Leben mit dem Braunkohletagebau: Traumhaus - aus der Traum
Diese vergleichsweise jungen Häuser stehen kurz vor dem Abriss. Sie stehen im Dorf Spenrath, das im Gebiet des 2006 beginnenden Tagebau Garzweiler II liegt. Das Leben in den zum Einebnen und Ausbaggern freigegebenen Orten verändert sich bereits Jahrzehnte, bevor die großen Bagger kommen. Ein Haus zu bauen ist für die meisten etwas, was für sie Bestand hat. In dieser Region lebt man jedoch gegen die Wand. Längerfristige Planungen, Investitionsschutz, das gibt es nicht. Im rheinischen Braunkohlerevier nützen einem Grundstücke und Häuser der Eltern wenig. Sie haben ein Verfallsdatum im Grundbuch, das Datum des Tagebauaufschlusses. Der Tagebau nimmt keine Rücksicht auf persönliche Lebensumstände. Egal welchen Alters man ist, man muss weichen. Die Immobilien werden zurück gelassen, an den Bergbautreibenden zu einem Spottpreis verkauft - wenn man der Enteignung entgehen will. Derr Preis ist Verhandlungssache. Verhandeln mit gewieften Weißkragen-Tätern. Das Ergebnis wird stets verschwiegen.
Warum werden nun dennoch neue Häuser gebaut, alte instandgesetzt? Die Planungen für Garzweiler II reichen Jahrzehnte zurück. Die Genehmigungen standen mal politisch auf der Kippe. Koalitionsverhandlungen zwischen Rot-Grün hatten die Erweiterung des Tagebaus Garzweiler zum Thema. Hatten. Das ist Schnee von gestern. Heute kreischen die Schaufelradbagger unerbittlich gen Westen. 2006 wird die Autobahn zwischen den Kreuzen Jackerath und Holz als derzeitige Grenze einkassiert.
Und dennoch. Sollte man damals nicht bauen? Die Kinder standen an, es waren vielleicht noch zwei Jahrzehnte, die Eltern hatten ja das Grundstück, das auch neu kaufen? Vor Beginn des Umsiedlungsverfahren wäre das nicht machbar gewesen. Und die Eltern, damals schon etwas schlecht dran, die Freunde, die Arbeitgeber, all das war ja im Ort, in der Nähe. So könnten vielleicht Überlegungen gelaufen sein.
Im Braunkohlerevier verwehen selbst die in Stein umgesetzten Träume wieder im Staub der Geschichte.
(Aufnahme von Ende März 2005)
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Näheres zur Dorfgemeinschaft Otzenrath-Spenrath:
http://www.otzenrath.de/
Zur Karte der Tagebaue und Tagebaufolgeflächen im Rheinischen Braunkohlerevier:
http://www.debriv.de/pages/grafiken.php?page=255
Mal ein Bericht vom WDR:
http://www.wdr.de/themen/wirtschaft/wirtschaftsbranche/energie/kohleland_nrw/menschen/braunkohle/reportage_otzenrath/index.jhtml?rubrikenstyle=kohleland_menschen
Mehr zum Thema im gibt es im fotohome-Ordner
bzw. im Artikel http://www.fotocommunity.de/info/Braunkohletagebau
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Der besondere Tipp:
Ein Tagebaupanorama mit Blick dahin, wo der Ort Garzweiler mal stand:
Franz-Josef Wirtz 27/02/2008 0:10
Danke für die Geduld bei einem Thema, das einem nicht wohl ergehen laesst. Du bist ja selbst 'nah' dran und hast es Dir angesehen. Kann man nur jedem empfehlen, sonst glaubt man es einfach nicht.Madame Citronella 24/02/2008 17:32
ich sehe mir jetzt seit einer halben stunde Bilder dieser Art an und es tut weh, es macht traurig und macht gänsehaut....LG und meine Hochachtung zu solch einer Reportagearbeit.
Jennifer
Franz-Josef Wirtz 18/12/2006 16:18
Zum Thema:Stimme aus dem Off 05/12/2006 0:35
"Jeder kann auf seine Schuhe schauen und da etwas Braunkohlenstaub entdecken..."Sehr schön ausgedrückt. Das zeigt wieder mal, wie komplex selbst die von außerhalb stehend so einfach erscheinenden Sachverhalte sind. Mich erinnert "Garzweiler" ein wenig an den "Besuch der alten Dame" von Dürrenmatt, in dem mit Hilfe von Geld, Geduld und schönen Verlockungen aus einer Dorfgemeinschaft eine Mörderbande wird.
Franz-Josef Wirtz 04/12/2006 18:57
Natürlich hat es Widerstand zu allen Zeiten und auf allen Ebenen gegeben. Subtil oder medienwirksam, Bürgerproteste, Klagen von Einzelnen, Kommunen, von Verbänden, Engagement von Parteien oder durch die Kirchen, auch das Schaffen von konstruktiven Alternativen oder die Begleitung durch Kulturgut wie Artikel, Leserbriefe, Fotos, Gemälde u.ä., Filme, Radiobeiträge etc.. Garzweiler II ist nun trotz all dieser Jahrzehnte währenden Widerstände aufgeschlossen worden. Immerhin - die ursprünglich geplante Fläche des Tagebaus fällt nun deutlich kleiner aus als zuerst geplant.Natürlich gibt es auch die, die "die da oben" machen lassen, es nicht wahr haben wollen, dass die Betreiberpläne bald wirklich Realität werden. Angesichts der Ungeheuerlichkeiten, die da den einzelnen Betroffenen zugemutet werden sicher auch ein verständliches Verhalten. Auch einige Profiteure wird es sicherlich geben. Die Braunkohle war und ist trotz allen Personalabbaus immer noch ein bedeutender direkter wirtschaftlicher Faktor in der Region. Insofern sind manche Opfer quasi auch gleich Täter. "Den Verantwortlichen", "den Schuldigen" wird es nicht geben. Das ist wirklich alles ein sehr komplexes Gefüge mit einer langen Geschichte. Jeder kann auf seine Schuhe schauen und da etwas Braunkohlenstaub entdecken...
In dem Zusammenhang klingt mir da gerade ein Text eines Deutschen Literaten im Ohr, wo es um die Bewilligung von Militärausgaben ging. Benötigt wurden x Geldeinheiten, beantragt wurden offiziell y mal x Einheiten, runtergehandelt wurde auf x Einheiten, die Verhandlungsführer waren froh, die Militärs auch.
Stimme aus dem Off 02/12/2006 3:33
@Herr von Mickwitz, jetzt beruhigen Sie sich bitte. Erst einmal tiiiiief durchatmen. Ist nicht gut für den Blutdruck.@Franz-Josef Wirtz: Danke für Ihre interessanten Ausführungen. War selbst neulich in Holz und Otzenrath/Spenrath. Sehr bedrückend. Als Außenstehender erwartet man irgendwie Transparente, Graffitis, Relikte eines Widerstandes. Aber die gibt es nicht. Sehr merkwürdig. Das Ganze scheint sehr tiefschichtig und komplex zu sein und man weiß nicht so richtig, wem man hier eigentlich die Schuld geben kann: dem Staat, der so etwas zulässt, der RWE, die so etwas betreibt oder den Menschen, die sich so etwas gefallen lassen, es teilweise sogar unterstützen.
Franz-Josef Wirtz 30/05/2006 20:07
Hier ist das Haus in einem kurzen ZDF-Film zu sehen:http://www.zdf.de/ZDFmediathek/inhalt/20/0,4070,2391540-5,00.html
"Abschied von der Heimat"
Angelica Hofmann 26/05/2005 21:07
ja es sieht dort immer sehlenlosser aus , es wohnt in der gegend nicht mehr fiel und das was dort steht nent man jetz wohl geister dorf,lg angelika
Franz-Josef Wirtz 26/05/2005 21:01
Ja, das Haus ist verlassen. Über dem Eingang fehlt das kleine Dach, in die Garage ist lange niemand mehr gefahren.Angelica Hofmann 26/05/2005 20:55
die sind aber seit längerm aus dem anwesen raus glaub ich ?wo sie aber neu aufgebaut haben weiss ich nicht ?lg angelika
Franz-Josef Wirtz 13/05/2005 11:13
Sie werden entschädigt, zumindest die, die innerhalb einer bestimmten Zeit am Umsiedlungsverfahren teilnehmen. Jedoch reicht die Entschädigung nicht aus, ein gleichwertiges Objekt zu heutigen Konditionen und rechtlichen Auflagen zu erstellen. Die Lebenszeit, die jeder Häulsebauer naturgemäß in die Ausgestaltung seines Häuschens bereits gesteckt hat wird natürlich auch nicht entschädigt. Von den idellen Werten mal gar nicht zu reden.Immer wieder gibt es Behauptungen, dass die Umsiedler geradezu fürstlich entschädigt würden, insbesondere weil manche nur die Villen und Prachtbauten sehen, die zuweilen in den umgesiedelten Orten zu finden sind. Es scheint wohl so zu sein, dass manche sich selbst quasi durch ausgeprägte Noblesse für das ganze Leid zu entschädigen versuchen - und dies jedoch aus eigener Tasche zahlen müssen. So heißt es, dass in den Umsiedlungsorten nicht selten beträchtliche Hypotheken auf den Häusern lasten und dann nach der Umsiedlung manche Umsiedler weiter belastet werden durch ihren Schuldendruck. So werden dann manche zum Mieter des eigenen Hauses, das längst der Bank gehört.
Durch die meist nur vermuteten Entschädigungshöhen entsteht sehr viel Missgunst und Misstrauen in der Dorfgemeinschaft, weil eben oft nicht zu durchschauen ist, wie der Nachbar X da so ein Haus hinbekommen hat während man selbst nur ein einfacheres hat. Da wird viel spekuliert. Auch weil der eine oder andere ja bei der RWE arbeitet... Viele möchten dann auch nicht zurückstehen oder eingestehen, dass sie bei den Verhandlungen mit den Rechtsexperten von RWE schlecht abgeschnitten haben und bauen dann weit über ihre Verhältnisse. Es kann also leicht passieren, dass nach der Umsiedlung eine erneute "Umsiedlung" nötig wird, weil das gebaute Haus nicht mehr finanzierbar ist und verkauft werden muss.
Auch wenn sich im Laufe der Jahrzehnte die Entschädigungssituation etwas gebessert hat so ist allein die materielle Seite der Umsiedlung immer noch nicht zufriedenstellend.
Erschwerend kommt ja noch hinzu, dass viele über ihre Rechte auch nicht genügend Bescheid wissen. Es trifft ja jeden im Dorf, egal welchen Alters, welcher Bildung... So manche dürften da überfordert sein.
Petrahh 11/05/2005 13:06
Eins ein Traum und dann wurde aus dem Traum ein Alptraum. So stelle ich mir das vor.Gruß Petra
Theophanu 11/05/2005 0:51
schlimm!lg uta
Franz-Josef Wirtz 10/05/2005 13:55
Solche Märchen wurden und werden immer wieder erzählt und von denen, die es nicht ohne weiteres nachprüfen können auch zu gerne geglaubt.Für das Dorf Holz wird der Originalgrundriss des Dorfes im neuen Dorf in verkleinerter Form in einer Platzgestaltung als Erinnerung aufgenommen. Das ist aber auch alles. Allein die alten Grundstücksgrößen können in den Neubaugebieten nicht realisiert werden. Da gibt es nur Einheitsparzellen. Und die heutigen Bauvorschriften lassen oft auch kein neu wie alt zu.
Nur unzureichende Flächen:
http://www.gdg-maria-und-elisabeth.de/garzweiler/pressespiegel/pressenotizen/evz_20050219_kein_neuer_ort_sondern_nur_ein_stadtteil.htm
Was die Kirchen anbelangt, so ist z.B. von der Kirche in Frohn im Tagebau Inden gerade mal das Turmkreuz wieder in Langweiler auf einem Steinpodest errichtet worden. Von Otzenrath mit einem katholischen und einem evangelischen Kirchenbau wurde erst kürzlich gesagt, dass die katholische Kirche keinen Neubau plant. Im letzten Jahr gab es sogar noch Demonstrationen der Bürger vor der Zentrale des Bistums in Aachen, um wenigstens den Status der eigenen Gemeinde zu erhalten. Aber die Jüchener sind - entgegen früheren Versprechungen - abgebügelt worden. Sie werden woanders angegliedert, die Eigenständigkeit wird aufgegeben.
Kein neuer "Immerather Dom":
http://www.gdg-maria-und-elisabeth.de/garzweiler/pressespiegel/pressenotizen/evz_20050309_dom_kein_thema.htm
und
http://www.gdg-maria-und-elisabeth.de/garzweiler/pressespiegel/pressenotizen/kz_20030803_die_bagger_werden_st_lambertus_fressen.htm
Keine katholische Kirche in Neu-Otzenrath/Spenrath (anstelle der evangelischen Kirche wird im zukünftigen evangelischen Gemeindezentrum lediglich ein 'Sakralraum' eingerichtet):
http://www.wdr.de/themen/politik/nrw/garzweilerII/kirche_otzenrath.jhtml?rubrikenstyle=kohleland_menschen
Keine neue Basilika wie in Holzweiler:
http://www.gdg-maria-und-elisabeth.de/garzweiler/pressespiegel/pressenotizen/kz_20030907_eine_basilika_von_vincenz_statz.htm
Keine neue Kirche für Borschemich:
http://www.gdg-maria-und-elisabeth.de/garzweiler/pressespiegel/pressenotizen/kz_20030817_ein_schmuckstueck_der_neugotik.htm
Kein Neubau der Kirche in Keyenberg:
http://www.lotharpost.de/projekt/Keyenberg/Keyenberg_gross/P3224910.htm
Kein Neubau der Kapelle in Kuckum:
http://www.kuckum.de/kapelle.htm
Z.T. liegt das ja auch daran, dass nur ein gewisser Teil der früheren Dorfbewohner umsiedeln kann und sich damit auch die Kirchengemeinde verkleinert. Teils, weil ja nicht jeder ein Eigentümer ist, teils weil einige ins Altersheim gehen da sie zu alt sind, um noch einmal ein neues Haus zu bauen, teils, weil sie ganz weggehen, vor allem wenn sie jung sind. So werden die Dörfer mit ehemals eigenem Charakter zu kleinen Ortsteilen von anderen Dörfern und Städten im Umkreis.
Silber-Distel 10/05/2005 13:18
Es tut in der Seele weh! Häuser, die gut in Schuss sind und möglicherweise selbst gebaut wurden. Wenn ich mir das bei meinem Haus vorstelle - ein schrecklicher Gedanke. Ich kann nachvollziehen, was in den Köpfen dieser Menschen wohl vorgehen wird.Anni