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.... der Grenzgänger ....

.... der Grenzgänger ....

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Neydhart von Gmunden


Premium (Basic), Hamburg

.... der Grenzgänger ....

oder
wie Bewunderung und Angst in mir erwachen und mich in den Bann ziehen

Da sitzt er nun, der Meister ... und ... wartet, auf mich, dass ich endlich so weit
bin, mit meiner Kamera ... und ihn, den Grenzgänger, banne auf dieses Bild.
Ich beeile mich, aber irgendwie auch nicht, gefühlt, aus Sicht des Meisters. Da
sitzt er und wartet und ich, ich hantiere mechanisch, nicht wirklich anwesend
und vergesse, in den RAW-Modus zu stellen. Nein, ich habe in den RAW-Mo-
dus gestellt, aber irgendwie nicht richtig. Aber das weiss ich erst Stunden später.
Jetzt weiss ich nur, das Angst mich ergriffen hat, eine Angst um einen Mensch-
en, dort auf dem Träger, gefühlt hundert Meter über einem offenen Sarg. Was ?
.... Wenn ? ... hämmert es in meinem Kopf. „Bist du bald soweit ? Es wird eng
auf diesem Träger“, drängt Er. Ich bin und mache ein paar Fotos. Fotos, die mich
befreien sollen, aus dieser komischen Lage. Die Sitz-Position war der Kompro-
miss an mich; der Meister hatte stehen wollen. Danach steht er neben mir und
schaut auf die Bilder. Er ist zufrieden und auch nicht und lotet eine andere Ka-
meraposition aus. Dann sitzt er wieder und ich mache noch ein paar Fotos. Ir-
gendwie sind wir beide etwas entspannter. Er erzählt mir beim Betrachten der
Bild-Ergebnisse, was er gefühlt hatte, dort, über dem Abgrund. Ich habe es aber
wieder vergessen. Nur der Träger, der wurde irgendwie immer schmaler und
schien zu schwinden, habe ich mir merken können. Danach bitte ich ihn, mit mir
„das Weite“ zu suchen, also diesen Ort endlich zu verlassen und uns den schö-
neren Motiven in diesem Werk zu widmen. Der Grenzgänger ist gnädig, wir ge-
hen zu den „schönen“ Motiven. So ist er, der Meister; ein Grenzgänger. Das war
er immer schon, so lange ich ihn kenne. Immer, nein .... immer mal die Grenzen
auslotend, oft ganz plötzlich, spontan, aus heiterem Himmel heraus. Im Wasser
liegend, Stunden lang, gefühlt, den Biber naturnah einzufangen, mit seiner Ka-
mera. Kälte, was ist das ? Mühsal, kennt er nicht. Umwege gibt es nicht. Er ist
ein Entdecker, ein Erkunder, vielleicht ein Wikinger, ein Indianer vielleicht ? Im-
mer neugierig, immer in Grenzgängerlaune und immer findet er sie, die Heraus-
forderung, so wie ich Geschichten finde. Ich muß an Thomas Bernhard denken,
an diesen Satz aus „Gehen“: „Es ist ein ständiges zwischen allen Möglichkeiten
eines menschlichen Kopfes Denken und zwischen allen Möglichkeiten eines men-
schlichen Hirns Empfinden und zwischen allen Möglichkeiten eines menschlich-
en Charakters Hinundhergezogenwerden“.
Ob ich den Meister mag ? Ja, ich mag ihn; aber ihn ständig um mich zu haben,
würde mich immerzu an meine Grenzen bringen; dafür bin ich nun doch zu alt.
Ich danke meinem Meister für diesen spannenden und aufregenden Ausflug !


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