Des Trolls Erwachen
Manchmal wird man plötzlich an Dinge erinnert, die man längst vergessen glaubte. So war ich doch sehr überrascht, als ich anlässlich eines kleinen Spaziergangs einen alten Bekannten wiedertraf. Er hat mich nicht bemerkt, aber ich habe ihn beobachtet.
Zur Erinnerung: Der Troll war auf der Flucht vor dem zänkischen Weib des Holzfällers, das nach dem Genuss eines Zaubertrankes in Liebe entbrannt war, koppheister in einen Baum gesprungen und bedingt durch seine Leibesfülle dort stecken geblieben.
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Die Winter kamen und gingen, ohne dass sich am Schicksal des Trolls etwas änderte. Anfangs hatte er noch versucht, durch Zappeln und Zerren seine Lage zu verbessern. Doch schließlich erkannte er, dass nur Geduld zum Ziele führen würde, und da Schmalhans nun Küchenmeister bei ihm war, konnte es lediglich eine Frage der Zeit sein, bis sein übermächtiger Hintern dem Rest des Körpers durch die schmale Öffnung ins Innere des Baumes würde folgen können.
Natürlich bedauerte der Troll, die besten Jahre seines Lebens auf diese Weise verbringen zu müssen, aber er es half nun alles nichts mehr, und so ergab er sich in sein Geschick.
Waren es nun hundert Jahre oder zweihundert, die ins Land gezogen waren, bis endlich Bewegung in den ausgemergelten Körper des Gefangenen kam? Jedenfalls gab es mit einem Male den entscheidenden Ruck, und der Troll plumpste tief in den hohlen Baumstamm. Verdutzt sortierte der Befreite seine schlackernden Gliedmaßen, versuchte sich zu fassen und vom nötigsten Schmutz zu befreien, bevor er sich an den Aufstieg machte.
Es kostete unseren Freund einige Mühe, sich wieder ans Tageslicht vorzuarbeiten, und als er endlich sein fahles Gesicht durch die ihm zum Verhängnis gewordene Öffnung zu stecken vermochte, verharrte er erschöpft. Die frische Herbstluft belebte ihn nur allmählich, und die Sorge, dass seine Verfolgerin, des Holzfällers zänkisches Weib, immer noch auf der Lauer liegen könnte, ließ ihn zusätzlich Vorsicht walten.
Schließlich fasste der Wicht aber doch Mut und kletterte in die Freiheit. Zu seiner großen Verwunderung verlief gleich vor dem Baum eine im Sonnenlicht seltsam glänzende Spur, die er zunächst für einen Bachlauf gehalten hatte. Vorsichtiges Betreten zeigte aber, dass der Untergrund zwar recht glatt und steinhart war, keinesfalls jedoch aus gefrorenem Wasser bestand. Dergleichen war dem Troll noch nie unter die Augen gekommen, doch schnell verlor er das Interesse an dem wunderlichen Weg und wandte sich lieber dem munter plätschernden Flüsslein zu, das durch das Blattwerk schillerte.
Mit beherztem Sprung stürzte unser Held sich in die kühlen Fluten der Bigge, und sogleich durchströmte ihn ein wohliges Gefühl. Er spürte, wie seine ausgetrocknete Haut einem Schwamm gleich die Feuchtigkeit einsaugte, und mit wachsendem Leibesumfang kehrte auch die alte Lebensfreude zurück. Gerade als der Troll einen lauten Jubelruf gen Himmel schicken wollte, traf ihn etwas an der Schläfe, und gleichzeitig hörte er hinter sich Stimmen.
„Ey, du Blödmann! Was soll der Quatsch? Fast hättest du mich abgeschossen.“, schimpfte ein junger Mann. „Ich wollte dich doch gar nicht mit dem Stein treffen, sondern das Stück Treibholz vor dir. Wirf das mal rüber!“, rief ein zweiter Bursche. Und schon wurde der Troll aus dem Wasser gehoben und landete nach kurzem Flug durch die Luft unsanft am Ufer.
Noch benommen von der Wucht des Aufpralls stieg der Troll erst an dem Punkt der Unterhaltung zwischen den beiden Freunden ein, die sich mit der Eroberung eines Mädchens beschäftigte.
„Wir müssten so ein Zeug haben, das sie eine Zeit betäubt“, meinte einer. „Du meinst k.o.-Tropfen? Ja, das wäre gut. Aber kennst du einen, der so einen Trank besorgen kann?“, erwiderte der andere.
Gerade wollte sich der Troll einmischen und wichtig verkünden, dass er sehr wohl in der Lage sei, einen solchen Betäubungstrank zu mischen, doch dann fiel dem Geplagten ein, in welche Schwierigkeiten ihn Zaubertrank, Liebe und vor allem die Frauen zuletzt gebracht hatten. Da gab er sich mit aller Entschlossenheit einen Ruck, rollte das abschüssige Ufer hinab bis zur Bigge, tauchte ein und entschwand mit den Fluten.
Wohin es ihn getrieben hat, weiß niemand … und wenn er nicht irgendwo hängen bleibt, dann treibt es ihn bis zur Lenne, zur Ruhr, zum Rhein und dann hinaus auf’s offene Meer.
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Ich „klebe“ das Bild nun in das Foto-Geschichten-Buch
Wer sich dazu äußern möchte, kann das gerne hier (oder auch dort unter dem Bild) tun.
Vielen Dank für das Interesse!
:-)
Günter7 30/11/2019 18:36
Sehr schön mit offenen Augen entdeckt und sauber fotografisch auf den Chip gebannt.Ganz toll die Geschichte dazu.
marant 15/11/2019 18:41
Trolle gibt es überall im Walde, man muss nur genau hinschauen … ob die alle von der Sorte sind, kann ich nicht beurteilen … :))Starcad 05/11/2019 21:32
Auf mich wirkt er relativ entspannt, und ein Troll wäre auch kein Troll, wenn er seine Heimat im Meer suchen würde. Da geht noch was, auch wenn wir davon nichts mehr erfahren.LG Marc
Ruth U. 05/11/2019 19:57
Um die langen Wimpern beneide ich ihn, aber vielleicht sehe ich das auch falsch ... das ist auf jeden Fall eine tolle Entdeckung, sieht wirklich wie ein Gesicht im Profil aus.Mira Culix 05/11/2019 16:56
Irgendwie sieht er ganz schön missmutig aus, der arme Kerl.Runzelkorn 05/11/2019 16:52
Vielleicht trifft er unterwegs ja auch ein liebreizendes Forellenmädchen und krault mit ihm zurück zur Quelle, um ihm dort beim Laichen beizustehen.Klacky 05/11/2019 16:45
Das hat er nun davon.Eines Tages wird er als ein Stück Schwemmholz angetrieben werden, am Strande trocknen und dann als Kaminholz enden. Das hatte er sich anders vorgestellt, aber was soll's. Als letztes "Lebenszeichen" schickte er noch ein Pfund Feinstaub in die Luft.
Das war's dann ...