen mit dieser Technik ausgestattet. Der Name Paul Wurth ist in allen Geschichtsbücher der Stahlindustrie wieder zu finden und auch er hat schon 1898 den ersten Vertrag mit Henry Grey unterschrieben. Heute ist die Grey Walzstraße aus Differdingen noch immer in Betrieb nach mehr als 100 Jahren, auch wenn sie mehrere Male modernisiert wurde.

    Mfg. Koordinate.
  • H.F. Bright 31/03/2008 15:32

    Top ++++++++

    Nach dem Foto kann jetzt das Objekt endlich abgebrochen werden.

    Suuper....
  • Thom Wirtz 29/03/2008 17:06

    Gefällt mir, sehr kontrastreich!
  • Martin -W- 23/03/2008 22:23

    Sehr lehrreich!
  • Hans Niemann 23/03/2008 10:57

    Nicht nur gutes Foto, man lernt auch noch viel dazu.
    Schön das sich Menschen auch für diese Technik begeistern.
    LG Hans
  • Petra Sommerlad 22/03/2008 21:08

    Eine ausgezeichnete Aufnahme, und ein unglaublich prägnanter und informativer Text. So kann man Deine Bilder auch dann verstehen wenn man nicht unbedingt in einem Hüttenwerk aufgewachsen ist und nur wenig darüber weiß. LG Petra
  • Andreas Beier Fotografie 22/03/2008 20:20

    starke infos zum hammer bild
  • Harald Finster 22/03/2008 19:10

    Danke für die Info, Oliver. Ich muß zugeben, daß ich da nicht so ganz auf dem Stand der Zeit war.
    Gruss Harald
  • Harald Finster 22/03/2008 15:50

    Vielen Dank für Eure Kommentare!
    @Armand: ich denke mal, dass das 'kleine' Luxemburg in Sachen Stahl- und Eisenindustrie Enormes geleistet hat. Leider werden diese Leistungen kaum gewürdigt. Von den einst zahlreichen Eisenerzgruben, Hütten und Stahlwerken Luxemburgs und ihrer Infrastruktur ist ja heute so gut wie nichts mehr zu sehn. (Mal abgesehen von den beiden Öfen in Esch.)
    @Kai: ich denke auch, daß man nicht im jeden Preis entzerren muß. Hier hätte das Objektiv das zwar noch erlaubt, aber so wirkt es m.E. stimmiger.
    @Wolf: ich muß zugeben, dass ich das Prinzip des Wurth-Verschlusses auch erst bei meinem ersten Corus Besuch kennengelernt habe.
    Es war schon ein ganz besonderes Erlebnis, dort von einem Ingenieur geführt zu werden, der das 'Eisen im Blut' hat und mit unglaublicher Liebe und Hingabe seine Arbeit tat. Privat interessiert er sich auch für 'richtig alte' (also noch komplett gemauerte) Hochöfen.
    In IJmuiden werden auch immer wieder neue Verfahren ausprobiert, um die Leistung der Öfen zu steigern, möglichst günstige Einsatzstoffe zu verwenden und zugleich umweltfreundlich arbeiten zu können.
    So wird hier beispielsweise ein relativ hoher Anteil an Kohle eingeblasen. Ausserdem setzt man dem Ofenwind Sauerstoff zu, um bei gleichbleibendem Ofenvolumen eine höhere Produktivität zu erzielen.
    Ich hoffe, man merkt meinen Kommentaren an, daß ich von diesem Betrieb und seinen Mitarbeitern total begeistert bin ;-)
    Gruss Harald

  • Niko Cobben 22/03/2008 13:25

    Sehr schönes Detail; und ich habe wieder etwas dazu gelernt!
    Niko
  • Zelluloidfreak 22/03/2008 10:38

    Sehr guter Einblick (und mal wieder nicht entzerrt, paßt aber gut zu der Blickrichtung und den Dimensionen finde ich).

    Ciao, Kai
  • Armand Wagner 22/03/2008 9:58

    deine Bilder gefallen mir an sich ja schon - sehr gut - !

    wenn es sich dann auch noch um eine Erfindung
    eines Landsmannes handelt, die du so gekonnt
    präsentierst, kommt auch noch ein wenig - Stolz - auf :-))
    danke, Harald, für das Foto und , für die ausgiebige
    Erklärung !
    dir und deinen Liebsten ein wunderbares Osterwochenende
    Armand