Geiz ist geil

Ernst-Wilhelm stammte aus gutbürgerlichen Verhältnissen, wie man so sagt. Große Sprünge waren nicht seine Gangart, eher hätte man ihn mit einem Krebs vergleichen können: einen Schritt vor, zwei Schritte zurück.
Der Vater hatte eine kleine Schneiderwerkstatt betrieben, die der Sohn im Laufe der Jahre zu einem
Unternehmen ausbaute, das maßgeschneiderte Hemden fertigte.

Der Enkel, der kleine Ernst-Wilhelm, zeigte zwar keinerlei Ambitionen, den Familienbetrieb fortzuführen, aber darüber war das letzte Wort noch nicht gesprochen. Der große Ernst-Wilhelm lenkte seine Familie nämlich mit fester Hand,
und Extravaganzen waren nicht Teil der Planung. Frei nach der Devise „Das Sparen kannst du nur von
reichen Leuten lernen“ hielt er Überblick über die Familienfinanzen.

Eigentlich überließ er keinerlei Entscheidung irgendeinem anderen, nicht mal seiner Frau Irmgard, die über jede Ausgabe für den Haushalt penibel Buch führen musste und in ständiger Sorge lebte, dass mal wieder eines der
in die Jahre gekommenen Haushaltsgeräte den Geist aufgeben könnte. Seit geraumer Zeit musste sie nun schon
auf die Segnungen eines elektrischen Handmixers verzichten, was zwar die Arme kräftigte, wie ihr der Gatte
lebhaft versicherte, den Speisezettel aber auch hinsichtlich der so geliebten, lockeren Sahnespeisen ein wenig einschränkte. Ernst-Wilhelm ordnete daraufhin eine ohnehin notwendige Diätphase für die Familie an und
betrachtete das Problem damit als gelöst.

Ohnehin war das Familienoberhaupt um keine Ausrede verlegen.
Was richtig und notwendig war, bestimmte immer noch er.
Wozu etwa braucht man eine Luftpumpe, wenn man seine Lungen doch kräftigen kann?
Welchem Zweck dient ein Rasenmäher, wenn man sich doch mit einer Schere in der gesunden Luft aufhalten kann?
Ein Wäschetrockner? … Tralala! Da leidet die Wäsche doch nur!
Wer um alles in der Welt braucht eine Mikrowelle,
wenn man doch unter dem Federbett das Essen lange warm halten kann?

Überhaupt hielt Ernst-Wilhelm viel von altbewährten Haushaltstricks und Omas guten, alten Hausmitteln. So hatte er z.B. hinter dem Haus eine Ringelblumenplantage angelegt. Das, was viele als Arme-Leute-Blume verachten, nutzte er zur Herstellung einer Salbe, die zur Heilung von allerlei Hautkrankheiten, Verletzungen, Ausschlägen, Flechten, Fußpilz, offenen Händen, Krampfadern, Geschwüren und auch Warzen Verwendung finden sollte. Er nannte dieses angebliche Wundermittel „Ringel-x-strakt“, und bei der Beerdigung der Schwiegermutter raunte er Schwager Gernot hinter vorgehaltener Hand zu, dass er diesen Namen verrucht fände, weil er ihn so an Ringelsocken und Strapse erinnere.
Im Verwandten- und Bekanntenkreis wurde Ernst-Wilhelm ob seiner salbungsvollen Geschenke nur müde belächelt, aber er hielt an dieser Idee ebenso fest wie am Bestellen von Warenproben aller Art, die er als Entlastung der Haushaltskasse betrachtete.

Irmgard hatte sich bisher in ihr Schicksal ergeben. Aber als sie an diesem Samstagnachmittag mit der gesamten Familie im Freibad unter den Duschen standen, weil Ernst-Wilhelm eine Reparatur des gebrochenen Wasserrohrs für überflüssig hielt, da kochte in der so lange Schweigsamen von unten herauf ein brisantes Gemisch. Der eben noch ruhende Vulkan war erwacht, und würde sehr bald zum Ausbruch kommen …
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Ich „klebe“ das Bild nun in das Foto-Geschichten-Buch

Mona Lisas Foto-Geschichten-Buch
Mona Lisas Foto-Geschichten-Buch
MONA LISA .

Wer sich dazu äußern möchte, kann das gerne hier (oder auch dort unter dem Bild) tun.
Vielen Dank für das Interesse!
:-)

Commentaire 23

  • marant 20/02/2020 16:27

    Man muss sich Geiz erstmal erarbeiten damit man es zu schätzen weiß ;) Eine Ausrede fällt mir spontan noch ein, zeitgemäße quasi. Es geschieht auch aus Liebe für Umwelt, bei so vielen CO2 Abdrücken die wegfallen.
    Schön zusammengesetzt die Bilder - separat gesehen könnte man meinen der gute Mann hat leichte Gewissenbisse und die gute Frau will nichts mehr hören :)

    viele grüsse ...
    marant
  • Ruth U. 18/02/2020 19:25

    Auf jeden Fall finde ich es sehr vernünftig, dass sie einen Badeanzug trägt und keinen Bikini :)
  • Mira Culix 18/02/2020 10:15

    Irmgard sinnt auf Sabotage. Sie überlegt gerade, dass, wenn man wegen eines Wasserrohres ins Freibad gehen kann, sich doch noch ungeahnte Möglichkeiten für sie eröffnen. Ein kaputter Herd könnte zu Resaurantbesuchen führen, ein zusammengebrochenes Ehebett zu Hotelaufenthalten .....
    • MONA LISA . 18/02/2020 12:00

      Du meinst, in dieser gebeutelten Seele schlummert ein Revoluzzer?
      Da kann ja dann echt noch was aus ihr werden! :-))
      Ich seh sie schon mit der Fahne vor dem Rest der Familie ums Kirchspiel kreisen, während der Gatte in Tränen aufgelöst die Telefonseelsorge konsultiert.
    • Mira Culix 18/02/2020 12:47

      Was hat sie denn für einen sinnvolle Alternative? Platzen, wie Klacky es beschreibt, ist so destruktiv und mit Sicherheit tödlich nur für sie selbst, denn die Flugbahnen von Bauchlappen sind schwer zu berechnen. Keine gute Maßnahme.
    • MONA LISA . 18/02/2020 12:51

      "Sinnvoll" ... allein das widerspricht schon dem, was das Leben für Manchen so bereithält!
  • Peter Biastoch 18/02/2020 10:06

    Nach dem so unrühmlichen Ende von Ernst-Wilhelm, stellte sein Sohn fest, was sich inzwischen auf dem Konto seines Vaters befand und ihn traf der Schlag - der Herzschlag. Nun war seine Frau schon seit Jahren von ihm gegangen - mit dem Bäcker aus der Nachbarschaft und  der junge Ernst-Wilhelm war an der Reihe, das Erbe anzutreten.
    Er hatte stärkere Nerven, wie sein Vater und freute sich riesig über die gewaltige Summe, die ihm nun zur Verfügung stand.
    Er verkaufte des Ahnen Hemdenfabrikation zu einen ebenfalls sehr guten Preis, legte das Vermögen in Aktien an und lebte fortan in finanziellem Wohlstand und Sorgenfrei, von deren Zinseszinserträgen. So wurde aus dem unangenehmen und verabscheuungswürdigen Geiz seines Ahnherren ein Segen für ihn und seine künftige Familie!
    • MONA LISA . 18/02/2020 16:11

      Ja, das ist wohl so ... und viele, die heute Nutznießer sind, können das sein, weil nach dem Krieg eben möglich war, was heute schwierig geworden ist ... nämlich (mit Fleiß und Disziplin) etwas aufzubauen, es zusammenzuhalten ... und dann kam man nicht mal mehr dazu, es gebührend zu nutzen.
      Ich weiß, wovon ich rede, glaub mir.
    • Peter Biastoch 18/02/2020 17:01

      Ja, das kann ich nachvollziehen. Auch meine Großeltern haben ihr ganzes Leben lang gespart und jeden Groschen zusammen gehalten. Nebenbei haben sie ein Haus abbezahlt, eine Tochter (meine Mutti) und einen Sohn, der an ALS litt, über 40 Jahre lang versorgt. Da blieb keine Zeit für Urlaubsreisen.
      Als dann die deutsche Einheit über uns DDR-ler hereinbrach wurden wir alle arbeitslos. Meinen Vater drückte man mit nicht einmal 60 Jahren in die Rente (mit Abzügen) und ich startete einen kleinen Einzelhandel, auf dem Dorf, der allerdings nur 10 Jahre Bestand hatte. Bereits vor dem Aus nahm ich die verschiedensten Minijobs an, weil ich ja keinerlei passende Ausbildung, oder Qualifizierung für eine richtige Arbeitsstelle mehr hatte. Es handelte sich bei allen um prekäre Beschäftigungen! Schließlich ging der Laden ganz ein und wir landeten in der Sozialhilfe, die im darauf folgenden Jahr in Harz IV umgewandelt wurde. Die vergangenen 5 Jahre pflegten wir den Vater meiner Frau (Höchste Pflegestufe und völlig klar im Kopf), der nun vor wenigen Tagen gestorben ist. Sein Erbe werden wir nun wahrscheinlich komplett als Einkommen angerechnet bekommen. Bis zur Rente fehlen mir noch 3 Jahre und dann stehen mir mit 67 Lebensjahren, laut Rentenbescheid, fette 450  Euro zu. Glaube mir, auch ich weiß, wovon ich rede.
    • MONA LISA . 18/02/2020 17:10

      Das ist traurig und gerecht ist es sowieso nicht. ... und all das Gerede von Chancengleichheit ist ebenfalls Schall und Rauch. Man hat es nicht wirklich in der Hand, wie ein Leben verläuft, nicht bei allem guten Willen und der nötigen Intelligenz.
      Ich war jetzt zwei Wochen in Marokko und habe mich sehr viel mit Einheimischen unterhalten. Das ist alles noch viel ungerechter als bei uns. Es hat mich fast schon depressiv gestimmt.
      Das Leben ist vielleicht für manche eine Rassepferd-Farm, für viele jedoch nicht mal ein Ponyhof. Aber irgendwie tröstet es mich, dass viele  Superreiche wohl nicht glücklicher sind als ich ... und auch auf deren Hintern passt nur eine Hose!!
      :-)
    • Peter Biastoch 18/02/2020 17:51

      Ja, es ist schon viel an der Aussage, dass wir in Deutschland auf sehr hohem Niveau jammern. Gegenüber Marokko  bestimmt. Mir fiel in Deiner Antwort das Wort Rassepferd-Farm besonders ins Auge. Für mich las es sich als Rasse - Pferd-Farm, was mich an mehrere meiner Brieffreunde/innen erinnerte, die sich praktisch in jedem Brief darüber echauffieren, dass ihr geliebtes Deutschland an "die Schwarzen" verhökert würde. Überall nur "Schwarze" und andere Ausländer, die "vom Staat hinten und vorn alles hinein geblasen bekämen". Dagegen muss ich mich immer wieder verwahren. Ich war selbst schon, als "Missionar im eigenen Land" in Asylbewerberheimen und habe mir die Geschichten dieser Menschen angehört. Man zeigte mir auch die Narben von Schnittverletzungen quer über den gesamten Oberkörper. Das ist für wahr alles andere als Ponyhof! Diese Erfahrungen haben mich gelehrt, mit meinem Los im Leben mehr als zufrieden zu sein. (Schimpfen darf man dennoch.)
      Auch Deinen abschließenden Worten kann ich mich nur anschließen. Wir sind mit nichts gekommen und wir werden mit nichts gehen. Das letzte Hemd hat nun mal keine Taschen! Und
        was unsere Lebensqualität betrifft, so bin ich jetzt glücklich, weil ich künftig wieder Zeiten und Gelegenheiten haben werde, meinem Hobby nachgehen zu können und die Ergebnisse dessen auch anderen zu zeigen. Dafür haben wir in unserem Ort eine sogenannte "Hobbyausstellung", in der jeder, der will, die Erzeugnisse seiner leidenschaftlichen Freizeittätigkeit den Besuchern zeigen kann.
      https://www.e-stories.de/view-kurzgeschichten.phtml?43025
      https://www.e-stories.de/view-kurzgeschichten.phtml?44779
      Wenn es Dich interessiert, kannst Du dort mehr erfahren.
  • Klacky 17/02/2020 22:21

    Noch hört Irmgard in sich hiein.
    Aber man sieht doitlich, wie sie förmlich nach außen quillt.
    Sie ist kurz vor dem Bersten.
    Und wenn sie birst, dann bekommt auch ihr Dinxbums einen Fetzen ihres Körpers ab.
    Wahrscheinlich einen großflächigen Teil hres Bauchlappens, der sich kwasi trudelnd und torkelnd in Zeitlupe durch die Luft schraubend auf ihren Nochgemahl zubewegt und ihm mit einem dicken "Platsch" aufer Visage landet, diese umwickelt, den ganzen Kerl umschmeißt, wo er dann jämmerlich an der Gemahlin Bauchlappen und dem eigenem Gewicht erstickt.
    Die Trauerfeier der ganzen Firma ist grandios.
    Danach wird das Firmengelände in dem engen Sauerlandtal in einen Fun- und Adventurepark umgewandelt, der dann aber auch eingeht.
    Die Natur übernimmt das Gelände wieder, und einige Jahre später erinnern sich nur ein paar restliche FC-Mitglieder der Firma und der Sache.
    So ist es und keinen Doit anders.
    Jawollja!