302 Aus der Dunkelheit heraus
Die Ansicht des Erkers aus einer extremen Perspektive. Er befindet sich an der östlichen Ecke des Coburger Rathauses am Marktplatz in der Innenstadt.
Insgesamt befanden sich bis zum 17. Jahrhundert in der Coburger Innenstadt 5 Erker, die alle die gleichen Merkmale aufwiesen: eine tragende Säule an der Hausecke, eine zweistöckige Erkerkonstruktion mit einer abschließenden welschen Haube. Den Rathauserker erschuf der Baumeister Hans Schlachter im Jahr 1575.
Aufgenommen am 24.04.2019.
Glimpflich ist auch die Bilanz der Kriegsschäden Coburgs:
Neben den abgeworfenen Brand- und Sprengbomben feuerte man etwa 1000 Panzer- und Artilleriegranaten auf die Stadt ab. Es kamen bei diesen Angriffen zwischen 45 und 51 Coburger und 74 Zwangsarbeiter aus Osteuropa ums Leben.
4% der Coburger Wohnfläche galt als zerstört: 44 Häuser dem Erdboden gleichgemacht,112 Häuser schwer und 328 Häuser leicht beschädigt. Auch gegenüber von unserem Haus am Unteren Bürglaß schlug eine Bombe ein, und zerstörte die oberen Stockwerke komplett. Wir hatten großen Glück: die Bombe fiel auf unserer Straßenseite auf die Hauskante neben unserem Haus, wurde abgelenkt und schlug auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein, wo sie detonierte.
Glimpflich, wenn man auf Städte wie Dresden, Köln, Hamburg oder Nürnberg schaut. Man munkelt auch, dass Coburg nur die verwandtschaftlichen Beziehungen zum englischen Königshaus vor Schlimmeren bewahrt haben.
Man sieht:
Das Coburger Rathaus hat, schon allein nur durch die Ereignisse im 20. Jahrhundert, viel gesehen und viel erlebt. Die Vorkriegszeit und der Krieg waren eine Zeit des Umbruchs, die viel Leid über die Menschen gebracht hat. Meine Familie hatte Glück: Mein Vater war zwar noch im sogenannten „Jungvolk“, aber als der Krieg zu Ende ging, blieb ihm ein Einsatz zur Verteidigung der Heimat „bis zum letzten Blutstropfen“ erspart. Ich muss dabei immer an den Film aus dem Jahr 1959 von Bernhard Wicki, „Die Brücke“ denken. Mein Vater war bei den Geschehnissen im April 45 gerade 14 Jahre alt. Ich selbst habe den Krieg nicht aus eigenen Anschauungen kennenlernen müssen. Geboren 1957, in die Zeit des „Wirtschaftswunders“ kenne ich die Geschichten nur vom Hörensagen. Dennoch habe ich ein starkes Interesse an diese Zeiten, gerade in Verbindung mit meiner Heimatstadt. Es ist wichtig, sich mit seiner Vergangenheit, auch mit einer ungeliebten, auseinanderzusetzen. Wichtig um verstehen zu können, um zu versuchen, um zu mahnen, dass so etwas nie wieder passiert. Und wichtig, um Toleranz zu entwickeln, Toleranz und Achtung vor Andersdenkenden. Aber auch wichtig, um Grenzen zu setzen, „Nein“ sagen zu lernen. Gerade zeigen sich leider wieder viele Strömungen, die in die falsche Richtung führen.
Es hat auch lange gedauert, bis sich Coburg öffentlich aufgerafft hat, seine dunkle Seite der Vergangenheit aufzuarbeiten. Man arbeitet hier wohl auch immer noch daran.
Ein prima Teil der Aufarbeitung ist auf der Seite der Stadt Coburg über diese unselige Zeit zu finden.
Mit meinem Bericht kratze ich gerade einmal an der Oberfläche dieser Ereignisse. Es war schwierig, diese kurz und knapp und trotzdem chronologisch zu halten.
Wer deshalb Lust und Interesse hat, sich weiter in diese Materie zu vertiefen, an dieser Stelle zwei Links, einer zur städtischen Seite, ein weiterer zu eine Seite aus einer Facharbeit eines Schülers am Gymnasium Albertinum aus dem Jahr 1996 im Fach Geschichte:
https://www.stadtgeschichte-coburg.de/blog/category/alle-artikel/stadtgeschichte-coburg/politische-entwicklung/coburg-1918-bis-1945/
https://www.complifiction.net/wp-content/uploads/2012/03/Coburgs-Weg-ins-Dritte-Reich.pdf
anne47 12/08/2021 22:56
Eine sehr außergewöhnliche Perspektive, die aber große Wirkung zeigt.Die Beschäftigung mit der Vergangenheit ist wichtig, auch wenn man selbst nicht daran beteiligt war, aber die Nachwirkungen hat die folgende Generation auch noch miterlebt. Die Generation meiner Eltern hat ja nie über diese Zeit geredet, man musste selbst tätig werden, um zu erfahren, was geschehen war und man wird nie alles aufdecken können.
Gerade läuft im TV eine Sendung über den Vietnam-Krieg, da passierte auch viel Unrecht und die Menschen leiden heute noch darunter.
Danke für deinen ausführlichen Bericht.
LG Anne
André Reinders 11/08/2021 18:00
Der Blickwinkel macht das Foto so interessant, das Motiv verschwindet im Dunkel. Toll so!!LGAndré
Bruno jost 11/08/2021 17:47
in der Dunkelheit und mit dieser eindrucksvollen Perspektivehast Du ein tolles Foto gemacht
die Farben sind klasse !
lG Bruno