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... davor habe ich Angst ...

... davor habe ich Angst ...

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Neydhart von Gmunden


Premium (Basic), Hamburg

... davor habe ich Angst ...

nach meinem Tod vergessen zu werden ..... (Hans-Otto Toewe)


In einem Lied über Amondsen und Scott singt eine DDR-Rockgruppe

Was bleibt nach dem Tode,
wenn der Name nicht bleibt ?
Und wie bleibt der Name,
wenn Geschichte er schreibt ?

Mein Bild zum 4. Advent widme ich allen, die „vergessen“ sind, ob
vor Jahrhunderten, Jahrzehnten oder erst in unserem Jahrhundert.
Ich möchte es den Vergessenen widmen, die wie Hans-Otto Toewe
ihr Leben und ihr Tun für das Wohl einer Gemeinschaft, für eine Ver-
besserung der Welt, für (soziale) Gerechtigkeit, für die Würde des
Menschen, für die Erhaltung der Natur und Lebensräume für Mensch
und Tier, für den Frieden unter den Menschen eingebracht haben.
Sie waren in ihrer Zeit present, engagiert, gar nicht wegzudenken,
ein fester Bestandtel unserer Gemeinschaft, bis sie starben und in
Vergessenheit gerieten.

Hans-Otto Toewe lernte ich im Tierschutzverein kennen. Er war Be-
triesbrat und Chef-Redakteuer der Zeitschrift „ich und du“. Er hatte
ein Bein verloren und war jenseits des 60. Lebensjahres. Er fühlte
sich als Sozialist und wirkte oft verbittert, was wohl auf die starken
Phantomschmerzen und auch die echten Schmerzen an seinem
Beinstumpf zurückzuführen war. Dazu kam ein frustrierender jahre-
langer Zweikampf mit dem damaligen Vereinsvorsitzenden, der ja
auch Arbeitgeberfunktion innehatte. Beides hatte ihn zermürbt und
müde gemacht. Er wirkte wie ein Grisgram, ein nörgeliger alter ver-
bitteter Star- und Sturkopf, dem man am besten aus dem Weg geht.
Aber dann, wenn er lachte, dann war er so herzerwärmend mensch-
lich, dass ihn jeder sofort in sein Herz schließen konnte und ihn ein-
fach nur lieb haben mochte. Zum Lachen hatte er aber wenig Gele-
genheit, denn er war immer ernsthaft und hochkonzentriert bei der
Sache, bei der Arbeit; ganz nach dem Motto, erst die Arbeit, dann
das Vergnügen. Und Arbeit gab es für ihn satt. Ich mochte ihn, die-
ses „alte Raubein“. Ich kannte diesen Typus Mensch aus dem Berg-
bau, als ich noch im Steinkohlenbergbau gelernt und gearbeitet hatte.
Diese Menschen sind mir sofort sympathisch. Sie haben oft großar-
tiges geleistet, aber man hat ihnen die verdiente Anerkennung ver-
weigert und/oder, ein Schicksalsschlag hat ihr Leben auf den Kopf
gestellt und es ist plötzlich niemals mehr wie vorher. In einem ver-
traulich geführten Gespräch sagte er dann, dass er darunter leide,
nach dem Tode in Vergessenheit zu geraten. Ich konnte es damals
nicht verstehen. Als junger Mann „spuckt“ man auf alles, was für die
Alten so wichtig ist, wie Sicherheit, Rente, Anerkennung und auch
der Tod kratzt einen nicht. Als junger Mann glaubt man tatsächlich,
die Welt aus den Angeln heben zu können. Hans-Otto Toewe starb
Ende der 1980iger Jahre kinderlos. Als ich dann das Lied der Rock-
gruppe „Stern Combo Meißen: Kampf um den Südpol“ hörte, da ver-
stand ich plötzlich Hans-Otto Toewe. Ich war gereift und begriff. Ich
habe dann oft gesagt, lieber Hans-Otto, ich werde Dich nicht verges-
sen, auch, weil ich Dein Lachen gehört habe und in Deine zärtliche
kindliche Seele blicken durfte, wenn auch nur für einen Augenblick.
Leb wohl, alter Freund und genieße Du Deinen Seelenfrieden.

https://www.youtube.com/watch?v=eLFJwQC6XAg

https://www.youtube.com/watch?v=a7FJsHeLPm8

Commentaire 26

  • reibol 15/11/2023 18:29

    Das sieht schon fast gespenstisch aus......wenn sich jetzt noch ein Grabstein hebt....
    Übrigens: mein Lieblingsbaum steht in einem Venn am Niederrhein.
    VG Reinhold
  • Marina Luise 19/02/2020 14:12

    Ich habe selten einen liebevolleren Nachruf gelesen.
    Das weiße 'Riesengeweih', das sich da aus den Gräbern rauswächst, das finde ich allerdings gruselig! :)
    • Neydhart von Gmunden 20/02/2020 11:50

      Liebe Marina, liebe Luise,
      danke für die lobenden Worte. Dieses Bild gewährt einen Einblick
      in einen jüdischen Friedhof, auf dem im älteren Teil Bäume und
      Sträucher so wachsen können, wie ihre Natur dies bestimmt. Das
      dabei auch mal Grabsteine umfallen und zerbrechen, wird geduldet.
      Nirgendst sah ich einen so schönen Friedhof, der von einem klei-
      nen Mädchen zu Recht .... Zaubergarten .... genannt wurde.
      Lieber Gruß,
      Neydhart
  • Kerstin Stolzenburg 16/01/2020 12:52

    Manche lassen sich ja beispielsweise schon zu Lebzeiten bei Wikipedia eintragen, um sich im allgemeinen digitalen Gedächtnis ein Denkmal zu bauen ... - Ich halte es da aber auch eher mit dem Herzen. Wenn man in einem solchen einen Platz gefunden hat, sei es durch echte Liebe, das ehrliche Sorgen für das Wohl Anderer oder einfach, weil man jemandem Gutes tut oder sich darum bemüht usw., hat das in meinen Augen viel mehr bzw. ein ganz anderes Gewicht, als 'das Einritzen seines Namens' auf irgendeiner 'Platte', wenngleich auch das nicht von Dauer sein kann.
    LG, Kerstin
    • Neydhart von Gmunden 17/01/2020 17:51

      Liebe Kerstin, mir gefallen Deine Gedanken und ich teile diese.
      Vielleicht lag es bei Hans Otto u.a. daran, das er keine Kinder
      und keine Familienangehörigen hatte und sich alleine und ver-
      lassen fühlte. Ich weiß es aber nicht. Wir haben ja alle Bilder da-
      rüber, wie man uns sehen soll oder das wir gerne berühmt wären.
      Lieber Gruß,
      Neydhart
  • 13. Fee 27/12/2019 14:50

    viele Menschen fühlen sich schon zu Lebzeiten von anderen vergessen...
    auch ich werde mich -nach dem Lesen Deiner Zeilen - gerne an Hans-Otto erinnern, auch wenn ich ihn nie kennenlernte.


    Ich schicke Dir einen lieben Gruß aus dem Pott hin in den Norden.
    Komme gut ins neue Jahr.

    Fee
  • peju 22/12/2019 10:42

    Wenn 'der Stecker gezogen' ist und die Speicherzellen somit keinen Saft mehr haben, in diesem Fall roten, ist aus die Maus. Man hatte das unglaubliche Glück zufällig das Licht der Welt erblickt zu haben und müsste alleine schon dafür täglich Mutter Natur auf Knien danken.
    Aber der Mensch ist nicht so, er ist unersättlich. Das gilt nicht nur für D.T. sondern für sehr viele, die glauben, wenn sie schon das ganz große Los gezogen haben und überhaupt leben dürfen, dann soll das irgendwie doch bitteschön niemals aufhören, mindestens jedoch in der Erinnerung der Hinterbliebenen.
    Das kann sogar funktionieren, wenn man sich einen entsprechenden 'Namen' gemacht hat. Aber man erinnert sich auch (leider) an Fieslinge sehr gut. Diese haben quasi eine erstaunliche Überlebensrate.
    Du hast hier ein Denkmal gesetzt und das ist schon mehr, als die meisten bekommen.
    Ich brauche so was nicht.
    Einen schönen Gruß
    Peter
  • -ansichtssache- 21/12/2019 22:01

    dein Text ist sehr berührend, dein Bild mit den dunklen Grabsteinen und dem Gewirr von Ästen und Zweigen wirkt auf mich symbolhaft, wie ein Wirrwarr, dass sich gelegentlich in meinem Kopf breit macht, wenn ich über das Leben im Allgemeinen, das Altern im Besonderen und dem unausweichlichen Ende unseres irdischen Daseins nachdenke. Ja, obwohl man der pragmatischen Einstellung von Eckhard durchaus zustimmen kann, kenne ich auch das Gefühl zumindest von Unbehagen, dass man eines Tages in Vergessenheit gerät. 
    Aber dann stelle ich mir einfach vor, dass ich mit Freunden auf Wolke 7 sitze und von oben Luftaufnahmen mache...….
    Liebe Grüße, Danny
  • E. W. R. 21/12/2019 20:29

    Ob Du nach dem Tod vergessen wirst, kann Dir gleichgültig sein, lieber Neydhart, weil Du ebensowenig existieren wirst wie vor deiner Geburt.
    • E. W. R. 22/12/2019 18:25

      Die Sinnhaftigkeit seiner Existenz zieht man am besten aus der Überzeugung, dass es sich lohnen könnte, zur positiven Entwicklung der Menschheit beizutragen. Dann ist man auch nicht über die Maßen auf den Dank und das mögliche Gedenken angewiesen, um sich zu motivieren. Ich weiß aber natürlich, dass viele gure Leute um so mehr motiviert sind, wenn sie sich als Teil eines größeren Ganzen fühlen und entsprechenden Dank für ihre guten Taten bekommen. HG, E.
    • Neydhart von Gmunden 24/12/2019 10:26

      Meister Eckhard, ich denke mal, dass die meisten Menschen
      ihr Tun tun in guter Absicht oder mit einem Ziel, einer Vision,
      die ihnen vorschwebt. Dabei denken sie nicht, dass sie mal in
      die Geschichte eingehen werden, oder das eine Straße nach
      ihnen benannt wird. Beides entscheidet ja eh die Gemeinschaft
      aus der sie entspringen, nach deren Ableben.
    • peju 25/12/2019 10:27

      Neydhart von Gmunden Straße...
      und wenn das dann 'ne winzige Sackgasse ist, wo immer  Mülltonnen herumstehen und sich Ratten um Reste balgen?
      Dann würdest Du noch im Grab rotieren, mit 1500 Umdrehungen.
      ;-)
      Schöne Weihnachtsgrüße aus Köln
      Peter
    • Neydhart von Gmunden 26/12/2019 11:35

      Lieber Peter, tatsächlich würde ich damit keine Probleme haben.
      Als Bergarbeiter, wenn auch nur für kurze Zeit, ist mal vieles ge-
      wohnt. Ich hatte mir tatsächlich für meinen letzten Arbeitsplatz
      die Benennung einer Treppe, einer Türklinke, eines Treppengelän-
      ders oder einer Toilette nach mir gewünscht. Also nichts großar-
      tiges, nur etwas kleines, meiner Tätigkeit angemessen ..... :))
      Beste Grüße und ein entspanntes Weihnachten ... danach,
      Neydhart
  • Susanne Jeroma 21/12/2019 18:51

    sehr schön geschrieben.
    dazu fällt mir ein auzug aus einem text von wilhelm busch ein.
    "eine zeit lang weiß man noch wer du gewesen, dann kehrts dich weg, die zeit. der große besen."es sei denn, man ging in irgendwelche bücher ein....
  • Franz Schmied 21/12/2019 12:32

    Daumen hoch !

    ;-) frz

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