* Datscha 7 *
Im sowjetischen Leben, das vor- und fremdbestimmt war, stellte die Datscha eine Art Freiraum dar. Einen Ort, wo man für sich allein sein konnte. Wo man nichts Vorgeschriebenes tun musste, nur Selbstbestimmtes. Die Datscha war zur Freiheit des kleinen Mannes geworden. In einem Land, in dem man das Privateigentum abgeschafft hatte, war das eine erlaubte Kanalisierung des Eigentumsinstinkts. Wenn man die damalige Mangelwirtschaft bedenkt, boten die Datschen auch eine gewisse Unabhängigkeit vom staatlichen Verteilungssystem.
In den späteren Sowjetjahren bestand das Leben vieler Menschen aus der Jagd durch die Geschäfte und dem Schlange-Stehen. Eigene Gurken- und Tomatenbeete sowie Birn- oder Apfelbäume befreiten dich von vier Schlangen – und das war eine wesentliche Befreiung! In der ersten Hälfte der 1990er-Jahre standen die Geschäfte leer und eigene Kartoffeln und Pilze aus dem benachbarten Wald spielten eine mehr als wichtige Rolle. Später kamen die Lebensmittel zurück, wurden aber teilweise unerschwinglich, und wieder trug der eigene Garten zur Rettung bei. Und heute? Heute sind die meisten Familien nicht mehr auf Produkte aus eigenem Anbau angewiesen (obwohl man niemals nie sagt und einschlägige Zeitschriften abonniert). Doch von Mai bis Oktober entvölkern sich am Wochenende die Großstädte. Lehrer, Ärzte, Musiker, Schriftsteller, Arbeiter, Milizionäre und Banditen fahren zu ihren Datschen und beschäftigen sich mit Aufhacken, Umhacken, Säen, Düngen, Ernten, Konservieren.
Das Privileg der Parteifunktionäre zur Sowjetzeit, größere und schönere Datschen in den besseren Gegenden zu haben, ist heute auf die Neureichen, die Profiteure der 1990er-Jahre, übergegangen. Sie haben sämtliche Grundstücke in den schönsten Gegenden um Petersburg und Moskau aufgekauft. Eine besondere Datschenarchitektur ist dort entstanden: gotisch anmutende, turmreiche Burgen aus rotem Backstein. Und die Grundstückszäune sind nicht wie früher aus Holz, sondern aus roten Ziegeln. Die Anfahrtsstraßen sind besonders robust, um die schweren Limousinen der Millionäre und die Jeeps der Security auszuhalten ... Auch die Reichen suchen ihre Ruhe, das heißt: ihre Freiheit von Angst und Stress. Und finden sie auf der Datscha. Das Lustige – auch sie gehen oft an das Gemüse ran!
Bisher aus der kleinen Datscha Serie:
mike snead 28/07/2010 10:56
a brilliant arrangement.incredibly subtle.
i admire this greatly.
saluti
mike
Rudolf Wierz 16/07/2010 11:39
Herrliche Aufnahme mit den Farbkontrasten.Sehr gut finde ich Deine Erläuterungen über das Land.
LG Rudi
Christine L 15/07/2010 6:11
der traum vom einfachen landleben ...ciao
christine
Peter Smiarowski 15/07/2010 0:48
hier ist viel zu entdecken.lg aus masuren. peter
.moniKa.t.g. 14/07/2010 20:29
nicht nur im sowjetischen leben, auch im tschechischen. meine oma hatte auch noch sowas. und: schön, so wie es ist.lg monika
BLONDIE ... 14/07/2010 19:38
herrliche impression !und im ehemaligen deutschen bruderland gabs entsprechend die "datsche" ;-)
Walter Brants 14/07/2010 18:36
Einfach, aber zweckmäßig. Letztlich kommt es auf den Erholungswert an. Und wo man den Komfort nicht kennt, vermißt man ihn auch nicht. Vielleicht braucht man ihn auch hier gar nicht, wo die Seele - weit weg vom Alltag - mal wieder tief durchatmen kann. VG von Walterartofben 14/07/2010 18:17
in deinen Bildern taucht man ein in eine andere, uns fremde oder unbekannte Welt, das gefällt mir sehrLg Ralf
Elke Cent 14/07/2010 15:32
für mich passt das Foto, so wie es gemacht wurde sehr gut zum Inhalt ... nichts Außergewöhnliches für den überfütterten Betrachter ... Schlichtheit ... einfaches Leben ... eben Alltag ... viele kleine Dinge wie selbstverständlich ... so, wie sie wohl jeden Tag stattfinden (eben auch die Socken in dieser Kombination) ...lg Elke
Willy Brüchle 14/07/2010 15:16
Und gelegentlich soll es vorkommen, dass Rentner von der mühseligen Arbeit befreit werden und einen Kaufvertrag unterschreiben. Die vorgehaltene Waffe sieht man auf dem Papier nicht. MfG, w.b.iwant2c 14/07/2010 15:07
mag ich sehr...Ralf1969 14/07/2010 13:57
Christian, eine ausgezeichnete Beschreibung! Einige (und das war nicht einmal die politische Sowjetunion) hatten - und haben immer noch - ihr kleines 'Eigenheim', ebenso mit einem wohlumsorgten Gemüsegarten (deren Erzeugnisse schmecken im übrigens um Längen besser als gleiche Produkte aus dem Supermarkt). Die Gründe liegen m.E. obgleich mir das 'Schlangestehen nach Grundnahrungsmitteln ebenso beschrieben wurde tiefer und sind in den 30er Jahren zu suchen. Die Ukraine - insbesondere der Südosten des Landes erlebte eine zweijährige politisch provozierte Hungersnot in der 30% der Bevölkerung umkamen - solche Ereignisse prägen Generationen bis heute (gerade in einer Gesellschaft wie der Ukrainischen, die sich durch besonderen Respekt vor den Älteren auszeichnet).Oksana Gaer 14/07/2010 13:37
sehr schönes und herzliches Foto...
dieses irgendwie heimische, einfache, einladende...
du zeigst mit deinen Fotos die schönen kleinen Dinge im Leben!!!
mag total deine Serie...
glg oksana
Christian Knospe 14/07/2010 11:14
@ utico, und um 10:46 die aufforderung zukünftige bilder ohne politik einzustellen !Tanjung-Pinang 14/07/2010 11:11
.. auf jeden Fall sieht alles sehr gemütlich aus.Die Serie gefällt mir sehr.
lg monika