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Sighard Schraebler


Free Account, Frankfurt am Main

Das Zentrum

Gut denn, fangen wir mal mit den kurzen Brennweiten an (85mm gilt zwar unter Fotografen als Teleoptik, ist für Astrofotografen jedoch kurz) und behalten die richtigen Kracher bis zum Schluss in der Schublade. Das Problem mit den richtig tiefen Aufnahmen ist, dass nur die Experten beeindruckt wären, weil jedem Normalbürger schlicht der Maßstab fehlt, wenn es um Milliarden Lichtjahre geht, sowohl was die Entfernung an sich angeht, als auch den gerätetechnischen Aufwand betreffend. Bleiben wir bei also erst einmal bei dem, was auch das Auge sieht, und es sieht weit, auf diesem Bild, etwa bis zu 30.000 Lichtjahre. So weit ist es von hier bis zum Zentrum unserer Milchstraßen-Galaxie, das übrigens nicht dort liegt, wo es im Bild am hellsten ist, sondern sich etwas daneben, hinter dunklen Molekülwolken versteckt. Diese Dunkelwolken sind ein ganz charakteristisches Merkmal, wie das Universum im sichtbaren Licht aussieht: Ständig versperren irgend welche Wolken die Sicht. Mal ganz nahe, mal ganz weit entfernte.

Das nenne ich Quellenkonfusion! Martin würde sagen, das bruzzelt ja nur noch: Im Bildbereich gibt es bestimmt über eine Milliarde Sterne zu sehen (ich weiß, andere brauchen hunderte davon in diesen Tagen, mir gefällt aber schon diese eine), aber wie auch immer - so viele Pixel hat das Bild überhaupt nicht, nicht mal im Original, da hilft auch nicht, dass jeder Stern auf das Pixel genau scharf ist und die Kamera Millionen davon besitzt. Die Kamera kann es prinzipbedingt genau so wenig auflösen wie das Auge, die Milchstraße mit ihrem zentralen Bulge erscheint in Form von Sternenwolken, durchbrochen von Dunkelwolken, farbigen Gasnebeln und Sternhaufen. Und auch wenn der Schluss nahe liegt, es gebe noch so viele Sterne, so viele Planeten - Unsere Erde mit ihrem Artenreichtum ist ein außergewöhnlicher und einzigartiger Platz im Kosmos und auch jeder von uns ist außergewöhnlich und einzigartig.

Selbst wenn die Sterne hier zum Greifen nahe aussehen, wir können auf einen Berg steigen und ihnen doch nicht nennenswert näher kommen. Der Himmel ist schon ganz schön weit weg, der sichtbare Kosmos unvorstellbar groß und dies hier ist nur der Strand des kosmischen Ozeans (Sagan). Darin gibt es viel mehr von dem, was wir noch nicht kennen, als von dem, was wir bereits kennen, sieht man einmal von so profanen Dingen wie dem Periodensystem der Elemente ab.

Der Reiz, dieses Universum mit einem Teleskop anzusehen, besteht zu einem großen Teil darin, dass man die physisch unüberwindliche Entfernung durch die Optik scheinbar halbieren, zehnteln, oder sogar um einen Faktor hundert verringern kann. So gelingt es bereits mit einem Fernglas, das Band der Milchstraße in einzelne Sterne aufzulösen. Am Ende steht eine ganz elementare Erfahrung: Unsere Sonne ist ein Stern, nur im Gegensatz zu den anderen Sternen ist sie ganz nah, dabei nicht einmal besonders groß oder hell, denkt man vergleichsweise an Eta Carinae, sondern ganz durchschnittlich und - was soll ich sagen - das ist gut so, denn es bringt stellare Lebensdauer, schafft Raum für Leben durch eine günstige Temperatur auf der Erde, wirft nicht zu viel Materie und Strahlung mit dem Sonnenwind heraus. Unsere Sonne ist ein Einzelstern mit Planetensystem: Jupiter und Saturn wirken als Schutzschilde gegen Kometen. Dass es nur zwei von diesen Riesen gibt, erlaubt ein stabiles Sonnensystem. All dies ist Teil unserer bemerkenswerten Lage. Selbst unsere Entfernung zum galaktischen Zentrum ist bedeutsam, lässt sie uns doch mit großer Wahrscheinlichkeit verschont von Supernova-Explosionen aus nächster Nähe, weil die Sonne in einem Abstand um das Zentrum kreist, in dem sie zeitlebens zwischen zwei dicht mit Sonnen bevölkerten Spiralarmen bleibt.

Astronomen werden gerne eingeladen, sagte einmal Harald Lesch, weil sie über Dinge reden, die so weit weg sind von der täglichen Erfahrung: Supernova-Explosionen - oh wie schön, Schwarze Löcher - interessant! Nur aus der Nähe erleben will man all das wirklich nicht. Die Nama Buschleute aus Namibia und Bootswana, das sind die mit den Schnalz-Konsonanten (^), haben dafür eine wundervolle Vorstellung: Die Milchstraße ist das Rückgrat der Nacht, sie ist dafür da, dass uns der Himmel nicht auf den Kopf fällt. ^Keissa kore - gutes Kucken, ^Keissa hare - gutes Verharren, Bleiben. So verabschiedet man sich dort. Ein schöner Gruß, erklärt Walter Straube, der Farmer.

Zum Bild: Kamera Canon EOS 20Da mit Objektiv Nikkor 85mm f/1.8, abgeblendet auf f/2, 22x120s belichtet, Empfindlichkeit ISO800, autodark, EL-Flat, Nachverarbeitung in DSS + Registar, Farm Hakos, Namibia, Mai 2011. DSS reagiert auf die Quellenkonfusion übrigens selbst ziemlich konfus. Es gibt nicht zu wenige, sondern viel zu viele Passmarken und passende Bildverzerungen, die richtige war in all den Versuchen nicht dabei, Registar kann es besser und schneller, verarbeitet aber keine CR2-Dateien und Flat-Frames, die Kombination beider Programme hilft!

Commentaire 10

  • Sighard Schraebler 27/10/2012 15:13

    Danke Säpp!
    LG Sighard
  • Säpp 24/10/2012 15:28

    Stark ! Gruß Josef Leiser / AÖ
  • Hartmuth Kintzel 06/07/2011 21:54

    Atemberaubend!!
    Auch visuell ist das sicher ein fantastischer Anblick.
    Es gibt kaum eine Gegend am Himmel, die ich lieber mit dem Feldstecher durchforste, als Die hier von dir abgelichtete.
    Deine Bildbeschreibungen solltest Du sammeln und in einem Buch oder in einer Zeitschrift veröffentlichen. Die sind allesamt wirklich lesenswert.

    LG.
    Hartmuth
  • -Uwe- 02/07/2011 8:29

    Klasse gemacht.
    Gruß Uwe
  • Sighard Schraebler 25/06/2011 9:45

    Danke Euch für die netten Bemerkungen
    @Bernd, Neid benötigst Du nicht, nur ein Flugticket, dann kannst Du es genau so gut und besser
    @Olaf, den Witz mit der Sonnenbrille muss ich mir merken ;_)
    @Stefan, ganz so schlimm ist es aber nicht, die Milchstraße sieht man zurweil noch aus dem Taunus, wobei sehen und sehen, da gibt es Unterschiede
    @Rudi, besten Dank für die Instandsetzung der AK3 auf Hakos, und ja, DSS ist was für s/w-Fotografen, habe nur die Flat-Korrektur und die Umwandlung nach TIF genutzt.
    @Peter, genau das war die Absicht, bin ein Fan der Quellenkonfusion, es muss bruzzeln.
    LG Sighard
  • Rudolf Dobesberger 24/06/2011 19:47

    Hallo Sighard,

    wunderschöner Text, ich bin begeistert.
    Bei einem Öffnungsverhältnis von f2 und 800ASA ist aber die helle Zone neben dem Milchstraßenzentrum
    bei 2 min. nahezu ausgebrannt. Versuch mal mit Ebenetechnik zB. nur 8 Bilder im Photoshop zu überlagern.
    Du hast wesentlich mehr Sternfarben als mit den Deep Sky Stacker. Mich überzeugt der DSS nicht:

    LG Rudi
    http://www.sternfreunde-steyr.at/
  • Stefan P. Schmitt 23/06/2011 13:32

    Hallo Sighard,
    ganz große Klasse, was Du hier an Bild und "Ton" eingestellt hast. Umso mehr kommt es einem dann wieder ins Bewusstsein, daß uns ein solches Motiv hier durch die gedanken- und sinnlose Lichtverschmutzung leider verwehrt bleibt. Ich habe in Deutschland nur an einem Ort jemals das Milchstraßenband mit blossem Auge sehen können, und das war an der Müritz vor gut zehn Jahren, vermutlich sieht man es dort jetzt auch nicht mehr. Das ist traurig. Schön, daß Du uns diesen Anblick von weit her mitgebracht hast!
    LG Stefan
  • Olaf Dieme 23/06/2011 11:52

    Hallo Sighard, das ist schon sehr beeindruckend. Hätte fast eine Sonnenbrille gebraucht, so viel Licht hast Du gesammelt. Eine Klasse Ansicht und Du hast Dir viel Mühe mit dem Text gegeben. Ein Klasse Deep-Sky Bild. Viele Grüße Olaf.
  • Benny M. 22/06/2011 20:11

    Wunderschön! Gemeint ist Bild und Text!

    lg Benny
  • zirl 21/06/2011 23:32

    Hallo Sighard,

    ein fantastisches Foto!!! Angesichts der Belichtungszeit frisst mich echt der Neid wegen deines Himmels in Namibia ;-)

    LG

    Bernd