Haareis (nein: Bandeis, siehe Textergänzung!) auf Weißtannenholz (Abies alba), ...
... das es eigentlich gar nicht gibt.
Denn die es verursachenden Pilze kommen - soweit man weiß - nur auf Laubholz vor: fast immer an Buchentotholz, manchmal auch an Eiche.
Jetzt hab ich buchstäblich hunderte von Fotos gemacht. Übersichten, Detailaufnahmen wie diese ...
Und mir den Holzklotz sowie die dazugehörende, abgesprengte Rinde mitgenommen - vielleicht können Fachleute (erstmals?) daraus etwas ersehen. Auch einen Span von dem Holz, auf dem dieses zweite Bandeis (ich nehm's mal als Oberbgriff für Haar-, Kamm- und Stängeleis) wächst, liegt mit dem Schmelzwasser dieses Eises im Kühlschrank.
Schon drei Tage tüftle ich daran herum.
Im Internet ist nichts über Haareis an Nadelholz zu finden.
Nach meinen vielen Bildern kann ich jetzt folgendes sagen:
1.) Der Frost hat an einem Tannenstumpf (Bäume wohl dieses Jahr gefällt, nur Tannenzweige, aber auch Blätter einiger junger Buchen in der Umgebung auf dem Boden, den Jahresringen nach ziemlich genau hundertjährige Tannen; Holz harzt noch und riecht frisch) die Rinde vom Holz gesprengt. Was in der Umgebung allerdings meistens der Raureif tut.
2.) Gebogene, fädige Strukturen wie auf diesem Foto wachsen in Reihen aus den längs dem Stamm angeordneten Holzporen. Raureif ist höchstens auf den Eisschichten aufgelagert zu finden. Man sieht ihn z.B. auf diesem Bild rechts oben.
3.) Der Frost hat bei seiner Arbeit den Bast zwischen Holz und Rinde in dünnen, rötlichen Fäden abgelöst. Die Fäden verlaufen meist, aber nicht immer, in Richtung der Eisfäden. Und lange nicht jedes Eishaar hat einen Faden, an dem es entlang wächst.
Die bräunlichen und weißen Schichten sind zusammen etwa 2 - 3 cm dick.
4.) Mehrere Schichten der (gebogenen!) Eissäulchen, die keinerlei Kristallstruktur erkennen lassen (hab heute auch mal mit der Lupe geguckt), sind übereinander zu finden; wahrscheinlich sind es "Tagesstreifen", die an aufeinander folgenden Tagen in Folge gewachsen sind. Das Wetter mit Temperaturen um den Gefrierpunkt paßt die letzten Tage.
5.) Ganz in der Nähe (20 m) ist das seltene Kammeis in einer Wagenspur zu finden, das ebenfalls eine Querstreifung als "Wachstumslinien" zeigt. Auch das ist die letzten drei Tage am selben Ort (kühle Mulde, Sonne scheint erst spät nachmittags spärlich auf den Boden) zu finden und offenbar auch gewachsen. Auf den heutigen Fotos mit einem Maßstab werde ich das noch nachmessen ...
6.) Manchmal hat man den Eindruck, es handelte sich bei dem Eis um senkrecht zum Bild stehende Eisplättchen (im Bild links unten) - die aber, so wie es aussieht, aus einzelnen Fäden bestehen. Spätestens beim Schmelzen des Eises sieht man das deutlich.
7.) Bei der Aufbewahrung des ersten Fundes auf Holz im Garten an einer kalten Stelle ist das Eis auf vorher nicht vereisten Flächen des Holzes (nicht der Rinde) von vorgestern auf gestern neu gewachsen - eine Schicht wie diese hier, etwa einen halben Zentimeter dick. Und wiederum in fädigen Strukturen, sicher kein Raureif!
Wenn es kein Haareis ist (das durch etwa zehn Arten winteraktiver Pilze verursacht wird, die mit ihrem Stoffwechsel Druck auf das im Holz nicht gefrorene, aber an der Oberfläche zu Haaren erstarrende Wasser ausüben), bestünde ganz vielleicht die Möglichkeit, daß dies hier (nur) eine Art "Kammeis" (Stängeleis) ist, das in dem Fall nicht aus den Poren des Bodens, sondern entsprechend aus den Poren des Holzes wächst - weil gerade die Umweltbedingungen stimmen. Und das Wasser im Holz nicht, aber an dessen Oberfläche gefriert - eventuell durch chemische Prozesse im Holz flüssig und draußen gefroren ist (Harz, Salze ...).
Diese Form des Eises scheint selten zu sein - deshalb möchte ich gerne mehr darüber herausfinden.
Hat jemand von Euch vielleicht eine neue/andere Idee?
Trotz der vielen Fotos und Überlegungen komme ich nicht weiter ...
Göfis/Vorarlberg, ca. 650 m Höhe, heute, 7.12.2016 - erster Fund am 5.12., Temperatur vorgestern und gestern im Schatten am Haus -2, heute -6,5 °C.
P.S. (12.1.2019): Ausführlicheres berichte ich über genau dieses Eis am 10. - 12.1.2019 in der Serie "Stängeleis und andere rätselhafte Eisformen ...".
P.P.S. (29.12.2021): Inzwischen halte ich das Eis auf diesem Bild für eine Art Bandeis (= ice ribbons), das durch die Poren der Sägefläche wächst, genau wie die Eisbänder aus den Poren der (abgestorbenen) bodennahen Stiele von verschiedenen Pflanzen. Auch hier gibt es ja ein flüssiges (!) Wasserreservoir im bodennahen Stiel oder Stamm, das für die Bildung der Basikryogene Bedingung ist - genau wie die Temperaturen um den Gefrierpunkt im Mikrobiotop; dann - und nur dann! - bilden sich diese interessanten Formen!
Die in Reihen liegenden Poren der Pflanzenstängel und der Tannen-Sägefläche produzieren die spektakulären "ice ribbons" - dasselbe wird auch wohl bei den "Haar-"Eisbildungen auf Pilzen der Fall sein ...
alicefairy 08/12/2016 12:54
Sagenhaft toll sieht das ausLg Alice
sARTorio anna-dora 08/12/2016 10:23
Seitdem du Haareis gezeigt hast suche ich vergebens danach, lieber Thomas! Und jetzt bin ich absolut begeistert und fasziniert über deine Funde, weiss aber nichts dazu zu sagen… Danke für die tolle Beschreibung, die ins Detail geht! Ich werde auch danach suchen! Danke auch für deinen freundlichen Kommentar zu meinem Startseitenfoto, der mich freut.Sei herzlich gegrüsst Anna-Dora
Johanna Kotschwar 07/12/2016 23:56
eine großartige Aufnahme! Das Phänomen Haareis habe ich bei uns noch nie gesehen - auch dein Text ist sehr interessant!Mir gefällt aber das Foto besonders als Abstraktion, deshalb würde ich noch den oberen Teil mit den dunklen Ecken wegnehmen - aber als Dokumentation ist es natürlich besser, so wie es ist.
Liebe Grüße, Johanna