Einbrecher und Hausbesetzer: Töpfergrabwespe
Bei der Wahl ihrer Nistmöglichkeiten ist die Töpfergrabwespe (Trypoxylon figulus) nicht wählerisch, nur: im Gegensatz zu den meisten anderen Grabwespen gräbt sie eben nicht selbst. Alles, was irgendwie löchrig oder hohlräumig erscheint, kommt potenziell in Frage – hohle Pflanzenstängel, lockermarkige oder marklose Gehölze wie Holunder und Brombeere, alte Bohrlöcher anderer Insekten in Bäumen, Holzpfählen und Fachwerkbalken, natürlich verwitterte Baumstämme und Stubben, das Ried der Schilfdächer.
In den Hohlräumen legt sie die Nahrung für ihren künftigen Nachwuchs ab. Es sind ausschließlich Kleinspinnen verschiedener Familien, meistens Kugelspinnen und Baldachinspinnen, was aber möglicherweise an der Häufigkeitsverteilung und den Abundanzen dieser Spinnenfamilien liegt. Jede Brutkammer rüstet sie mit mehreren Spinnen aus (2 bis 30, im Durchschnitt 10), legt ein Ei dazu und verschließt die Kammer mit einer dünnen Lamelle aus Lehm. Daran schließt sie die nächste Brutzelle in gleicher Weise an. Dank der schnellen Entwicklung kann die Grabwespe zwischen 2 und 4 Generationen pro Jahr hervorbringen.
Im Bild hat ein Trypoxylon-Weibchen das Nest der Gelben Schornsteinwespe (Odynerus reniformis) okkupiert (Biosphärenreservat Südost-Rügen, Kleiner Zicker bei Thiessow). Wie ein langjährig dort tätiger Kollege beobachtet hat, bezieht die Grabwespe nicht etwa eine leerstehende, sondern eine gerade fertiggestellte und bereits mit Nachwuchs belegte Röhre. Das Weibchen geht dabei offenbar ziemlich rabiat vor, indem es die Schornsteinwespen-Larven samt Nahrungsvorrat aus ihren Zellen zerrt und aus der nach unten gerichteten Öffnung fallen lässt. Die Schornsteinwespe verproviantiert ausschließlich Rüsselkäfer *, mit denen die Grabwespe nichts anfangen kann – also weg damit. Im Bild landet das Weibchen mit einer kleinen Lehmkugel zwischen den Vorderbeinen am Eingang der Röhre, um mit dem Material eine fertig gestellte Brutkammer zu verschließen.
Die freigeräumte Wohnung an einer Lehmwand am Greifswalder Bodden hat einen weiteren Vorteil. Zumindest einige der bei Trypoxylon parasitierenden Insekten wie die Goldwespe Trichrysis cyanea oder die Fleischfliege Metopia argyrocephala** sind ihrem Wirt hierher (noch) nicht gefolgt.
* hier die Schwesterart Odynerus spinipes: https://www.fotocommunity.de/photo/odynerus-spinipes-9208-weisswolf/45450325
** https://www.fotocommunity.de/photo/silberkopf-fleischfliege-metopia-argyroce-weisswolf/45983055
dadoxylon 16/01/2022 17:26
Ein erstklassiges Makro mit guter Beschreibung!Gruß Jens