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Der Traum ein Leben

Münster, 2007, 11.18 Uhr. Nikon D 100 mit Sigma 18-50 mm G bei 50 mm. JPEG (8 Bit) Fein. ISO 200. 1/250 sec f/8. Bearbeitung: Ulead PhotoImpact 11 (Tonwertkorrektur -5 für Tiefen und Lichter, Bildschnitt, Rahmen).

Maria Pask
*1969 in Cardiff, Wales, lebt und arbeitet in Amsterdam

Projekt: Beautiful City, skulptur projekte münster 07
"Maria Pask entwickelt eine öffentlich zugängliche Plattform, auf der Experten unterschiedlicher religiöser Glaubensrichtungen ihre jeweilige religiöse Gesinnung vortragen können. In Anlehnung an die Metapher der Stadt im Lied „Beautiful City“ aus dem Musical „Godspell“ von 1971, in dem die Vision einer neuen Form der Stadt berichtet wird, die anstatt aus Mauern und Türmen aus visionären Vorstellungen, moralischen Idealen und gegenseitigem Vertrauen errichtet wird, erprobt die Künstlerin ein solches Szenario im Rahmen der skulptur projekte münster 07.
Zu diesem Zweck hat Pask ein Vortragsprogramm zusammengestellt, in dem einmal wöchentlich Experten nationaler wie internationaler religiöser Gemeinschaften in die Öffentlichkeit treten und ihren individuell subjektiven Standpunkt zu Glauben, Spiritualität und Religion referieren. In einem Zelt schafft die Künstlerin für dieses Vortragsprogramm einen Ort, der über seinen flüchtigen und improvisiert anmutenden Charakter ebenso an die Mobilität von Wanderpredigern erinnert als auch an die Ideale der Zeltmission anknüpft: Ende des 19. Jahrhunderts als Bewegung gegen die ausschließliche Ausrichtung religiöser Gelder wie Interessen auf Städte mit hoher Bevölkerungsdichte entstanden, reiste die Zeltmission vornehmlich ländliche Gebiete ab, um bei den dort ansässigen Menschen über ihre Predigten ein Interesse für das Evangelium zu wecken.
Im Rückblick auf die Stadtgeschichte Münsters, die mit der Wiedertäuferherrschaft von religiösen Umschwüngen im Kontext der Reformationsbewegung im 16. Jahrhundert geprägt ist und in deren Selbstverständnis jene Ereignisse auch heute noch eine zentrale Bedeutung zukommt, setzt Maria Pasks Projekt an einem sehr wichtigen Punkt an: Im heutigen Münster existiert eine prozentual gemessen überdurchschnittlich große römisch-katholische Gemeinde, während sonstige Glaubensrichtungen, die in anderen europäischen Städten wahrnehmbar vertreten sind (wie etwa das Judentum und der Islam), nur in verschwindend geringen Anteilen vorkommen und gleichzeitig nur peripher wahrgenommen werden.
Maria Pasks Projekt bedient in diesem Zusammenhang weniger einen reformatorischen Anspruch, der an eine Änderung des eigenen Glaubensystems appelliert, als es Vielfalt und Diversität aufzuzeigen versucht. In ihrem Nebeneinander neutralisieren sich die jeweiligen religiösen Standpunkte in ihrer Wertigkeit gegenseitig, bilden aber dennoch eine reiche Informationsgrundlage für das Wissen um ethische, soziale und individuelle Zusammenhänge in der multikulturellen Gesellschaft.
Im Rahmen einer Großausstellung wie skulptur projekte münster 07 wird die Ausstellung selber zugleich als ein weiterer ‚Glaubensrahmen’ thematisiert; so wie die jeweiligen künstlerischen Interventionen für die Bilder einer Stadt stehen können, reflektiert sich in Pasks Projektidee auch die Erfahrung einer eingeschworenen Kunstgemeinde. Mit der Positionierung ihres Standorts zwischen den verbliebenen Skulpturen des niederländischen Künstlers Hermann de Vries’ auf der einen und George Brechts auf der anderen Seite situiert sie sich weiterhin in einen künstlerischen Kontext zwischen Spurensuche und Fluxus, der für die künstlerischen Utopien der 1960er Jahre stellvertretend ist.
Biographie
Maria Pasks Kunst findet vornehmlich in Projekten statt, die an prozessualen Abläufen interessiert sind und in denen unterschiedlichste Personengruppen involviert sind. An künstlerischen Strategien orientiert, die vor allem im Verlauf der 1960er Jahre entstanden, erinnern die Arbeiten der Künstlerin an die Radikalität der alternativen Bewegung: Neue Formen der theatralischen Inszenierung kommen dabei ebenso zum Einsatz wie das Re-Enactment von Musicals und das Aufgreifen der besonderen Ästhetik dieser Generation. Dabei nimmt Maria Pask ein breites Spektrum künstlerischer Möglichkeiten zwischen Bildhauerei, kreativen Workshops und Formen der Gruppentherapie auf, deren jeweiliges gestalterisches und soziales Potential sie zu bunten, von Laienkunst infiltrierten Installationen verarbeitet. Gruppenarbeiten und gegenseitiger Austausch mit ausgesuchten Bevölkerungsgruppen sind Teil ihrer dramaturgisch geprägten Arbeitsweise, bei der sie die Position des Individuums in der Gemeinschaft und die gruppendynamischen Wechsel-wirkungen, die in der jeweiligen Personenkonstellation entstehen können, als Material versteht.
Es gehört dabei zu Maria Pasks spezifischer künstlerischer Qualität, Situationen zu erzeugen, in denen die Ausstellungsbesucher in Ereignisse einbezogen werden, auf die sie im Kunstkontext zu stoßen nicht notwendigerweise vorbereitet sind. Dabei geht es der Künstlerin weniger um die bloße Provokation des Rezipienten durch das nicht Erwartete, als um den Versuch, das Potential einer solchen Konfrontation zu nutzen, um Hemmschwellen zu überschreiten und auf humorvolle und gestaltende Weise mit sozialen Konventionen zu brechen und Neues entstehen zu lassen."
(Internetseite der skulptur projekte münster 07)

Commentaire 25

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  • † werner weis 29/06/2011 12:26



    ja, heute schaue ich noch einmal das Bild und lese in den Texten
    da schaut eine Figur in einem Alptraum, den sie selber erleidet

    sie hat Schutz gefunden unter einfachsten
    Bedingungen -

    von Josef Beuys las ich irgendwo, dass er als Flieger im 2. WK an der Krim abstürzte, im Schock überlebte und die Dorfbevölkerung ihm Filzdecken und heißes Honigwasser gegen das Trauma gab, was ihm sehr gut tat ... was ich hier grad zitiere, mutet mir an wie ein Traum ...
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  • Kerstin Stolzenburg 05/09/2010 16:45

    Lieber Eckhard, anknüpfend an deine Erwiderung auf meine Gedanken zu deinem Bild in Bezug auf das wunderbarerweise stehengebliebene Wörtchen 'wieweit', die freilich inzwischen auch bereits ein paar Wochen unbeantwortet im Raum steht, nicht zuletzt, weil mich vor allem der letzte Absatz immer wieder beschäftigt, sowie im Kontext deiner aktuellen Fotoarbeit
    Maskenwechsel
    Maskenwechsel
    E. W. R.
    , der Du "Der Traum ein Leben" als Beigabe mitgegeben hast, möchte ich noch einmal kurz auf diese Aufnahme eingehen, denn hier wurde bislang ja längst nicht alles angesprochen, was das Bild aussagen könnte oder wollte. Und auch ich werde in den wenigen Sätzen jetzt nur wieder einen Teilbereich anreißen können, der mir aber als 'Vorarbeit' für die Besprechung von "Maskenwechsel" nicht unwesentlich erscheint.

    Nun ist bereits das Projekt von Maria Pask als solches sehr interessant und verdient es, dass man sich gedanklich mit ihm auseinandersetzt und überlegt, was von diesen Ideen und Visionen umsetzbar ist bzw. sein könnte. Aber das Bild hat auch einen sehr eigenwillig klingenden Titel, den man, vielleicht vergleichbar zu
    Träumen nach vorwärts
    Träumen nach vorwärts
    Kerstin Stolzenburg
    , nicht so ohne weiteres findet oder vergibt. Also könnte es sich auch lohnen, einmal in diese Richtung zu schauen ... und natürlich wird man dort auch etwas finden, nämlich ein Stück, ein dramatisches Märchen von Franz Grillparzer. http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=962&kapitel=1&cHash=b6e2c522c22#gb_found
    Zwei Überlegungen erscheinen mir beim Lesen des Stücks zunächst bzw. vor allem interessant: Einerseits betreffen sie die Taten und Wandlungen des Rustan im Traum, andererseits die Wünsche vor dem Träumen und die Reaktion nach dem Aufwachen. Im Traum lässt er sich auf eine Welt aus Lug und Trug ein (Maskenwechsel); es ist scheinbar leicht, alles zu können, zu sein und zu haben ... und er nimmt - grob zusammengefasst - immer mehr und verstrickt sich in einem Lügennetz, bis es scheinbar keinen Ausweg mehr gibt. In dem Moment erwacht er und verwirft sofort die Wünsche, Vorstellungen und Vorhaben, die er vorher hatte und die ihm jetzt alle fragwürdig erscheinen, zugunsten des Lebens, das für ihn bereits vorgezeichnet war und das er nun gern annimmt.

    Wie immer man auch die Träume und Wünsche Rustans beurteilt, auch sie sind ja in der Form nur ein Paradigma für viele andere Träume und Wünsche, hier vor allem auch eines noch jungen, suchenden Menschen, erscheint mir der Zusammenhang von Wunsch, Veränderung, Neuem im Zusammenhang mit der absolut negativen Entwicklung in seinem Traum sehr extrem. Ich hatte beim Lesen den Eindruck, wenn ich das Stück richtig verstanden habe, dass man besser beim Gewohnten bleiben soll, zufrieden sein soll mit seiner Situation, dass alles Vorwärtsdenken und -streben immer mit Gefahr, Egoismus, Gier und Verantwortungslosigkeit zu tun haben könnte und wenig Positives beinhaltet. Das wäre ein sehr konserativer Denkansatz, der kaum je erlauben würde, einen sicht- oder vorstellbaren
    Weg im Licht
    Weg im Licht
    E. W. R.
    zu beschreiten und der alles nur auf eine
    Traumreise
    Traumreise
    E. W. R.
    beschränken würde. ... Zu wenig für ein einmaliges Leben, finde ich und auch Maria Pasks Ansätze wären damit möglicherweise von vornherein zum Scheitern verurteilt.

    Kerstin
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  • Kerstin Stolzenburg 09/11/2009 15:15

    Lieber Eckhard, ich dachte mir natürlich, dass das Wort "Wieweit" ganz am Ende deiner Anmerkung (noch unterhalb deines Namens) dort nur zufällig steht, weil es versehentlich nicht gelöscht wurde.

    Aber gerade dieses nicht dorthin gehörende Überbleibsel ursprünglicher Gedanken- oder Schreibvorgänge reizte mich, es im Kontext zum Geschriebenen zu betrachten :-). Das Wort erscheint einem am Ende wie ein Hinterfragen des Gesagten, wobei es keinesfalls bedeutet, dass das Gesagte dadurch negativ ausgedeutet werden soll. Es sind nur allgemeine Überlegungen meinerseits dazu. (Den Text als solchen habe ich natürlich verstanden :-)).

    Kerstin
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  • Kerstin Stolzenburg 08/11/2009 13:31

    Lieber Eckhard, ich nehme mal das letzte Wort aus deiner Antwort an Werner auf, "Wieweit".
    Ich vermute zwar, dass es nur versehentlich dort steht, weil es beim Schreiben des Textes möglicherweise in "inwieweit" geändert, aber letztlich nicht gelöscht wurde, aber es könnte auch als Frage am Ende betrachtet werden und damit einen Ansatz bilden, der mir nachdenkenswert erscheint.

    "Wieweit" ist denn die Spannung zwischen Traum und Leben fruchtbar (dass sie es grundsätzlich ist, ist natürlich richtig), wann schlägt sie jedoch gegebenenfalls um in tiefe Enttäuschung, Traurigkeit, Resignation? Man träumt doch eigentlich nur von Dingen und Entwicklungen (die nächtlichen Träume einmal ausgeklammert), die einem in irgendeiner Form realisierbar erscheinen, zu denen es, zumindest theoretisch, einen Weg gibt.

    Das mögen Ziele im Beruf sein, Entwicklungen in der Forschung, an denen man beteiligt ist, das mögen für manche Menschen gesellschaftliche Veränderungen sein, nicht zuletzt solche, wie sie vor zwanzig Jahren zum Fall der Mauer führten oder solche, die mit Toleranz zu tun haben, wie sie sich die Künstlerin in ihrer Installation vorstellen mag, wieder Andere träumen vom großen Lottogewinn, der zwar fast utopisch, aber doch theoretisch möglich wäre, oder sie träumen von zwischenmenschlichen Bindungen, die aufgrund vorhandener Rahmenbedingungen aktuell scheinbar nicht oder nur in sehr reduzierter Form realisierbar sind ... Man könnte viele Beispiele nennen.

    Die Spannung dürfte auch immer unterschiedlich groß sein, abhängig vom Wert des im Traum fokussierten Ziels. Einen Lottoschein kann man ja jede Woche neu einreichen, einen bestimmten Menschen trifft man jedoch vielleicht nur einmal im Leben und nach Abschluss eines Forschungsprojekts sucht man sich neue Ziele, von denen es zu träumen lohnt.

    Träume sind immer mit Hoffnungen verbunden, kleinen und großen. Träume realisieren zu können, ist wunderbar und das stellt gewiss auch eine Triebkraft für das Weitermachen und Weitergehen im Leben dar.
    Ohne Hoffnung jedoch sterben die Träume und an dem Punkt kann sich die einmal vorhandene positive Spannung vielleicht auch ins Negative kehren und das Leben sogar blockieren.

    Na ja, ich bin wieder ein wenig ins Philosophieren geraten. ;-)

    Die Figur im Bild, die auch mir in manchen Dingen sehr verletzlich erscheint, nicht weil sie es von Natur aus ist, sondern weil sie neben den schönen und interessanten Dingen im Leben vielleicht auch viele Träume, eigene und die anderer Menschen, zerbrechen sah, diese Brüche leben musste bzw. solche gedanklich in sich aufnahm und verarbeitete, ist aufgrunddessen in meiner Vorstellung tolerant, wissend und feinsinnig, und scheint mir eher nicht von unerreichbar fernen Utopien zu träumen. Sie wird die wesentlichen Dinge im Leben ins Auge gefasst haben, wozu nicht zuletzt das zählt, was die Künstlerin mit ihrem Werk ausdrücken möchte.

    Kerstin
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  • † werner weis 03/11/2009 11:25


    Kunst mutiert profan und urban, wenn sie von Halloween-Kids abgegriffen wird
    auch dieses Werk ist nicht dagegen gefeit, ästhetisch demontiert zu werden, doch
    hier und jetzt zeigt es sich so souverän, dass man nichts zu befürchten hat

    gegen meinen Willen klingeln Halloween-Kids an meiner Tür und sagen eruptiv
    und ohne Vorwarnung und sofort:

    "Süßes oder Saures!" - dies ohne großartigen Hintergrund, sondern eher getrieben vom Nichts, den Lemmingen gleich - und ich gab

    Süßes: Traubenzucker-Riegel, da waren noch so viel aus den vorhergegangenen Jahren diverser Mitbewohner

    Saures: Mit den Worten "sauer verdientes Geld" löffelte ich ihnen aus den Glasschalen, in denen ich immer schon seit Jahren die 1-, 2- und 5-Cents-Stücke sammelte, dieses Kupfer in die Tüten...
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  • Helene Kramarcsik 02/11/2007 13:27

    Zu Kunst habe ich ganz allgemein keinen klugen Zugang. Liegt vermutlich daran, daß sie mir all zu oft unverständlich ist.
    Dein Bild hätte ich eher als eine sogenannte "Vogelscheuche" interpretiert und ohne Deiner ausführlichen Information dazu wäre ich wohl nie dahinter gekommen, daß es sich dabei um ein Kunstprojket handelt.
    Die Information ist hoch interessant und ich hege die Hoffnung, daß diese "Aktion" auch dazu betragen kann, daß sich verschiedene Kulturkreise näher kommen können und künftig auch toleranter aufeinander zugehen können.
    Vielen Dank für Deinen Besuch und Anmerkung zu
    KH_IMG_0573 - Teufelsmaske
    KH_IMG_0573 - Teufelsmaske
    Helene Kramarcsik
    Habe Dir dort ausführlich geantwortet. Irgendwie will es der Zufall, daß mein Bild ein Beispiel dafür ist, wie altes "heidnisches" Brauchtum auch seinen Platz im Christentum finden konnte, ohne daß dies heute noch einen Glaubenskonflikt verursacht. Das war früher ja nicht immer so und sich in den Teufel zu verkleiden war im 16. Jahrhundert bei Strafe verboten. Das hat nun zwar nichts mehr mit Kunst zu tun, wenn man mal davon absieht, daß evtl. die Masken auch kunstvolle Schnitzereien sein können. Aber eines haben beide Themen gemeinsam. Dein Bild ist der evtl. Beginn für mehr Toleranz gegenüber anderen Religionsgemeinschaften und mein Bild ist der Beleg für vollzogene Gleichberechtigung, ohne daß man gleich den eigenen Glauben gefährdet sehen muß.
    LG Helene
    LG Helene
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